Die Autos der OSZE-Sonderbeobachtermission in der Ukraine, hier zu sehen im russischen Rostow am Don nach ihrer "Evakuierung".

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Die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem kriegsführenden Russland bringt die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit Sitz in Wien zusehends in die Krise. Ein Symptom dafür war der breite Aufschrei vieler Mitgliederstaaten, nachdem DER STANDARD berichtet hatte, dass Österreich sanktionierten russischen Diplomaten die Einreise zur parlamentarischen Versammlung der OSZE in Wien erlauben werde. Vor allem in Osteuropa und im Baltikum hat man offenbar den Glauben an einen sinnvollen Austausch mit Moskau verloren.

Ein Grund dafür ist auch der Umgang Moskaus mit der OSZE selbst. Die Organisation wirft dem Putin-Regime vor, gepanzerte Fahrzeuge im Wert von fast 2,7 Millionen Euro beschlagnahmt zu haben. Diese seien bei der Special Monitoring Mission der OSZE in der Ukraine im Einsatz gewesen und nach der Invasion im Februar 2022 in die südrussische Stadt Rostow gebracht worden.

OSZE-Autos in den Donbass gebracht

Die OSZE habe zehn Monate lang versucht, die Ausfuhr der Fahrzeuge in die Türkei zu organisieren, Russland soll das aber blockiert haben. Mittlerweile existieren Videoaufnahmen, die zeigen sollen, dass die Autos ins Kriegsgebiet im Donbass gebracht worden sind.

In einem Brief an OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid, der dem STANDARD exklusiv vorliegt, bestätigt Russland, dass 71 Fahrzeuge "ins Gebiet der Republik Donezk und der Republik Luhansk" gebracht wurden – also in ostukrainisches Territorium, das Russland illegal zu annektieren versucht. Die Rede ist davon, dass "Behörden der Russischen Föderation" die Autos "als Beweismaterial beschlagnahmt" hätten. Im auf den 24. Jänner 2023 datierten Brief führt Russlands ständiger Vertreter bei der OSZE, Alexander Lukaschewitsch, weiter aus, dass ein "Strafverfahren gegen frühere Mitglieder der OSZE-Mission" wegen Spionage eingeleitet worden sei.

Kein Zugang zu OSZE-Mitgliedern

Bekannt ist, dass drei ukrainische Mitglieder der OSZE-Mission bereits im April 2022 verhaftet worden waren. Zwei sollen vom sogenannten Höchstgericht der Republik Luhansk bereits für Spionage und Hochverrat verurteilt worden sein, der dritte Fall soll noch offen sein. Mehrere Menschenrechtsorganisationen beklagten, keinen Zugang zu den Männern zu erhalten.

Diplomaten bei der OSZE haben die Vorfälle mehrfach deutlich kritisiert. US-Diplomat Michael Carpenter sprach von "völlig inakzeptablen" Vorgängen und forderte einmal mehr ihre sofortige Freilassung.

"Dubiose Vorwürfe"

Andere OSZE-Staaten, die auf Dialog mit Russland setzen, sollten sich laut Carpenter erinnern, dass Moskau "Mitarbeiter dieser Organisation als Geisel hält und Eigentum gestohlen hat, für das wir alle gezahlt haben". Auch die EU sprach von "illegaler Haft" für drei OSZE-Mitarbeiter, die mit "dubiosen Vorwürfen" konfrontiert worden seien.

Zum STANDARD sagt Carpenter: "Russland hat es in der Hand, diesen Krieg jederzeit zu beenden. Wenn Russland zu kämpfen aufhört, endet der Krieg. Wenn die Ukraine zu kämpfen aufhört, endet deren Existenz." Russlands Brief an die OSZE-Generalsekretärin zeige für Carpenter nicht, dass Russland ernsthaft an "konstruktivem Dialog und Kooperation" interessiert sei, um die Krise zu lösen. Man müsse mit dem Klischee aufräumen, dass man der anderen Seite zuhören müsse, wenn Moskau nicht an Diplomatie interessiert sei, sondern nur an seinem "brutalen Krieg".

Scharfe Kritik aus Kiew

Noch schärfer sind die Wortmeldungen aus der Ukraine: Deren Außenminister Dmytro Kuleba twitterte schon im Dezember, es wäre "besser für die OSZE, ohne Russland weiterzumachen". Der Ständige Vertreter der Ukraine bei der OSZE, Jewhenij Zymbaljuk, sagt zum STANDARD, die Organisation müsse ihren Ansatz ändern: "Wie trägt Russland zu unserer Sicherheit bei? Wir erleben den größten Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg."

Am 24. Februar, dem Jahrestag der Ukraine-Invasion, dürfte es bei der parlamentarischen Versammlung der OSZE also zu heftigen Debatten kommen. An seiner Entscheidung, Visa für sanktionierte russische Diplomaten auszustellen, will das Außenministerium jedenfalls festhalten – dazu sei man rechtlich gezwungen, heißt es. (Kate Manchester, Fabian Schmid, 13.2.2023)