Seit Jahrzehnten beobachten Fachleute Vogelgrippe-Ausbrüche – vor allem auch in Geflügelfarmen, in denen Tiere auf engem Raum gehalten werden.

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Seit Jahrzehnten verursacht die Vogelgrippe Ausbrüche bei Wildvögeln und Geflügel. In seltenen Fällen wurde das Virus auch auf den Menschen übertragen. Aktuell sorgt ein Ausbruch auf einer Nerzfarm im spanischen Galizien für Beunruhigung. Wie gefährlich ist das Virus für den Menschen? Eine Einordnung.

Frage: Es kommt immer wieder zu Vogelgrippe-Ausbrüchen. Was unterscheidet den in der Nerzfarm von bisherigen Ausbrüchen?

Antwort: Weil sich das Virus innerhalb weniger Wochen auf dem gesamten Gelände ausgebreitet hat, gehen Fachleute davon aus, dass das Virus von Nerz zu Nerz übertragen wurde. Das wäre die erste beobachtete Übertragung zwischen Säugetieren, DER STANDARD berichtete hier. Das Virus könnte sich also an Säugetiere angepasst haben und dadurch auch dem Menschen gefährlich werden, befürchtet man.

Das Virus hat sich in den vergangenen Jahren verändert und weiterentwickelt. "Es ist mittlerweile viel besser an Wildvögel angepasst und kommt besser mit dem europäischen Sommer zurecht", berichtet Martin Beer vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in Deutschland.

Frage: Wie genau hat sich das Virus verändert?

Antwort: Das ist schwierig zu sagen. Die Vogelgrippe ist nämlich nicht ein einzelnes Virus, stellt Beer klar. Es gibt mehr als 30 Genotypen: "Das Virus verändert sich schneller, als wir es charakterisieren können."

Aktuell wird in der Region rund um die Nerzfarm auf Hochtouren sequenziert, berichtet Ursula Höfle vom Wildlife Research Institute der University of Castilla-La Mancha in Spanien. Noch habe man nicht ausreichend Daten, aber jene, die bereits vorlägen, deuteten darauf hin, dass das Virus wohl in ebendieser Nerzfarm mutiert ist. Bei Virusproben von vier Tieren sind mehrere Mutationen gefunden worden, berichten Forschende. Eine von ihnen trage dazu bei, dass sich das H5N1-Virus besser in Säugetiergewebe vermehren kann.

Weitere genetische Analysen an infizierten Nerzen haben gezeigt, dass das Virus mindestens eine Veränderung aufweist, die die Fähigkeit zur Vermehrung und Weitergabe in Säugetieren erhöhen dürfte, wie Forschende im Fachblatt "Eurosurveillance" berichten.

Frage: Was bedeutet das nun konkret für uns Menschen?

Antwort: Das kann man noch nicht sagen, aber wahrscheinlich nicht viel. Die derzeit grassierende Vogelgrippe-Variante 2.3.4.4b ist zwar die größte jemals dokumentierte H5N1-Welle bei Vögeln, allerdings ist die Variante für Menschen deutlich weniger krankmachend als frühere Vogelgrippe-Varianten, an denen rund die Hälfte aller infizierten Personen starb.

Für das Virus ist es generell sehr schwierig, in den menschlichen Körper einzudringen – schwieriger, als das beispielsweise bei der Schweinegrippe der Fall war. Das liegt unter anderem an einem bestimmten Protein, das Influenzaviren abtöten kann. Bei den Schweinen ist dieses Protein ähnlicher zu jenem im Menschen. Der Weg von Vogel zu Mensch ist weiter. Und: "Das Virus kann nach wie vor nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden", sagt Beer.

Frage: Gibt es eine Impfung?

Antwort: Für Tiere, ja. Aber auch bei Tieren wird die Impfung nur einen begrenzten Beitrag zur Eindämmung der Vogelgrippe leisten können, sind Fachleute sicher. "In Geflügelfarmen ist die Impfung eine wichtige Option, weil wir es hier mit einer endemischen Situation zu tun haben. Aber bei Wildvögeln wird eine Impfung die Situation nicht großartig verändern", sagt Beer.

Für Menschen gibt es keine Impfungen, die jetzt einsatzbereit wären, sollte das Virus auf Menschen überspringen, berichtet Ian Brown, Leiter der Abteilung Virologie bei der Agentur für Tier- und Pflanzengesundheit in Großbritannien. Man könne Impfungen auch nicht für einen möglichen Ausbruch bereits im Vorhinein entwickeln, sagt er: "Es gibt so viele verschiedene Virusstränge, und das Virus verändert sich so schnell, das macht die Impfstoffentwicklung schwierig."

Frage: Wie geht es jetzt weiter? Wird sich die Vogelgrippe immer weiter ausbreiten?

Antwort: Wahrscheinlich, vor allem in den nächsten Monaten, glaubt Höfle. Jetzt kommt die Zeit, in der viele Vögel wieder zurückkehren von dort, wo sie im Winter waren, sie machen unterwegs Stopps, es gibt viele Kontaktmöglichkeiten für das Virus.

Frage: Wie könnte man einen Ausbruch eindämmen und die Ausbreitung verhindern?

Antwort: Das ist schwierig, insbesondere bei Wildvögeln. Umso wichtiger ist es, verlässliche Daten zum Virus zu erheben, Ausbrüche möglichst gut zu tracken und infizierte Tiere so schnell wie möglich zu töten, sagt Brown: "Das Virus würde sie ohnehin umbringen. Wenn man diese Maßnahmen effektiv betreibt, kann man eine Ausbreitung verhindern." Die Mortalität bei Vögeln ist je nach Vogelart unterschiedlich, in der Regel aber sehr hoch. Vor allem bei jenen Vogelarten, die in großen Gruppen zusammenleben, sterben viele Vögel einer Gruppe an dem Virus.

Frage: In den sozialen Medien liest man, dass die Vogelgrippe zur nächsten Pandemie führen könnte. Sind Fachleute auch besorgt?

Antwort: Ja, die meisten allerdings aus einem anderen Grund. "Die Vogelgrippe wird riesigen Einfluss auf die Biodiversität haben. Das ist im Moment die viel drängendere Sorge als jene, ob das Virus auf den Menschen oder von Säugetier zu Säugetier überspringt", sagt Höfle.

Das Virus breitet sich in immer mehr Gebieten aus, mittlerweile ist die Vogelgrippe weit im Süden Südamerikas angekommen. Expertinnen und Experten befürchten, dass das Virus sogar bis in die Antarktis vordringen könnte: "Neue Kontinente bedeuten viele neue Vögel", sagt Beer. Aktuell ergeben sich in der Forschung viele Fragen, die lange nicht relevant waren, aber man stehe derzeit sicher nicht vor einer Vogelgrippe-Pandemie, ist Beer überzeugt. Trotzdem müsse man die Vogelgrippe ganz genau im Auge behalten, sagt Höfle: "Wir haben schon so viele überraschende Entwicklungen gesehen bei diesem Virus, wir müssen mit allem rechnen." (poem, 13.2.2023)