Wie wahrscheinlich ist eine postapokalyptische Welt voller Pilzzombies? Ein Faktencheck.
Illustration: Fatih Aydogdu

Zwei Epidemiologen werden im Fernsehen interviewt, 1968. Einer spricht über Grippepandemien, der andere fürchtet: Pilze. Das Publikum lacht und denkt wohl an Fliegenpilze, Fußpilz oder Magic Mushrooms. Doch je länger der Fachmann spricht, desto düsterer wird die Stimmung. Zombiepilze, die Ameisen befallen und steuern, könnten auch Menschen in den Zusammenbruch der Zivilisation lenken. Wenn sich etwa das Klima erwärmt und sie sich an unsere Körpertemperatur anpassen. Heilmittel? Gibt es nicht.

Mit dieser fiktiven Szene beginnt die US-Serie "The Last of Us". Sie hat nicht nur für Menschen, die sich beruflich mit Pilzen beschäftigen, "seit einiger Zeit Wellen geschlagen", sagt Martin Hoenigl von der Med-Uni Graz. Er ist Präsident der europäischen mykologischen Gesellschaft ECMM. In der Serie folgt bald die Apokalypse, der Pilz macht betroffene Personen zu neuen bissigen Vehikeln.

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Manipulation durch Ophiocordyceps unilateralis

Inspiriert ist die Geschichte, die zuvor als hochgelobtes Videospiel erzählt wurde, von der realen parasitären Pilzgattung Cordyceps. Diese kann Insekten und Spinnentiere befallen, Ameisen beispielsweise, wie schon David Attenboroughs BBC-Dokumentation zum Thema beschrieb.

Eine eindrucksvolle Fliege, die vom "Zombiepilz" befallen ist, findet sich auch in dieser Fotogalerie.
BBC Studios

Der Pilz – mit vollem Namen Ophiocordyceps unilateralis – durchwuchert ihren Körper bis ins Gehirn und dirigiert die Ameise an einen günstigen Ort. Sie klettert etwa einen hohen Baumstamm empor, verbeißt sich in der Rinde und stirbt. Genau genommen ist das infizierte Insekt also so willenlos wie ein Zombie, aber erst nach der mentalen Manipulation so tot wie ein solcher. Danach platzen die Schwammerln – oder Fruchtkörper – aus dem Chitinpanzer. Die Sporen, mit denen sich der Pilz fortpflanzt, können vom Baum aus großflächig verteilt werden.

Zu warm für Pilze?

Das Gute daran: So wird die Größe der Ameisenpopulation natürlich reguliert – gut für das Ökosystem, schlecht für das Individuum. Für uns gilt die gute Nachricht: Menschen betrifft das nicht, nur wirbellose Tiere werden befallen. Um unser völlig anders aufgebautes Immunsystem zu überlisten, wären massive Weiterentwicklungen nötig, sagt Hoenigl. Die Pilze haben sich jeweils im Laufe von Jahrmillionen exakt auf ihre Wirtsspezies eingespielt. Das Schreckensszenario aus Serie und Spiel ist also "aus derzeitiger Sicht definitiv in der Fiktion verankert".

Insbesondere als Warmblüter haben wir von Cordyceps nichts zu befürchten. Die meisten Pilze vertragen keine Temperaturen über 37 Grad Celsius, wie sie im menschlichen Körper vorherrschen – ein Grund, weshalb sich viele Arten, die den Menschen betreffen, bevorzugt an der Barriere nach außen, der Haut, verbreiten.

Einfluss auf menschliche Evolution

Indirekt könnten Pilze sogar an der Erfolgsgeschichte der Säugetiere und damit auch der Menschen mitgeschrieben haben, merkt Hoenigl an. Immerhin sorgten sie in der Vergangenheit dafür, dass gewisse Reptilienarten ausstarben, selbst heute sind etwa verschiedene Froschspezies von Pilzinfektionen bedroht. "Da solche Ausbrüche in erster Linie Kaltblüter betreffen, können sie Säugetieren einen Überlebensvorteil verschafft haben", sagt der Pilzexperte.

Obwohl mit rund 300 Pilzarten lediglich ein kleiner Bruchteil der Millionen Fungi-Spezies Menschen infiziert, stellt dieser Teil die Medizin vor große Herausforderungen – ganz abgesehen von Schwammerln, mit denen wir uns vergiften. Trotz der evolutionär fernen Verwandtschaft sind "Pilze uns eigentlich sehr ähnlich", sagt Hönigl – vor allem im Vergleich zu Bakterien und Viren, die etwa keine Zellkerne besitzen. Deshalb greifen Therapien gegen Pilze mitunter menschliche Zellen an und sorgen so für Nebenwirkungen.

Verbreitung durch Wind

Generell gibt es derzeit nur drei Kategorien an Medikamenten, die Pilzinfektionen bekämpfen, betont der Professor für Mykologie. Durch die Nutzung von Fungiziden in der Landwirtschaft entwickeln sich zudem Resistenzen, die die Behandlung noch stärker eingrenzen.

Auch die globale Erwärmung, die in der Serie als Grund für die Anpassung der Zombiepilze an den Menschen angedeutet wird, spielt eine Rolle. "Es gibt Pilzspezies, die sich durch den Klimawandel an höhere Temperaturen gewöhnen und so als neue Pathogene für den Menschen auftauchen können." Insbesondere Studien über Pflanzenbefall zeigen, dass erhöhte Temperaturen mit größeren Schäden durch Pilzerreger einhergehen. Erst kürzlich wurde eine Studie zu einem Pilz der Cryptococcus-Familie, der Menschen betrifft, veröffentlicht: Sie weist darauf hin, dass Hitzestress bei diesem Pilz seine Anpassungsfähigkeit erhöhen könnte.

