Bei Großspenden ist in Österreich noch Luft nach oben, heißt es im Spendenbericht 2022.

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"Die Tatsache, dass ein System Reichtum ermöglicht, verpflichtet die Reichen, dieser Gesellschaft etwas zurückzugeben", sagt Hans Peter Haselsteiner. Der Gründer des Baukonzerns Strabag hat sein Vermögen deshalb auch in eine Stiftung überführt. 51 Prozent davon gehen seit zehn Jahren an gemeinnütze Zwecke.

Damit ist der Tiroler nicht allein. Die Liste philanthropischer Spender ist lang. Microsoft-Milliardär Bill Gates hat mit seiner Ex-Frau Melinda und dem Großinvestor Warren Buffett 2010 die Stiftung The Giving Pledge gegründet. Mit der Kampagne wollen sie Superreiche dazu animieren, die Hälfte ihres Vermögens zu Lebzeiten oder mittels eines Erbes weiterzugeben. Mittlerweile lächeln über 230 Spendende von der Website – darunter auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg oder Larry Ellison, Gründer der Software Oracle.

Wenig Großspenden in Österreich

Das gemeinnützige Engagement ist in den letzten Jahren weltweit derart gestiegen, dass laut dem Fundraising Verband Austria (FVA) sogar die Rede vom "Goldenen Zeitalter der Philanthropie" ist. In Österreich sieht es diesbezüglich noch ein wenig anders aus. Während etwa in Deutschland fast die Hälfte aller Spenden aus den höchsten Einkommen stammt, liegt diese Zahl hierzulande bei unter zehn Prozent.

Personen mit einem Einkommen von über 90.000 Euro haben laut Spendenreport 2022 rund 28 Millionen gespendet. Interessant ist diese Summe, weil die Niedrigverdienenden mit einem Einkommen unter 11.000 Euro eine nahezu gleich große Summe spendeten. Dabei ist die Millionärsdichte in Österreich durchaus hoch – und diese hätten Berichten zufolge teilweise stark von der Pandemie profitiert. Das Fazit des FVA-Spendenberichts 2022: "Großspenden haben im internationalen Vergleich eindeutig Luft nach oben."

Kritik an den Spendern

Auch wenn sie mit ihrem Geld Kunstprojekte und Museen finanzieren, wie Amazon-Gründer Jeff Bezos, der Milliarden in die Bekämpfung des Klimawandels investiert, oder wie der indische IT-Unternehmer Azim Premji, der einen Großteil des Vermögens in Bildungsprojekte steckt: Superreiche sind häufig der Kritik ausgesetzt, mit Spenden nur dem Fiskus entgehen zu wollen.

Das ist für Günther Lutschinger, FVA-Geschäftsführer, aber ein falsches Argument: "Steuern zahlt man von steuerpflichtigem Einkommen. Wenn ich davon etwas spende, habe ich weniger und die Gesellschaft mehr." Großspender müssten in Österreich stärker dazu motiviert werden, ihr Geld in gemeinnützige Zwecke zu investieren. Es gebe schließlich Themen, die nicht allein vom Staat aufgefangen werden können, es brauche auch zivilgesellschaftliches Engagement, um eine moderne Gesellschaft weiterzuentwickeln.

Ob unsere Gesellschaft auch in Zukunft Superreiche braucht, hat DER STANDARD einen Unternehmer, eine Museumsdirektorin, einen Ökonomen und gefragt.

Der ehemalige Milliardär – Hans Peter Haselsteiner:

"Die Frage ist, welches gesellschaftliche Modell imstande ist, Reichtum in ungebührlichem Ausmaß zu vermeiden. Das gemeinsame Anliegen muss sein, die Spreizung zwischen Arm und Reich so gering wie möglich zu halten. Denn reich ist man – genauso wie arm – nur im Verhältnis zu anderen. Nur ein Beispiel: Wer in Österreich arm ist, ist im Senegal reich.

Reiche haben aber eine zusätzliche Verantwortung für die Gesellschaft, die ihnen diesen Reichtum ermöglicht hat. Bei aller Tüchtigkeit des Einzelnen, der entsprechenden Ausbildung und Fähigkeiten – und seien sie genialer Natur – ist es doch immer das gesellschaftliche Modell, das den Reichtum ermöglicht hat. In Österreich wie in den meisten Demokratien ist das die soziale Marktwirtschaft. Wenn auch das Soziale daran oftmals verkümmert ist.

Die Tatsache, dass ein bestimmtes System Reichtum ermöglicht, verpflichtet in meinen Augen die Reichen dieser Gesellschaft dazu, etwas zurückzugeben. Sie können Forschung, Soziales oder Künste fördern oder dort einen Beitrag leisten, wo der Staat nicht oder nicht im wünschenswerten Umfang tätig wird. Alle Reichen könnten und sollten sich philanthropisch engagieren.

