Hilfe für die verletzte und traumatisierte Bevölkerung, die von den Erdbeben in Syrien und der Türkei betroffen ist, steht derzeit im Vordergrund. Neben dem menschlichen Leid werden aber auch die Schäden an historisch und kulturell wichtigen Stätten immer offensichtlicher. Die für das Welterbe zuständige Unesco kondolierte den Familien der Opfer und kündigte zugleich an, den Wiederaufbau beschädigter Kulturerbestätten zu unterstützen.
Bis in die Steinzeit reichen Bauwerke in dieser Region zurück: Die rund 12.000 Jahre alte Fundstätte von Göbekli Tepe im Süden der Türkei bei Şanlıurfa zählt zu den ältesten monumentalen Steinbauwerken der Welt und ist archäologisch enorm bedeutsam. Ein erstes nebliges Video von der Fundstätte ist mit einem erleichterten Kommentar versehen, demzufolge es keine Schäden gab.
Ob dies auch im Detail zutrifft, muss erst noch evaluiert werden. Ob und wie stark außerdem die Riesenstatuen von Nemrut Dağ, die ebenfalls zum Welterbe zählen, beschädigt wurden, ist derzeit ebenfalls noch nicht klar.
Antike Festung beschädigt
Deutlich ist bereits der Schaden an der Burg von Gaziantep – eine der am besten erhaltenen antiken Steinburgen der Türkei. Die Stadt Gaziantep liegt nur 80 Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernt und ist mit mehr als zwei Millionen Einwohnern die sechstgrößte Stadt der Türkei. Die Festung zählt zu den ersten historischen Bauwerken, die infolge des Bebens fotografiert wurden, um die Schäden zu veranschaulichen.
Die rund angelegte Burg mit einem Umfang von mehr als einem Kilometer wurde im ersten und zweiten Jahrhundert unter römischer Herrschaft erbaut und während des byzantinischen Reiches erweitert. Doch schon vor rund 4000 Jahren, zur Zeit des Großreichs der Hethiter, diente die Stätte als militärischer Aussichtspunkt. Erst im vergangenen Jahr wurde ein Teil des Bauwerks, das auch während des Ersten Weltkriegs angegriffen wurde, als Museum eröffnet.
Nun durchziehen lange Risse den Bau, manche Mauern sind eingestürzt. Der Schaden muss erst noch evaluiert werden, was angesichts der Nachbeben schwierig ist, vor allem aber aufgrund der wichtigeren Versorgung der Menschen noch kaum geschehen ist.
Spuren des Kriegs
Besonders besorgt sind die Verantwortlichen der Unesco um die Altstadt von Aleppo in Syrien: "In der Zitadelle wurden beträchtliche Schäden festgestellt", heißt es. Ein Teil der mittelalterlichen Moschee, die zum Komplex gehört, ist zusammengebrochen, auch der "westliche Turm der alten Stadtmauer ist eingestürzt, und mehrere Gebäude in den Souks sind geschwächt."
Aleppo zählt weltweit zu den Städten, die am längsten kontinuierlich bewohnt waren und sind. Die Altstadt gehört zum Welterbe, wurde jedoch bereits vor dem verheerenden Erdbeben auf die Liste der gefährdeten Welterbestätten gesetzt. Der Krieg, der seit mehr als einem Jahrzehnt anhält, hinterließ markante Spuren. Die historischen Gebäude konnten bisher erst teilweise wiederhergestellt werden.
Die Zahl weiterer archäologischer Stätten und Bauten, die massiv beeinträchtigt sein könnten, ist in beiden Ländern mit ihrem reichen kulturellen Erbe lang – von der antiken Oasenstadt Palmyra bis hin zu zahlreichen bedeutsamen Moscheen. Doch mitunter hielten die jahrhundertealten Bauwerke, die immer wieder angegriffen oder von früheren Erschütterungen in dieser Erdbebenregion in Mitleidenschaft gezogen und anschließend restauriert wurden, dem Beben besser stand als moderne Gebäude. (Julia Sica, 9.2.2023)