Bundeskanzler Nehammer zeigte sich zufrieden: "Wir haben eine klare Sprache, dass die EU-Außengrenzländer unterstützt werden."

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Brüssel – Die Europäische Union hat sich Freitagfrüh nach stundenlangen Diskussionen auf eine Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik verständigt. Die Abschlusserklärung beim EU-Gipfel zielt darauf ab, illegale Einreisen schon im Vorhinein zu verhindern beziehungsweise unattraktiver zu machen. Dies soll unter anderem durch einen verstärkten Kampf gegen Menschenschmuggler, mehr Grenzschutz und schnellere Abschiebungen geschehen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) äußerte sich zufrieden.

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DER STANDARD

Die von Ländern wie Österreich und Griechenland geforderte EU-Finanzierung von Zäunen entlang der EU-Außengrenzen wird in der Abschlusserklärung nicht explizit genannt. In dem Dokument heißt es lediglich, dass EU-Mittel für "Infrastruktur" an den Grenzen mobilisiert werden sollten. Zudem sollen an den Außengrenzen zwei Pilotprojekte gestartet werden. Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sehe eines der Projekte vor, die Grenze zwischen dem EU-Land Bulgarien und der Türkei mit Fahrzeugen, Kameras, Straßen und Wachtürmen zu sichern.

Während der Beratungen.
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Diese sollten aus EU-Mitteln, dem bulgarischen Haushalt und Beiträgen der EU-Staaten finanziert werden. Von der Leyen dürfte ihre ablehnende Meinung – ähnlich jener großer Teile der Kommission – womöglich auch in Erwägung einer möglichen zweiten Amtszeit nach den Europawahlen 2024 aufgeweicht haben, glauben einige Kommentatoren.

Das zweite Pilotprojekt, an einem noch nicht näher festgelegten Ort soll die schnellere Registrierung von Migrantinnen und Migranten, schnellere Asylverfahren sowie die effektivere Rückführung von Personen ermöglichen. Dadurch, dass abgelehnte Asylanträge auch in allen anderen Mitgliedsstaaten anerkannt werden, sollen Rückführungen erhöht werden, was vor allem auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni als Schritt in die richtige Richtung wertet.

Verstärkung von Grenzzaun zur Türkei

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte nach Ende des EU-Sondergipfels: "Wir haben eine klare Sprache, dass die EU-Außengrenzländer unterstützt werden." Die EU schalte einen Gang höher im Kampf gegen Illegale Migration. Alle EU-Außengrenzländer stünden im Fokus der EU-Kommission. "In dieser Klarheit hat es das noch bei keinem Rat gegeben", dies sei "ein wichtiges Signal", so der Kanzler. Es sei ein "Erfolg des Bohrens harter Bretter", dass sogar Luxemburg bereit gewesen sei zuzustimmen. Luxemburgs Premier Xavier Bettel hatte sich zuvor gegen EU-finanzierte Grenzzäune ausgesprochen. Auch Expertinnen und Experten bezweifeln deren Wirksamkeit immer wieder.

Zur Finanzierung verwies Nehammer auf das bevorstehende Review des EU-Budgets. Es sei vereinbart worden, dass knapp drei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, um diese Projekte in Umsetzung zu bringen. Nach einer Evaluierung soll überlegt werden, wo weitere Geldmittel lukriert oder umgeschichtet werden. Für Bulgarien bedeute das Gipfelergebnis, dass es Zusagen erhalte, wodurch nationale Budgetmittel frei würden, die Bulgarien dann wieder in die Verstärkung des Grenzzauns zur Türkei einsetzen könne. Dies sei ein guter Kompromiss.

Welche konkreten Auswirkungen die Einigung auf das österreichische Veto gegen die Schengen-Erweiterung hat, war zunächst unklar. Nehammer hatte stets betont, der Außengrenzschutz sei prioritär zu lösen, bevor man über Schengen sprechen könne.

Asylanträge gestiegen

Einig sind sich die EU-Staaten darin, dass mehr Druck auf Länder gemacht werden sollte, die bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber nicht kooperieren. Dies soll dazu führen, dass mehr Menschen ohne Bleiberecht die EU verlassen und so die teils stark überlasteten Asylsysteme entlastet werden. Druck wollen die EU-Staaten etwa über eine verschärfte Visa-Politik, die Handelspolitik und die Entwicklungshilfe machen, zugleich sollen aber auch Möglichkeiten für legale Migration geschaffen werden.

Die Zahl der Asylanträge ist 2022 im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent auf 924.000 gestiegen. Hinzu kamen rund vier Millionen Geflüchtete aus der Ukraine, die in der EU nicht Asyl beantragen müssen. (APA, red, 10.2.2023)