"Reiche haben eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft", sagt Hans Peter Haselsteiner.
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In Österreich haben wir zwei unerwünschte Phänomene. Erstens haben wir eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten unter den OECD-Ländern. Zweitens wächst die Spreizung zwischen den Ärmsten und den Reichsten seit 1945 stetig an. Um dem entgegenzuwirken, braucht es eine mutige Reformpolitik. Ich bin sehr für eine Vermögenstransfersteuer, also eine Schenkungs- und Erbschaftssteuer, aber gegen eine Substanzbesteuerung. Und die Einführung einer Erbschaftssteuer dürfte auch keinesfalls die Steuerquote erhöhen. Der Staat müsste im selben Umfang andere Steuern entsprechend senken.

Auch wäre es wichtig, wenn der Staat erkennbare Einsparungen in seiner Verwaltung tätigt und zum Beispiel teure und ineffiziente Strukturen, wie sie im Föderalismus begründet sind, beseitigt. Da gehen viele Milliarden verloren, wahrscheinlich deutlich mehr, als durch eine Reichensteuer – um das Wort in den Mund zu nehmen – eingehoben werden könnte. Die Forderung 'Schröpft die Reichen', die in Deutschland zunehmend häufig erhoben wird und auch bei uns ihre Anhänger hat, kann auch nicht in beliebigem Umfang realisiert werden. Denn eine Reichensteuer bringt nichts, wenn man keine Reichen mehr hat, die sie zahlen.

Ich selbst bin mittlerweile weitgehend mittellos, weil ich mein Vermögen in eine Stiftung transferiert habe. Diese schüttet nun ihre Erträge im Ausmaß von 49 Prozent an die Familie aus, und ich bin einer der Begünstigten. 51 Prozent hingegen fließen in soziale oder kulturelle Projekte. Die in der Stiftungsurkunde festgeschriebenen Regelungen sind nicht mehr veränderbar. Dieser – von meiner Frau und mir vorgeschlagenen – Regelung haben meine Kinder ausdrücklich zugestimmt."

Die Museumdirektorin – Karola Kraus:

"Als Museumsdirektorin bin ich Bittstellerin. Das Mumok ist auf Förderungen angewiesen, eine meiner zentralen Aufgaben ist es, Menschen um Spenden oder Förderungen zu bitten. Als Bundesmuseum sind wir gerade in Krisenzeiten dringend auf die Unterstützung privater Personen angewiesen.

Wir erhalten vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport eine Basisabgeltung, diese deckt jedoch lediglich die Personal-, Betriebs- und Mietkosten ab. Die Ausstellungen, Veranstaltungen, Kunstvermittlungsprogramme sowie die Sammlungserweiterung müssen wir selbst erwirtschaften. Dies gelingt uns mit Ticket- und Shop-Erlösen, mit Vermietungen und mit Sponsoring und Förderungen von Firmen und Privatpersonen.

Die Entstehungsgeschichte der Sammlung des Mumok ist eng mit Sammlerpersönlichkeiten verbunden. Mit der Gründung der Österreichischen Ludwig-Stiftung und den damit einhergehenden Schenkungen und Dauerleihgaben internationaler Kunst seit den 1960er-Jahren hat die internationale Kunst Eingang in die Sammlung des Mumok gefunden. Das Museum trägt durch dieses Engagement auch den Namenszusatz Stiftung Ludwig.

"Gäbe es keine reichen Förderer mehr, würde es Künstlern schlechter gehen", sagt Karola Kraus, Museumsdirektorin.
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Da die staatlichen Gelder immer knapper werden, wird sich die Zukunft dahingehend verändern, dass auch Bundesmuseen mehr auf die Unterstützung privater Personen und Stiftungen angewiesen sind. Es bleibt zu hoffen, dass wir auch in Krisenzeiten tatkräftig unterstützt werden. Die Sammlung des Mumok umfasst großartige Schenkungen von Künstlerinnen und Künstlern und von privaten Personen. Auch konnten wir Vor- und Nachlässe und ganze Sammlungskonvolute an unser Haus binden.

Ich wünsche mir, dass wir auch in Zukunft mit großzügigen Schenkungen und Förderungen bedacht werden. Gleichzeitig sind wir gefordert, unsere Museumsarbeit den neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Aufgrund der Kostensteigerungen auf allen Ebenen müssen wir unsere Strukturen neu denken. Ohne internationale Partner und Förderungen wird es nicht mehr möglich sein, internationale Ausstellungen mit Leihgaben zu stemmen. Wir werden uns verstärkt auf die Präsentation unserer Sammlungen konzentrieren müssen.

