Elon Musk feuerte einen Entwickler, nachdem dieser Zahlen über die nachlassende Popularität des Milliardärs auf Twitter vorgelegt hatte.

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Schauplatz: die Twitter-Zentrale in San Francisco, es ist Dienstag. Elon Musk hat zum Meeting mit seinen Beratern und den verbliebenen Entwicklern gerufen. Der Chef ist aufgebracht. "Das ist lächerlich", sagte er laut mehreren Quellen, wie "The Verge" berichtet. "Ich habe mehr als 100 Millionen Follower und erhalte nur zehntausende Impressionen."

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DER STANDARD

Einer der verbliebenen Entwickler lieferte seinem Chef eine mögliche Erklärung für Musks sinkende Reichweite: Das öffentliche Interesse an seinen exzentrischen Launen hat nachgelassen. Vor knapp einem Jahr, als der Tesla-CEO überraschend bekanntgab, Twitter um 44 Milliarden Dollar zu kaufen, war Musk an der Spitze seiner Popularität auf dem Kurznachrichtendienst.

Ausgehend davon stellte der Entwickler diesen Zeitpunkt mit einem Wert von 100 dar. Heute liegt Musks Popularität dazu im Vergleich bei neun. Der Twitter-CEO hat also 91 Prozent seiner Reichweite auf seiner eigenen Plattform eingebüßt.

Die Ingenieure hatten zuvor untersucht, ob Musks Reichweite irgendwie künstlich eingeschränkt worden war, fanden aber keine Beweise dafür, dass der Algorithmus ihm gegenüber voreingenommen wäre. Musk hatte also die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschuldigt, einen Shadow-Ban über ihn verhängt zu haben.

Nachhilfe im Prozentrechnen

Musk nahm auch die Nachhilfestunde in einfacher Prozentrechnung gar nicht gut auf. "Du bist gefeuert, du bist gefeuert", sagte der ehemals reichste Mensch der Welt zu dem Entwickler. Den Namen des Betroffenen hält "Platformer" geheim, weil Ex-Mitarbeitende immer wieder Schikanen durch Musk ausgesetzt waren. Den nun verbliebenen Entwicklerinnen und Entwicklern befahl Musk zu verfolgen, wie oft jeder seiner Tweets empfohlen wird.

Eigentlich wollte Musk beweisen, wie lebendig der Kurznachrichtendienst nach seiner Übernahme geworden ist. Zu diesem Zweck wurde der View-Count eingeführt. Die Zahl unterhalb der Tweets gibt Aufschluss darüber, wie oft die Nachricht gesehen wurde.

Die Idee vom View-Count geht nach hinten los

Dies hatte jedoch bislang den gegenteiligen Effekt und verdeutlichte, wie wenig Engagement die meisten Beiträge im Verhältnis zur Größe des Publikums haben. Darüber hinaus ging die Twitter-Nutzung laut einer US-Studie seit Musks Übernahme um neun Prozent zurück.

Dabei könnte der View-Count selbst zum Rückgang des Engagements und damit der Aufrufe beitragen. Die "Gefällt mir"- und "Retweeten"-Schaltflächen wurden verkleinert, um die Anzeige der Aufrufe zu ermöglichen, sodass sie nicht mehr so leicht angetippt werden können.

Massive Ausfälle am Mittwoch

Wenig zur Nutzerbindung dürften auch die häufiger auftretenden Glitches und Bugs beitragen, die aktuell immer häufiger auftreten. Am Mittwoch quittierten einige der wichtigsten Twitter-Funktionen für viele Nutzer ihren Dienst. Unter anderem waren das Absetzen von Tweets, das Retweeten, Folgen und Versenden von Direktnachrichten nicht mehr möglich. Betroffenen wurde eine Fehlermeldung angezeigt, wonach sie ihr tägliches Limit erreicht hätten. Die Plattform blieb online, aber de facto im Nur-Lese-Modus.

Musk schickte während des Ausfalls eilig eine E-Mail an die Belegschaft und wies sie an, die Entwicklung neuer Funktionen einzustellen und stattdessen an der Zuverlässigkeit des Systems zu arbeiten – vor allem angesichts des bevorstehenden Super Bowl.

"Wir liefern Chaos"

Es stellte sich heraus, dass ein Mitarbeiter versehentlich Daten für einen internen Dienst gelöscht hatte. Ein Dienst, dessen Entwicklerteam im November gefeuert wurde. "Im Moment herrscht hier Chaos, also liefern wir das Chaos aus", fasste es ein Mitarbeiter zusammen. Abgesehen von einigen kleinen Problemen läuft Twitter aber nun wieder einigermaßen stabil.

Millionenschwere Rechnungen bleiben unbezahlt

Damit sind die Probleme beim "blauen Vogel" aber noch nicht vorbei, denn ein weiteres Unternehmen hat Twitter wegen nicht bezahlter Rechnungen geklagt. Diesmal geht es um 2,2 Millionen US-Dollar, die das Unternehmen dem Consultingunternehmen Analysis Group Inc. schuldet.

Pikant: Das Unternehmen hat das "alte" Twitter im Rechtsstreit mit Elon Musk beraten. Musk wollte vom Kauf von Twitter zurücktreten, Twitter klagte und wollte den Milliardär zwingen, sein Versprechen einzuhalten. Die Analysis Group holte im Auftrag von Twitter Sachverständigengutachten zu der Causa ein. Ein zweites Beratungsunternehmen machte laut Bloomberg ähnliche Forderungen in der Höhe von zwei Millionen US-Dollar geltend.

Seit der Übernahme durch Musk hat Twitter millionenschwere Rechnungen nicht bezahlt, darunter Mieten für das Hauptquartier in San Francisco und Büros in London. Mehrere Klagen sind anhängig. Um die Außenstände zu bezahlen, ließ Musk das Büroinventar versteigern, darunter Kaffeemaschinen, Bürostühle und Schreibtische. Musk schloss aufgrund der finanziellen Turbulenzen die Insolvenz von Twitter nicht aus. (pez, 10.2.2023)