Die Suche nach Fachkräften in Tech-Jobs ist nach wie vor im Gange.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Weltweit haben im vergangenen Jahr 150.000 Tech-Angestellte ihren Job verloren. Nicht nur die US-Branchenriesen Amazon, Google und Meta, sondern auch heimische Tech-Start-ups wie Bitpanda und Gostudent haben auf einen Schlag hunderte Stellen gestrichen. Stehen die Jobchancen für Beschäftigte in der IT schlecht?

"Diese Kündigungswellen wirken auf den ersten Blick drastisch, das muss man aber auch in Relation setzen", sagt Daniel Marwan, CEO des Recruitingunternehmens Epunkt. Hierzulande fehlen laut Erhebung weiterhin rund 24.000 IT-Fachkräfte pro Jahr – in Deutschland sind es sogar knapp 140.000. Zudem seien von den Massenkündigungen nicht nur Tech-Angestellte, sondern auch Mitarbeitende aus anderen Abteilungen betroffen gewesen.

Der Recruitingexperte spricht in diesem Zusammenhang von einer absehbaren Gegenbewegung: In großen Wachstumsphasen seien bei den großen Konzernen zu viele und – unter Zeitdruck – auch nicht immer die idealen Arbeitskräfte eingestellt worden. Das sei auch bei einigen heimischen Start-ups der Fall gewesen: "Die letzten Jahre gab es eine regelrechte Goldgräberstimmung, die nicht rational begründet war."

Aber auch insgesamt habe es laut Marwan im Vorjahr eine Überhitzung des Jobmarkts im Tech-Bereich gegeben, die nun wieder abflachen würde. Das habe auch Rafael Rasinger, zuständig für die Bereiche Firmennetzwerk, Alumni und Gründungen an der FH Technikum Wien, beobachtet: "Die Hektik bei der Personalsuche hat sich in vielen Firmen erst einmal gelegt."

Struktureller Fachkräftemangel

Marwan macht dafür auch eine psychologische Komponente verantwortlich: "Wenn viele Unternehmen Fachkräfte suchen, aber nicht finden, macht das auch Druck auf Firmen, die gerade nicht suchen, aber Angst bekommen von der Konkurrenz überholt zu werden." Dennoch gebe es in der IT einen strukturellen Fachkräftemangel, der größer wäre als noch vor zwei Jahren. "Die Entwicklung wird anhalten und sich auch noch weiter verstärken", ist er sich sicher. Treiber sei neben der Pensionierungswelle auch der Wunsch vieler junger Menschen, weniger zu arbeiten. Langfristig gebe es daher am heimischen Jobmarkt keine Entspannung.

Will künftig überhaupt noch jemand bei den großen Tech-Konzernen arbeiten? "Seit ich im Recruiting bin, hat es immer eine gewisse Anzahl an Personen gegeben, die bei den großen Namen arbeiten wollen." Vor 20 Jahren galten BMW, Mercedes oder die Boston Consulting Group noch als Traumarbeitgeber – heute seien es Google, Meta oder Amazon. "Dieser Anteil an Personen ist ziemlich konstant und hängt eher mit der Persönlichkeit und den Werten der Kandidatinnen und Bewerber zusammen", sagt der Recruitingexperte. Daran würden auch "ein paar Kündigungen" im Silicon Valley nichts ändern.

Neue Anforderungen an den Job

Dennoch sei der Imageschaden durch Massenkündigungen per Mail oder Videocall enorm: "Aus Recruitingperspektive ist es natürlich eine absolute Katastrophe, was da passiert ist", sagt Marwan. Die Firmen müssten künftig "noch mehr Geld in die Hand nehmen, wenn sie die besten Köpfe" für sich gewinnen wollen. Auch Rafael Rasinger hat den Eindruck, dass Studierende sich öfter für heimische kleine und mittelständische Softwareunternehmen entscheiden – und damit zufriedener seien als einem Job bei Big Tech hinterherzujagen.

Das hänge aber auch mit den neuen Anforderungen der jungen Generation an die Arbeit zusammen, sind sich beide Experten sicher: Der Job soll ein Teil des Lebens sein, aber ist bei weitem nicht alles. (Anika Dang, 23.2.2023)