Gäbe es keine reichen Förderer mehr, würde es Künstlerinnen und Künstlern schlechter gehen. Sie sind darauf angewiesen, dass ihre Werke gekauft werden. Es gibt sehr viele Kunstwerke, bei denen Preise in Millionenhöhe berechtigt sind. Es ist aber bedauerlich, dass Kunst aufgrund des extremen Hypes auf den Auktionsmärkten zunehmend zur Aktie degradiert wird. Dennoch gibt es viele Menschen, die Kunst aus Leidenschaft kaufen und großartige Sammlungen aufbauen.

Eine zentrale Aufgabe der Museen ist es, Kunst für eine breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es ist unsere Aufgabe, den Elfenbeinturm zu verlassen und die Kunst für alle zu öffnen – ganz abgesehen davon, wie viel sie kostet oder in Zukunft kosten wird."

Der Ökonom – Wilfried Altzinger:

"Entscheidend ist, wie Menschen überhaupt zu ihrem Reichtum gekommen sind. Dafür muss man in die Vergangenheit blicken. Erst dann kann ich fragen, ob wir Vermögende und Überreiche in Zukunft brauchen. Reichtum fällt ja nicht vom Himmel, sondern wurde über Generationen erwirtschaftet und mittels entsprechender Steuer- und Regulierungspolitik angehäuft. Ohne Erbe entsteht kaum Vermögen. Es braucht eine Ausgangsbasis.

Das Vermögen ist in Österreich also – vorsichtig ausgedrückt – nicht ausschließlich auf Eigeninitiative zurückzuführen. Ich will keinesfalls unterstellen, dass Reiche nicht arbeitseifrig wären, aber Eifer allein genügt nicht, um ein Vermögen von über einer Milliarde Euro anzuhäufen.

In Österreich besitzen die obersten zehn Prozent mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens, das vermögendste ein Prozent besitzt 23 Prozent. Das ist eine enorme Konzentration von Vermögen, verteilt auf eine kleine Elite. Damit sind enorm ungleiche Machtmöglichkeiten gegeben. Vermögen vermag insbesondere auf die politischen Entscheidungsträger Einfluss auszuüben. Daher müssen Verbindungen zwischen den Überreichen und der Politik viel transparenter werden. Es gibt Länder, in denen das bereits relativ gut funktioniert. In Schweden sind beispielsweise die Steuerakte jedes Bürgers öffentlich zugänglich.

"Nicht das Vermögen, sondern der Einfluss der Superreichen gehört begrenzt", sagt Ökonom Wilfried Altzinger.
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Der Einfluss ökonomisch Vermögender auf die Politik muss auch in Österreich stärker eingeschränkt und kontrolliert werden. Dabei sehe ich sowohl die Justiz als auch kritische Medien in der Pflicht. Die Chatprotokolle von Thomas Schmid haben vielen die Augen geöffnet. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist überbeschäftigt mit all ihren Prozessen, in denen es eben nicht um astreine Geschäfte geht.

Die vorliegenden Dokumente lassen darauf schließen, dass das Verhältnis zwischen politisch und ökonomisch Mächtigen sehr eng ist. Das soll keineswegs unterstellen, dass die Vermögen aller Reichen illegal geschaffen wurden. Trotzdem muss ihr politischer Einfluss begrenzt werden. Werden Missstände nicht ausreichend kontrolliert, bricht letztlich das demokratische System zusammen. Es braucht in Zukunft vor allem eine verstärkte Transparenz und bessere finanzielle Ausstattung der entsprechenden Kontrollinstanzen.

Gerechte Besteuerung und sinnvolle Ausgaben in Bildung, Soziales oder Forschung sind Kernaufgaben des Staates. Die Regierung ist durch die Wahl demokratisch legitimiert und rechenschaftspflichtig. Reiche sind das nicht. Mäzene spenden für das, was sie für richtig und gut empfinden. Ich habe nichts dagegen, wenn Reiche Kunst fördern und Museen eröffnen. Die Frage, woher das Geld kommt, stellt sich aber auch hier.

Interessant ist auch, in welchem Ausmaß Vermögende Steuern zahlen. Seit 1992 gibt es keine Vermögensabgabe mehr, seit 2008 keine Erbschaftssteuer. Kapitalertragssteuer sowie Körperschaftssteuer sind mit 27,5 beziehungsweise 21 Prozent wesentlich niedriger als die Besteuerung von Arbeitseinkommen mit Spitzenwerten bis zu 50 Prozent. Das ist mehr als ungerecht. Dort würde ich ansetzen, bevor ich mich der Frage zuwende, ob wir künftig Superreiche brauchen und wozu." (Julia Beirer, 17.2.2023)