Hinzu kommen vermehrte Naturkatastrophen, die Ausbrüche von Pilzinfektionen befeuern. Wirbelstürme, Erdbeben, Tsunamis und Waldbrände liefern ein gutes Substrat für die Krankheiten. Als Hoenigl im kalifornischen San Diego arbeitete, gab es zu Waldbrandzeiten wesentlich öfter Pilzinfektionen: "Wenn Pilze verbrennen, kommt es vermehrt zur Freisetzung von Sporen, die im Rauch über weite Strecken getragen werden können." So landeten sie selbst bei Bränden im Inland durch den Wind in Küstenstädten.

Schwarzer Pilz bei Corona

Prinzipiell sind es vorrangig Menschen mit geschwächtem Immunsystem, die anfällig für Pilzerkrankungen sind. Ein Beispiel dafür ist der "Black Fungus", der im Zuge der Covid-19-Pandemie nicht nur in Indien für zahlreiche Fälle sorgte: Covidpatientinnen und -patienten erkrankten in der Folge zusätzlich an Mukormykose, die mitunter für Entstellungen von Nase und Augen sorgt und das Gehirn angreifen kann.

Doch manche eingeatmeten Sporen schlummern selbst in gesunden Körpern und werden problematisch, sobald Betroffene Chemotherapie brauchen beziehungsweise durch Krankheit oder Unfälle auf der Intensivstation landen. Zudem ist es möglich, dass endemische Pilze – solche, die nur in bestimmten Regionen auftreten – Gesunde krank machen.

Enorme Dunkelziffer

Das zeigt die Krankheit Histoplasmose, die vorrangig die Kontinente Amerika und Afrika betrifft, aber durch die Klimaerwärmung wohl nach Südeuropa vorgerückt ist. Der Erreger kommt in Fledermaushöhlen vor, außerdem in alten Bäumen und Häusern – und wenn diese abgerissen werden, verbreiten sich die Sporen teils im Umkreis mehrerer Kilometer.

Auch die Dunkelziffer ist sehr hoch, betont der Experte: "Etwa 50 bis 60 Prozent der Pilzinfektionen auf Intensivstationen werden klinisch nicht erkannt und erst bei Obduktionen nachgewiesen." Diagnosen sind schwieriger als bei Viren und Bakterien, PCR-Tests funktionieren beispielsweise nicht so gut, weil Pilze in wesentlich geringerer Zahl Infektionen verursachen können.

Schutzempfehlungen

Da sie selten im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, werden Pilzinfektionen als "stille Krise" bezeichnet. Sie dürften für 1,7 Millionen Todesfälle pro Jahr sorgen und als Problem deutlich anwachsen, weshalb die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2022 erstmals eine Liste mit den 19 wichtigsten Pilzerregern veröffentlichte – durchaus spät. (Vier der relevanten Gruppen werden unter dem Artikel kurz beschrieben.)

Wer sich schützen will, dem empfiehlt Hoenigl für endemische Pilzinfektionen das Vermeiden von Risikogebieten – zum Beispiel den Besuch von Fledermaushöhlen in Nord- und Südamerika. Bei angeschlagenem Immunsystem sollte man wenn möglich einen Sicherheitsabstand zu Komposthaufen einhalten. Generell ist es ratsam, auf schimmelfreien Wohnraum zu achten und auf gute Gesundheit. Immerhin sind wir stets von Bakterien und Pilzen besiedelt – wenn sich diverse Arten im gesunden Gleichgewicht befinden und keine Spezies Überhand nimmt, ist das ein gutes Zeichen.

Hoffnung – und Keanu Reeves

Dank Forschung gibt es auch gute Neuigkeiten: "Momentan sieht es erstmals seit langem so aus, als würden in ein paar Jahren neue Klassen an Pilzmitteln dazukommen, die in fortgeschrittenen Phasen klinischer Studien sind. Da könnte sich etwas ändern."

Neue Hoffnungsträger tauchen auf – einer trägt sogar den Namen des Schauspielers Keanu Reeves: Kürzlich wurden "Keanumycine" entdeckt, die von Bakterien produziert werden und gegen Pilze wirken. Das Forschungsteam vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena ließ sich offenbar vom Film-Serienkiller John Wick und anderen Rollen inspirieren.

Fakten und Fiktion

Diesen umweltfreundlichen Wirkstoff stellen Vertreter der Gattung Pseudomonas her. Er hemmt wohl nicht nur den Pilz Candida albicans, der Menschen infiziert, sondern bekämpft mitunter pflanzlichen Pilzbefall, wie die Fachleute an Hortensienblättern mit Schimmelpilz nachwiesen. Die Keanu-Reeves-Moleküle sind schon in geringen Konzentrationen wirksam und könnten einen umweltfreundlichen Ersatz chemischer Pflanzenschutzmittel darstellen.

Doch zurück zum umgekehrten Fall – der Wissenschaft, die Medien inspiriert. Wie sieht ein Experte Science-Fiction-Erzählungen wie "The Last of Us"? "Überwiegend positiv", sagt Martin Hoenigl. Immerhin werde weltweit Aufmerksamkeit für den Fachbereich und die zunehmende Bedrohung durch Pilzinfektionen geschaffen. "Aber es ist auch wichtig zu erzählen, wie es in Wirklichkeit ausschaut und was Fiktion ist." (Julia Sica, 12.2.2023)