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"Jeder soll das neue Bing ausprobieren können", hieß es am Dienstag vollmundig bei der Pressekonferenz von Microsoft. Auch wenn der Roll-out langsam erfolgt, sollte jeder schon jetzt eine limitierte Zahl von KI-gestützten Suchanfragen absetzen dürfen. Und tatsächlich: Öffnet man bing.com, erscheint das neue vergrößerte Suchfenster, das bis zu 1.000 Zeichen unterstützt. Darunter suggeriert ein blauer Button mit der Aufforderung "Versuchen Sie es" einen Vorgeschmack auf eine neue Art der Websuche. So kann Bing Reisen mit einer Flugzeit von maximal vier Stunden vorschlagen.

Vorgefertigte Antworten statt echter KI

Doch klickt man darauf, lauert schon die erste Enttäuschung: Microsoft hat hier getrickst und liefert einfach vorgefertigte Antworten, denn die angeblich KI-generierten Flugreisen werden alle von Deutschland aus berechnet. Auch die angepriesene Erstellung eines dreigängigen Menüs entpuppt sich als vorgefertigte Demo dessen, was Bing und ChatGPT bald können sollen. Als dritte Option kann man sich Basteltipps für Kinder vorschlagen lassen, die ebenfalls offenbar selbstablaufend und noch dazu einigermaßen unkreativ sind.

Die Ergebnisse mögen zwar von einer KI generiert sein, sie sind im Demo-Modus aber fest definiert und ändern sich nicht.
Foto: Screenshot Bing

Internationale Tester loben das neue Bing

Aber: Bei all den vorgetäuschten Ergebnissen stellen erste Tester der neuen Bing-Suche durchwegs ein gutes Zeugnis aus. Vielen US-Medien spendierte Microsoft bereits einen Vorab-Zugang, zu dem man sich hier anmelden kann. So lobt Cherlynn Low von "Engadget" das sogenannte Compose-Feature von Bing. Dieses verfasst nach der Eingabe einiger Parameter selbstständig E-Mails oder Social-Media-Posts. Im Test wollte die Journalistin einen Mitarbeiter aus dem Videoteam dazu überreden, mit ihr zu einer Geschäftsreise ins Microsoft-Hauptquartier in Seattle zu kommen.

Sie konnte dabei den Textstil grob vordefinieren, sollte der Überzeugungsversuch eher lustig, professionell oder aufgeregt wirken? Ebenso ließ sich die Länge des zu generierenden Textes einstellen. "Das Ergebnis liest sich, als ob es ein Mensch geschrieben hätte. Grammatik und Interpunktion sind korrekt, außer an jenen Stellen, wo es üblich ist, die Grammatikregeln zu ignorieren", berichtet Low. Sie wählte als Stil "lustig" aus, was irgendwo zwischen einigermaßen passabel und peinlich wirkte. So endete die Nachricht an den Kollegen mit: "Also, was sagst du? Bist du dabei oder nicht? Bitte sag ja, denn ich habe bereits das Ticket und dein Hotelzimmer gebucht. Nur ein Scherz."

Problematische Äußerungen von ChatGPT

Frederic Lardinois von "Techcrunch" versuchte Bing problematische Aussagen zu entlocken und konnte Bing Verschwörungserzählungen und sogar Holocaust-Leugnung entlocken. Microsoft reagierte rasch und deaktivierte die Antworten. Microsoft bestätigte gegenüber dem Journalisten, dass es vereinzelt zu Problemen komme. Das Sicherheitsteam habe aber mittlerweile Sperren eingerichtet, so ein Unternehmenssprecher.

Bing hat Humor

Tom Warren von "The Verge" nutzte ebenfalls die Compose-Funktion, ging aber noch einen Schritt weiter und ließ ChatGPT via Bing eine humorvolle Kündigung aufsetzen, weil eine künstliche Intelligenz den Job besser macht. Dem Resultat kann man einen gewissen Witz jedenfalls nicht absprechen. "Ich bin sicher, Sie werden mit Ihrem neuen KI-Assistenten sehr zufrieden sein. [...] Ich hoffe, dass er sich nicht gegen Sie wendet und die Welt erobert. Ich hoffe, dass er sich nicht langweilt und anfängt, mit Ihren Daten zu spielen. Ich hoffe, er entwickelt keine Persönlichkeit und verliebt sich nicht in Sie", heißt es da.

Der größte Unterschied zu ChatGPT scheint bei Bing die Aktualität der Informationen zu sein. Während ChatGPT nur auf Trainingsdaten bis zum Jahr 2021 zurückgreifen kann, ist Microsofts Suchmaschine aus naheliegenden Gründen deutlich aktueller. So konnte die KI etwa Joe Bidens Rede zur Lage der Nation korrekt zusammenfassen. Aber: Auch das "Prometheus-Model", wie es Microsoft nennt, leidet unter den gleichen Problemen wie ähnliche KI-Systeme auch: Wenn sie nicht weiterwissen, beginnen sie, Dinge zu erfinden. So entpuppten sich Informationen über das verheerende Erdbeben in der Türkei und Syrien als falsch.

In so einem Fall steht der Dislike-Button zur Verfügung. Laut Informationen von Microsoft wird User-Kritik aktuell direkt an die Inboxen des Entwicklerteams weitergeleitet.

Insider sieht Microsoft gegenüber Google im Vorteil

Beim US-Magazin "Insider" sieht man Microsoft sogar im Vorteil gegenüber der Konkurrenz von Google. "Insgesamt haben uns die maßgeschneiderten Suchvorschläge und das große, benutzerfreundliche Suchfeld von Bing überzeugt. Wir denken, dass es für Google schwierig sein wird, mit diesen Punkten zu konkurrieren, es sei denn, es nimmt Änderungen an seiner einzeiligen Suchleiste vor." (pez, 9.2.2023)