Gustav Klimts "Wasserschlangen II" (1904/07) geben bis 29. Mai ein temporäres Gastspiel in Wien.

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Da schweben sie, die "Wasserweiber" mit ihren verführerisch "gesenkten Lidern" und von der Strömung "gebauschten Mähnen", in deren "Locken sich funkelnde Schmucktierchen" verirren. Seite an Seite mit einer "scharlachroten, goldbesternten, mit bunten Schuppen mosaizierten Seeschlange" und von einem Schwarm "flacher Schollenfischchen" begleitet: Seit vergangener Woche kann man Gustav Klimts Gemälde Wasserschlangen II, das Ludwig Hevesi 1904 anlässlich der Erstpräsentation in der Secession 1904 in noch unfertigem Zustand mit blumigen Worten beschrieb, im Unteren Belvedere bewundern. Dank eines Verhandlungscoups der Direktorin Stella Rollig.

Versicherungswert überstieg Obergrenze

Denn die Chancen, das zuvor in der Amsterdamer Schau gezeigte Werk auch im Rahmen der Ausstellung Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse... (bis 29. Mai) in Österreich zu präsentieren, standen im Herbst noch merklich schlecht. Wie berichtet, überstieg der Versicherungswert des Bildes mit 300 Millionen Dollar die gesetzlich festgelegte Obergrenze der Staatshaftung von 120 Millionen Euro. Das Museum hätte folglich eine separate Versicherung abschließen müssen, wofür eine Prämie von etwa 250.000 Euro angefallen wäre. Ein Kostenfaktor, den das Museum nicht stemmen konnte.

Der mit der Leihgeberin, der auf den Virgin Islands registrierten "Home Art HK Ltd" mit Sitz in Hongkong, vereinbarte Deal: Gegen deren Übernahme der Mehrkosten steuerte das Belvedere eine detaillierte technologische Untersuchung des Gemäldes sowie eine partiell notwendige Restaurierung lockerer Malschichten bei. Eine Win-win-Situation quasi.

Welt der Gier

Oder auch eine simple Kosten-Nutzen-Kalkulation der Leihgeberin, wissend, dass der Wert solcher Assets mit jeder Ausstellung in einem Museum steigt. Bis zur nächsten Stippvisite in der Öffentlichkeit verschwinden diese Investorentrophäen in irgendeinem Zollfreilager und tauchen in das weltweit verzweigte System von Freihäfen ab: dorthin, wo für Transaktionen keinerlei Steuern anfallen und zeitgleich laufend Provisionen in Millionenhöhe fließen.

Willkommen in einer Welt der Gier, die Klimts Wasserschlangen II wie kein anderes Werk österreichischer Herkunft repräsentieren. Diese Zäsuren in seiner spezifischen Vita erstrecken sich über acht Dekaden, beginnend mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und deren Enteignungsorgien, denen auch die Sammlung der Unternehmerin Jenny Steiner mit mehreren Gemälden Klimts und auch Egon Schiele zum Opfer fiel.

Sammelleidenschaft

Steiner war mit ihrer Familie längst ins Ausland geflohen, als die Wasserschlangen II im März 1940 im Dorotheum zur Versteigerung kamen. Die Gunst der Stunde wusste Gustav Ucicky als Käufer zu nutzen: ein vom Regime geschätzter Filmregisseur, der außerdem ein unehelicher Sohn Klimts gewesen sein soll. Klimt selbst hatte sich nie zu dieser Vaterschaft bekannt. Ein anthropologisches Gutachten aus den 1930er-Jahren bescheinigte Ucicky immerhin die gleiche Rippenanomalie und ersetzte zeitgleich den "Ariernachweis".

Als erwiesen gilt rückblickend jedoch Ucickys Sammelleidenschaft für Werke Klimts, die er "mit unermüdlicher Zähigkeit" im Laufe der Jahre erwarb, "neun Ölgemälde und 18" Zeichnungen insgesamt, wie seine spätere Witwe Ursula Ucicky in einem 1957 publizierten Artikel schrieb. Die NS-Zeit erwies sich dabei als überaus hilfreich. Bei sieben der genannten neun Gemälde sowie fünf Zeichnungen handelte es sich um Raubkunst, die später restituiert werden sollte oder zuletzt Gegenstand eines Restitutionsvergleiches wurde.

