Ein Rettungsteam aus El Salvador auf dem Weg in die Türkei.

Foto: Reuters/Handout

Auch wenn die internationale Hilfsbereitschaft groß ist: Erdbeben verursachen oft derart gravierende Schäden, dass die betroffenen Gebiete auch von den Hilfskräften nur schwer zu erreichen sind. Im Falle des jüngsten Bebens in der Türkei und in Nordsyrien ist das nicht anders.

Die meisten Organisationen starten derzeit von Adana, der Millionenstadt am westlichen Rand der Katastrophenzone, die noch einigermaßen intakt ist und deren Flughafen funktioniert. Von dort kommt man aber oft nur schwer weiter. "Brücken und andere Bauten sind oft nicht freigegeben", sagt Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen dem STANDARD. "Und auch bei denen, die offen sind, weiß man nicht sicher, ob sie tragfähig sind."

Lokale Bevölkerung in Bewegung

Die wenigen Flaschenhälse werden besonders deshalb spürbar, weil derzeit sehr viele Rettungsteams in das betroffene Gebiet kommen und nicht nur Personal, sondern auch Material heranschaffen müssen. Dazu kommt laut Bachmann die lokale Bevölkerung, die ebenfalls in Bewegung ist: "Allein in der Türkei wurden mindestens 150.000 Menschen – Stand Mittwoch – obdachlos und suchen jetzt woanders Zuflucht."

Auf einer Strecke, die sie sonst in zwei Stunden bewältigten, seien sie neun Stunden unterwegs gewesen, berichten zwei Mitarbeiterinnen von Ärzte ohne Grenzen. Ein Kollege der Hilfsorganisation Care, der zuletzt in einer Notunterkunft der Universität im türkischen Gaziantep war, hatte Schwierigkeiten, überhaupt die Stadt zu verlassen.

Einziger Grenzübergang

Im Fokus steht derzeit der Grenzübergang Bab al-Hawa zwischen der Türkei und dem Nordwesten Syriens. "Er ist als einziger offen für humanitäre Hilfe", sagt Marcus Bachmann. Die "Nabelschnur in ein Krisengebiet, wo Millionen Menschen unter prekären Bedingungen leben und kaum medizinisch versorgt werden können", müsse unbedingt offengehalten werden.

Ärzte ohne Grenzen sei allerdings schon vor dem Beben mit etwa 300 Hilfskräften in Nordwestsyrien vertreten gewesen, sagt Bachmann – auch mit Material zur Behandlung von Verletzungen, wie sie nach Erdbeben typisch sind. In einer zweiten Welle könnten weitere Kräfte aus der Region dazugeholt werden. Für eine dritte Welle stehe ein Pool aus internationalen Spezialistinnen und Spezialisten bereit – darunter etwa zwei Dutzend aus Österreich. (Gerald Schubert, 9.2.2023)