Der Eindruck einer wenig inhaltlichen Besetzung des Botschafterpostens in Abu Dhabi täusche wohl nicht, sagt der Korruptionsexperte.

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Die Besetzung des Botschafterpostens in Abu Dhabi mit dem einstigen Pressesprecher von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Etienne Berchtold, über die DER STANDARD berichtete, hat neuerlich eine Debatte über politische Postenbesetzungen in Gang gebracht. Denn die Gleichbehandlungskommission sah es als nicht überzeugend an, "dass die getroffene Personalentscheidung auf einer sachlichen und objektiven Grundlage und eben nicht auf einem weltanschaulichen Motiv beruht", hieß es in einem Gutachten, das dem STANDARD vorliegt.

"Der Eindruck täuscht wahrscheinlich wirklich nicht", sagte der Jurist und Antikorruptionsexperte Martin Kreutner am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal". Es sei wohl auch "die allgemeine Lebenserfahrung der gelernten Österreicherin oder des gelernten Österreichers", dass so etwas vorkomme, "bei aller Unschuldsvermutung". Beispiele gebe es unter den verschiedensten Konstellationen parteipolitischer wie geografischer Natur, sagte Kreutner. "Das auf den Einzelfall zu reduzieren wäre sicher fehl am Platz."

Einerseits habe man sich an derartige Fälle längst gewöhnt, andererseits steige aber auch der Frust in der Bevölkerung wie bei möglichen Kandidatinnen und Kandidaten für einen Posten, das Vertrauen in die Institutionen sinke. "Man kann nur hoffen, dass das zumindest als Anlassfall dient, auf Bestrebungen zur vermehrten Objektivierung in der öffentlichen Postenvergabe zurückzukommen", sagt der Experte. Das hält er für entscheidend, denn in manchen Ausschreibungen stehe etwas überspitzt formuliert "fast schon der Name der Kandidatin oder des Kandidaten", der oder die dafür vorgesehen sei.

Besetzungskommissionen verändern

Im Auswahlprozess Personalberatungsfirmen hinzuzuziehen hält Kreutner daher für durchaus sinnvoll. Dabei sei aber darauf zu achten, dass es sich um große Firmen handle. Dass nach sachlichen Kriterien entschieden wird und keine Gefälligkeitsgutachten abgegeben werden, könne man auch über Vertragsstrafen und Schadenersatzansprüche versuchen sicherzustellen.

Eine auf Inhalten statt Netzwerken beruhende Entscheidung zu gewährleisten wäre grundsätzlich auch der Sinn einer Besetzungskommission. Deren Zusammensetzungen sind in der Praxis aber oft alles andere als ideal, wie Kreutner betont. In Ministerien würde man sie oft kurzfristig zusammenstellen, um höhere Positionen zu vergeben.

Deshalb seien Alternativmodelle wie eine ständige Bundesauswahlkommission mit Fachleuten gefragt. Als Vorsitzende böten sich von einstigen Präsidentinnen von Oberlandesgerichten bis zu Personen aus der Privatwirtschaft – oder gar einstigen Funktionsträgern aus dem EU-Ausland – diverse Berufsgruppen an. Insbesondere bei der Besetzung besonders hoher Posten hält der Korruptionsexperte solche Überlegungen für sinnvoll: "Letztendlich ist es eine Wollensfrage und nicht eine des Möglichen." (Martin Tschiderer, 8.2.2023)