So auch die Wasserschlangen II. Ab den späten 1990er-Jahren soll Ucickys Witwe von Auktionshäusern und anderen Akteuren kontaktiert worden sein, die ein großes Geschäft witterten. Denn von einer Einigung mit den Erben nach Steiner konnten alle Beteiligten profitieren: über einen Verkauf und die anschließende Teilung des Erlöses und satte Provisionen für die involvierten Vermittler.

Lukrative Einigung

So kam es dann auch 2013: eingefädelt von einem langjährigen Bekannten Ursula Ucickys, Peter Weinhäupl, damals (bis Mitte 2015) kaufmännischer Direktor des Leopold-Museums (LM), an seiner Seite Anwalt Andreas Nödl, Mitglied des Stiftungsvorstandes der LM-Privatstiftung (bis Mitte 2015). Über einen von Sotheby’s gemakelten Private Sale wechselte das Gemälde für rund 120 Millionen Dollar den Besitzer. Abzüglich der Prämie des Auktionshauses und Provisionen für Vermittler blieben 112 Millionen Dollar, die 50:50 an die Erben nach Steiner und Ucicky ausbezahlt wurden. Die Witwe des Regisseurs gründete mit ihrem Anteil im September des gleichen Jahres die Klimt-Foundation, für die sie Weinhäupl zum Stiftungsvorstand auf Lebenszeit berief.

Hinter den Kulissen kam zeitnah ein Disput unter den Steiner-Erben um deren Hälfteanteil von 56 Millionen Dollar auf. Involviert war auch die Israelitische Kultusgemeinde, die bis dahin zwei der drei Erbengruppen vertreten hatte, jedoch in diesem Fall nur eine unterstützte. Jene, die zwölf Monate und ein Schiedsverfahren später als Siegerin hervorging. Die anderen Nachfahren erhielten am Ende keinen einzigen Cent.

Undurchsichtige Deals

Was zu diesem Zeitpunkt niemand wusste und nachhaltig für Verstimmung unter Beteiligten sorgte, die sich um Millionen geprellt fühlten. Der Käufer der Wasserschlangen II war "Mr. Freeport" Yves Bouvier, der das Bild noch am gleichen Tag in einem Zollfreilager mit enormem Aufschlag für etwas mehr als 183 Millionen Dollar an einen gewissen Dmitri Rybolowlew abtrat.

Dieser Deal kam erst Anfang 2016 an die Öffentlichkeit, als der russische Milliardär den Genfer Geschäftsmann Bouvier verklagte, da dieser zusätzlich zu vereinbarten Provisionen noch horrende Aufschläge verrechnet haben soll. Auch für das mittlerweile teuerste Kunstwerk der Welt, Leonardo da Vincis Salvator Mundi, das Rybolowlew später bei Christie’s versteigern ließ.

Details zur Motivation des Russen, hunderte Millionen Dollar in Kunst zu investieren, wurden über den Dokumentarfilm The Lost Leonardo (2021) des dänischen Regisseurs Andreas Koefoed bekannt. Demnach sah sich Rybolowlew, der schon damals zwischen Monaco (Eigner des AS Monaco), New York und der Schweiz pendelte, ab 2008 aus unterschiedlichen Gründen (u. a. Scheidung) veranlasst, Geld aus Russland abzuziehen, genauer auch in mobile Vermögenswerte umzuwandeln. Bouvier half ihm dabei, und das Investment lohnte. Klimts Wasserschlangen II wurden nach 2015 für kolportierte 200 Millionen neuerlich verkauft. Es wird nicht der letzte Deal mit diesem Bild in einem Zollfreilager gewesen sein. (Olga Kronsteiner, 11.2.2023)