Glücklich darf sich schätzen, wer einen Kilobarren Gold sein eigen nennt – dieser ist nämlich derzeit etwa 57.000 Euro wert.

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Gemeinsam mit Aktien und Kryptowährungen hat der Goldpreis seit Herbst eine beeindruckende Kursentwicklung auf das Börsenparkett gelegt. Anders als bei den Preisspitzen wegen der Corona-Pandemie 2020 und des Ukraine-Kriegs im März 2022 war diesmal aber keine Krise Auslöser des Preisanstiegs. "Das Edelmetall gilt in Krisenzeiten und bei wirtschaftlicher Unsicherheit als sicherer Hafen", erklärt Michael Hall vom deutschen Finanzdienstleister Spectrum Markets. Diese Rolle hat es im Vorjahr auch erfüllt: Im Gegensatz zu den anderen Anlageklassen, die meist schwere Verluste erleiden mussten, hat das Edelmetall in US-Dollar gerechnet zumindest das Niveau gehalten. Gegenüber dem Euro legte der Goldpreis sogar etwas zu.

Keine Krise, sondern eine andere Triebfeder steckt hinter der im November gestarteten Kursrally: nämlich die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed und dann wieder sinkender US-Leitzinsen. Höhere Verzinsung ist schlecht für Gold, da verglichen mit dem unverzinsten Edelmetall andere, verzinste Anlageprodukte attraktiver werden. Allerdings stoppte der Aufwärtstrend in der Vorwoche, als die US-Notenbank Fed die Zinsen zwar nur um einen Viertelprozentpunkt anhob, ihr Chef Jerome Powell den aufgekeimten Zinshoffnungen aber den Nährboden entzog.

Wohl keine Zinssenkungen

Denn baldigen Zinssenkungen erteilte der Notenbankchef eine Absage. Die derzeitigen Aussichten ließen ein schwächeres Wachstum, einen leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit und einen allmählichen Rückgang der Inflation erwarten, sagte Powell. "Wenn sich die Wirtschaft im Großen und Ganzen im Einklang mit diesen Erwartungen entwickelt, wird es nicht angebracht sein, die Zinsen in diesem Jahr zu senken", betonte Powell. Ist der Aufwärtstrend des Goldpreises, der seit November für ein 15-prozentiges Kursplus gegenüber dem Dollar gesorgt hat, damit schon wieder vorbei?

Die Experten von Raiffeisen Research sehen jedenfalls für 2023 günstige Aussichten für Veranlagungen in Gold. "Alles in allem sehen wir das Edelmetall auf Jahressicht gut unterstützt", sagt Analyst Aaron Alber. Dieser Erwartung zugrunde gelegt ist die Annahme einer globalen konjunkturellen Eintrübung sowie einer restriktiven Geldpolitik. "Wir gehen davon aus, dass sich Gold im Jahresverlauf 2023 weiter sukzessive nach oben bewegen wird", ergänzt der Analyst. Konkret nennt er ein Kursziel von 2100 Dollar für eine Feinunze Gold im ersten Quartal 2024 – womit der Goldpreis knapp über dem bisherigen Rekordhoch von Mitte 2020 liegen würde.

Sicherer Hafen

Das Kursziel entspricht einem Aufwärtspotenzial von etwa zwölf Prozent gegenüber dem aktuellen Kurs. Da Alber keine großen Kursverschiebungen zwischen Dollar und Euro erwartet, ist das Kurspotenzial in der Gemeinschaftswährung seiner Ansicht nach ungefähr gleich groß. Was den dazu nötigen Auftrieb verleihen soll: Wegen der anhaltenden geopolitischen Spannungen sollte Gold wieder von seinem Status als sicherer Hafen profitieren. Zudem sollten Inflationsängste die Preisentwicklung begünstigen, denn das Edelmetall gilt als Schutz vor Teuerung und profitierte auch in den 1970er-Jahren von einer anhaltend hohen Inflation. Dazu komme eine zuletzt wieder höhere Nachfrage aus der Schmuckindustrie.

Dem Branchendienst Word Gold Council zufolge gab es bereits im Vorjahr die höchste Nachfrage nach Gold seit mehr als einem Jahrzehnt. Demnach wurde das Edelmetall um 18 Prozent stärker nachgefragt als im Jahr zuvor, wobei viel Nachfrage zu Anlagezwecken vorherrschte. Dem steht eine seit zwei Jahren leicht rückläufige Goldförderung gegenüber. Für das laufende Jahr erwartet das World Gold Council einen weiteren Nachfrageanstieg – wobei allerdings das Verhalten der Notenbanken, die im Vorjahr ebenfalls viel Gold zukauften, nur schwer zu prognostizieren sei. (Alexander Hahn, 12.2.2023)