
Die Aussage vom ehemaligen Wirecard-Chef Markus Braun wird nun für kommende Woche erwartet. Ursprünglich hätte er schon im Jänner aussagen sollen.
Man merkt, dass sich mit der für Donnerstag erwarteten Aussage von Markus Braun ein Highlight im Prozess rund um den Wirecard-Skandal abzeichnet. Auch Fernsehkameras sind wieder vor Ort. Der großen Erwartungshaltung sollte jedoch ein rascher Dämpfer folgen.
So ein Prozess ist sowohl legistisch als auch logistisch eine Monsteraufgabe. Das zeigt die Praxis seit dem ersten Verhandlungstag, denn auch grobe Zeitpläne werden laufend über den Haufen geworfen. Schnell zeichnet sich am Mittwoch ab, dass die Aussage von Markus Braun am folgenden Tag wackelt und erst höchstwahrscheinlich am Montag zu erwarten ist. Abgesehen von Details zu seiner Person hat sich der ehemalige Konzernvorstand bisher nicht geäußert.
Befragung von Bellenhaus
Auf dem Programm stand am Mittwoch die Befragung des Kronzeugen Oliver Bellenhaus. 90 Seiten lang ist der Fragenkatalog der Verteidigung. Zudem hat neben Brauns Verteidiger, Alfred Dierlamm, auch die Anwältin des Mitangeklagten Stephan von Erffa, Sabine Stettner, eine längere Erklärung für den Folgetag angekündigt. Eigenen Angaben der beiden Verteidiger zufolge dürften diese sogenannten 257er-Erklärungen (Anm. §257 StPO; Befragung des Angeklagten und Erklärungsrechte nach einer Beweiserhebung) mehrere Stunden dauern. Brauns Aussage rückt in die Ferne. Das Gericht nimmt es durchaus gelassen, Journalistinnen und Journalisten sind enttäuscht.
Der Befragung des einstigen Wirecard-Statthalters von Dubai und jetzigen Kronzeugen geht eine längere Diskussion über den Modus voran. Eines steht jedoch von Anfang an fest: Bellenhaus wird von seinem Schweigerecht Gebrauch machen.
Fragestunde
Dierlamms Fragestunde bildet ein breites Spektrum ab. Er verlangt Erklärungen zu Geschäftsdetails, fragt nach Namen, Kreditkartenabrechnungen und Beziehungen zu Unternehmen, zitiert Zeitungsberichte und will Hintergründe zu von Bellenhaus geschriebenen E-Mails wissen wie "Ruf die Ficker mal an. Wir brauchen die Kohle zurück. Schrei die zusammen, was auch immer". Bellenhaus lässt all das relativ regungslos über sich ergehen. Lediglich ein paar Fragen des Richters am Beginn des Verhandlungstages hat Bellenhaus beantwortet, dabei ging es um Rechnungen zu Datentransfers.
Im Stettner-Fragenblock ging es unter anderem um Bellenhaus' Arbeitsalltag, Dienstreisen, seine beruflichen Bekanntschaften, der Beziehung zum nach wie vor flüchtigen Jan Marsalek sowie Kontakten zu Geheimdiensten.
Verzögerungen bisher
Schon kurz nach Prozessbeginn waren Verhandlungstage ausgefallen, weil Richter Markus Födisch erkrankte. Brauns Verteidigung stellte einen Aussetzungsantrag, um Zeit zu gewinnen. Zudem kritisierte sie die Staatsanwaltschaft schwer, die Verteidigung nachträglich mit zehntausenden Seiten von Akten und Dokumenten zu überhäufen und den Anwälten andererseits wesentliche Unterlagen vorenthalten zu haben. Gravierende Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien sahen die Richter allerdings nicht, der Aussetzungsantrag wurde abgelehnt.
Nach dem Jahreswechsel setzte das Gericht abermals ein paar Verhandlungstage aus und gewährte der Verteidigung somit mehr Zeit, um sich mit den großen Datenmengen auseinanderzusetzen. All das bringt Markus Braun natürlich auch Vorbereitungszeit, um den Kronzeugenaussagen entgegenzutreten. Ob er, wie Bellenhaus zuvor, stundenlang seine Aussage vorlesen wird oder frei spricht, ist noch unklar. Als wahrscheinlicher gilt aber Letzteres.
Schwere Anschuldigungen
Bellenhaus hatte in seiner tagelangen Aussage und Befragung durch das Gericht Braun und den ebenfalls angeklagten früheren Buchhalter Stephan von Erffa schwer belastet. Der einstige Firmenchef wiederum hat über seine Anwälte eine Unschuldserklärung abgegeben und seinerseits Bellenhaus beschuldigt, hohe Millionensummen veruntreut zu haben. Von Erffa hat sich bislang weder persönlich noch über seine Anwälte geäußert. Zuletzt deutete sich jedoch an, dass er aussagen könnte.
Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Angeklagten Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue und Bandenbetrug vor. Der Zahlungsdienstleister Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, als bekannt wurde, dass in der Kasse 1,9 Milliarden Euro fehlten. Die Pleite ist einer der größten Finanzskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. (Andreas Danzer aus München, 8.2.2023)