Schauspielerin Elizabeth Debicki versicherte, dass Sterben und Tod der Lady Diana in der sechsten Staffel von "The Crown" mit Feingefühl gezeigt werden.

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Zahlreicher Scheinwerfer auf ausgefahrenen Hubarbeitsbühnen bringen das Innere der Katherale für die Netflix-Serie "The Crown" zum Erleuchten.

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Kurz vor vierzehn Uhr kommt Aufregung in die kleine Fotografengruppe an der Seitenwand der Kathedrale, als Limousinen mit verdunkelten Fensterscheiben in der gewölbten Durchfahrt zwischen Kirche und Dean Garnier Garden vorfahren. Eine Mitarbeiterin mit Headset und iPad am Schultergurt positioniert sich und ihren schwarzen Regenschirm zwischen vorderstem Auto und Kirche. Dann geht die hölzerne Seitentür auf – und die Fotografen springen vor.

In der Kathedrale von Winchester, einer pittoresken 50.000-Seelen-Stadt südwestlich von London, werden dieser Tage Szenen für die sechste Staffel The Crown gedreht. Im ersten Moment gibt es vor Ort zwar keinerlei Hinweise. Kein verräterisches Emblem auf einem der 15 weißen Sattelschlepper neben der Kirche. Kein Verweis auf den Aufstellern neben dem Haupteingang, die auf "laufende Dreharbeiten" und die kurzzeitige Schließung der Kirche hinweisen. Kein Kommentar von der Kathedrale oder der Produktionsfirma Left Bank Pictures. Und doch hat es sich inzwischen herumgesprochen, dass hier für die neuen Folgen wohl das Begräbnis von Lady Diana gefilmt wird.

Zwei Kathedralen

Schon mehrere Male hat die gotische Kirche mit Europas längstem Kirchenschiff der Serie als Kulisse gedient – und ist dabei gleich für zwei imposante Kathedralen eingestanden. In der dritten Staffel ist sie während der Begräbnisfeierlichkeiten des früheren Premierministers Winston Churchill zu sehen. In der vierten Staffel zur Hochzeit von Prinz Charles und Lady Diana Spencer. Beide Events fanden in der Londoner St Paul’s Cathedral statt. Für Staffel vier wurde das Begräbnis des ermordeten Lord Louis Mountbatten hier gefilmt, das real in Westminster Abbey abgehalten wurde – ebenso wie Dianas Begräbnis.

Sogar aus London sind daher Fotografen angereist, zücken an dem grauen Wintertag ihre Kameras und ergattern nun einen Blick auf Dominic West, der seit der fünften Staffel Prinz Charles darstellt, bevor er ins Auto steigt. Bereits ein paar Meter weiter verschwindet der Schauspieler im Education Centre, in dem an diesem Tag der Green Room untergebracht ist. Später werden die Fotografen noch Bertie Carvel und Lydia Leonard ablichten, die Sir Tony und Cherie Blair darstellen.

Blickkontakt mit Dominic West

Aber nicht nur Profifotografen wollen die Dreharbeiten festhalten: Kaum ein Passant greift beim Anblick der Scheinwerfer, die auf ausgefahrenen Hubarbeitsbühnen grelles Licht durch die Kirchenfenster strahlen, nicht zum Handy. Und während sie sich noch laut wundern, "was für ein teurer Film hier wohl gedreht wird", werden sie von anderen Schaulustigen aufgeklärt. Selbst wer die Serie nicht verfolgt, weiß an dem Tag Bescheid. "Ich habe gestern Dominic West aus der Kirche gehen sehen", sagt Barrista Leoni Parker, während sie im Food-Truck nahe der Hauptstraße Croissants in Papiersackerln packt. The Crown-Fan ist sie keiner. Aber: "Ein bisschen aufregend war es schon."

Der Brite Frances Marchant ist mit seiner Ehefrau an den schwarzen Zaun seitlich der Kathedrale gelehnt und versucht durch eine geöffnete Tür ins Innere zu spähen. Marchant ist aus dem eine Autostunde entfernten Reading zwar nicht extra für die Dreharbeiten angereist, aber er war doch gespannt, was er sehen würde. Im hell erleuchteten Kirchenschiff kann er nur Nebelschwaden ausmachen. "Wozu die sind, ist mir schleierhaft", sagt er. "Zu Dianas Begräbnis war ja schönstes Wetter." Vielleicht, mutmaßt er weiter, sollen die vielen Scheinwerfer Sonnenlicht suggerieren. Das Begräbnis fand am 6. September 1997 statt.

Umstrittener Dreh

In der sechsten und finalen Staffel, die 2023 kommen soll, dürfte der Tod der Prinzessin eine zentrale Rolle spielen. Vergangenen Oktober wurde in Paris wohl der fatale Unfall vom 31. August 1997 gefilmt. Cast und Crew wurden ein paar Hundert Meter neben dem Tatort im Alma- Tunnel gesichtet. Im November war Schauspielerin Elizabeth Debicki, die Prinzessin Diana mimt, vor dem Londoner Herrenhaus Dartmouth House zu sehen, das in der Serie für das Pariser Ritz einsteht. Sie trug einen grauen Blazer, wie ihn Diana am Tag ihres Unfalls anhatte.

Freunde von Lady Diana haben wiederholt Unmut an einer Darstellung des tödlichen Unfalls geäußert, Schauspielerin Debicki in Interviews unlängst jedoch versichert, dass die Thematik "mit Feingefühl" behandelt werde. Der Moment des Unfalls werde nicht gezeigt.

Das Bild, das in Erinnerung bleibt

Nicht zuletzt seit dem Tod von Königin Elizabeth ist die Serie vermehrt für ihre detaillierte Darstellung der englischen Königsfamilie in der Kritik. Nach jahrelanger Weigerung betont Netflix seit 2022 in einem Disclaimer immerhin die "fiktionalisierte Dramatisierung" der Produktion. Den Zaungästen in Winchester ist zwar bewusst, dass die Serie nicht die Realität abbildet. "Am Ende ist es aber doch das Hollywoodbild, das uns in Erinnerung bleibt", sagt der Brite Frances Marchant. "Wir glauben eben, was wir sehen." (Anna-Maria Bauer, 9.2.2023)