Der Gummidruck, eine Edeldrucktechnik, erweiterte die fotografischen Möglichkeiten: Franz Kaisers Aufnahme zweier Mädchen (1910) besticht durch ihre Farbigkeit.

Foto: Albertina Wien

Es waren Großbürger und Adelige, die sich in dem mondänen Club trafen. Zentrales Gesprächsthema in dem 1887 gegründeten "Camera-Club" in der Elisabethstraße (später auf der Seilerstätte) war allerdings weniger das Treiben der Wiener Gesellschaft als die Errungenschaften der Fotografie. Um sich ihr zu widmen, bedurfte es zu dieser Zeit sowohl erheblicher finanzieller Mittel als auch eines weiten Horizonts.

Als einer der reichsten Männer der Monarchie verfügte Nathaniel von Rothschild über beides. Inspiriert von englischen Pionieren, propagierten er und seine reichen Mitstreiter die "Fotografie als Kunst". Rothschild reiste nach Algerien und fotografierte in Kasbahs und Palmenhainen, den Bauingenieur Robert von Stockert verschlug es dagegen in den eigenen Garten, wo er plastische Blumenstillleben ablichtete. Den Bildern dieser Fotografieamateure war eines gemeinsam: Sie kombinierten äußerste Detailgenauigkeit mit dem Ideal einer leichten Unschärfe.

Gleichstellung von Fotografie und Kunst

Letzteres unterstrich die Gleichstellung von Fotografie und Kunst, dem erklärten Ziel des sogenannten Piktorialismus, also der Kunstfotografie um 1900. Ihr widmet die Albertina modern eine hochspannende, von Fotospezialistin Astrid Mahler kuratierte Ausstellung. In deren Mittelpunkt stehen die herausragenden heimischen Vertreter jener Bewegung, deren Bedeutung in der Geschichte der Fotografie oftmals unterbelichtet ist.

Größere Bekanntheit erlangte zumindest das sogenannte Kleeblatt oder Trifolium, ein aus Hugo Henneberg, Heinrich Kühn und Hans Watzek bestehendes Freundestrio, das sich erstmals im Camera-Club traf. Der Gummidruck ermöglichte es ihnen, ihre Landschafts- oder Porträtaufnahmen während des Drucks zu manipulieren und die Farbkraft der teilweise ineinandermontierten Bilder zu erhöhen. Kein Abzug gleicht bei dieser Technik einem anderen, die Fotografien waren also wie Gemälde Unikate. Als die drei Freunde ihre Arbeiten 1902 in der Wiener Secession präsentieren durften, glich das einem Ritterschlag.

Unterstützung von Alfred Stieglitz

Als ein Jahr darauf Watzek stirbt und Henneberg das Fotografieren aufgibt, füllt Alfred Stieglitz das Vakuum. Er ist der einflussreichste Vertreter des amerikanischen Piktorialismus und verhilft Kühn zu internationaler Bekanntheit. Dieser experimentiert nun mit Mischtechniken und glänzt bald – trotz überschaubarer Themen – mit einer großen formalen Bandbreite.

Die radikale Ästhetik Kühns färbt auch auf die gewerbliche Porträtfotografie ab, wie man insbesondere an den Arbeiten der Schülerinnen und Schüler der Wiener Graphischen sehen kann. Ob die Bewegungsstudien eines Rudolf Koppitz oder die Schiele-Porträts eines Anton Josef Trčka: Hier erreicht der Piktorialismus nach seinem Ende noch einmal einen Höhepunkt. (Stephan Hilpold, 10.2.2023)