Für die Rohstoffe, die für Elektrogeräte gebraucht werden, werden Natur und Menschen ausgebeutet. Zig Millionen Tonnen an Schrott fallen darüber hinaus Jahr für Jahr an.
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Elektronikgeräte sind aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Wie abhängig wir von ihnen sind, zeigt eine im Vorjahr veröffentlichte Erhebung. 74 Produkte, darunter Handys, Computer, Fernseher, Küchenmaschinen, aber auch Ventilatoren, Klimaanlagen und allerlei sonstige Kleingeräte, finden sich in jedem europäischen Haushalt, rechnet die Organisation WEEE vor. Fast ein Fünftel davon verstaubt in Schubladen und Schränken. Teilweise sind die Geräte kaputt. Viele der elektronischen Staubfänger funktionieren aber tadellos und werden einfach nicht mehr gebraucht.

Aber auch der Elektro-Müllberg wächst ungebremst, wie der letztgültige Bericht der United Nations University (UNU) zeigt. Allein in Europa produziert jede Person 16,2 Kilogramm Elektroschrott pro Jahr. Das ist zwar ein Viertel weniger, als etwa in Nordamerika anfällt, aber immerhin mehr als dreimal so viel wie in Asien. Zusammengezählt sind die Summen schwer begreifbar. Über 53 Millionen Tonnen Elektromüll: So lautete die globale Jahresbilanz im Jahr 2019 – nur fünf Jahre zuvor waren es noch um 9,6 Millionen Tonnen weniger. Apokalyptisch klingt die Vorhersage für das Jahr 2030. Ändert sich nichts Grundlegendes, werden laut Vereinten Nationen 75 Millionen Tonnen ausrangierte Elektronik im Jahr erwartet. Eine Abflachung der Kurve ist nicht absehbar.

Rohstoffintensive Herstellung

Die Zahlen, die für sich allein schon alarmierend genug erscheinen, sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Die Problematik beginnt viel früher, nämlich bei der Produktion, die bei Elektronikgeräten besonders ressourcenintensiv ist. Wer jetzt an die gut dokumentierten schlechten Arbeitsbedingungen in asiatischen Fabriken denkt, in denen die Komponenten zusammengebaut werden, muss noch zwei Schritte zurückgehen.

Viele Rohstoffe werden in Afrika unter widrigen Arbeitsbedingungen abgebaut.
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Denn die bis zu 60 in jedem Gerät verarbeiteten wertvollen Rohstoffe – davon etwa 30 teils seltene Metalle – werden unter fragwürdigen Bedingungen in Minen in Afrika, China, Indien, aber auch Mexiko, Chile und Peru abgebaut. Die Liste an dokumentierten Missständen ist lang: Ausbeuterei, Kinderarbeit, Umweltzerstörung, Gesundheitsgefährdung und die Finanzierung kriegerischer Auseinandersetzungen, wie etwa in der Demokratischen Republik Kongo.

"Die globale Ressourcennutzung hat sich in den vergangenen 50 Jahren auf 92 Milliarden Tonnen pro Jahr verdreifacht. Das entspricht 100 Lkws pro Sekunde, die für unseren Produktkonsum in die Weltwirtschaft befördert werden", sagt Ressourcenexperte Stefan Giljum von der Wirtschaftsuniversität Wien. Bei metallischen Rohstoffen habe sich die Zahl vervierfacht. Die Expansion der Bergbauaktivitäten würden dabei vor allem zulasten ökologisch sensibler Gebiete wie Regenwälder gehen, wie eine durchgeführte Studie zeige.

Recycling und illegale Müllexporte

Angesichts der arbeits- und rohstoffintensiven Herstellung schmerzt es umso mehr, dass gerade einmal 17 Prozent des dokumentierten Elektronikschrotts getrennt gesammelt und zumindest teilweise recycelt werden. In Österreich ist die Sammelquote mit 62 Prozent zwar deutlich höher, wie der aktuelle Bundes-Abfallwirtschaftsplan des Klimaschutzministeriums zeigt. Die restlichen 90.000 Tonnen an anfallendem Elektromüll werden nicht über die dafür vorgesehenen Sammelzentren und Sperrmüllsammlungen der Gemeinden abgegeben, sondern landen teilweise im Restmüll. Etwa ein Viertel der fehlenden Menge wurde in automatisierten Sortieranlagen abgesondert.

Dass die Sammlung nicht immer eine fachgerechte Entsorgung, geschweige denn echtes Recycling nach sich zieht, dokumentiert etwa der Umweltjournalist Mike Anane am Beispiel Ghanas seit über 20 Jahren. 600 bis 800 Schiffscontainer an illegalem Elektroschrott aus Europa und den USA landen Monat für Monat im Hafen der Hauptstadt Accra.

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Die Fracht – fälschlicherweise als gebrauchte, aber wiederverwendbare Elektronik getarnt – landet dann in freier Natur nahe der Slums, wo der gefährliche und giftige Müll von der verarmten Bevölkerung inklusive kleiner Kinder mit bloßen Händen nach wertvollen Materialien und Metallen durchsucht wird. Die Situation sei seit Jahrzehnten praktisch unverändert, bestätigt Anane.

"Recycling ist wichtig, aber es ist kein geschlossener Kreislauf und benötigt zudem viel Energie. Mit den steigenden Müllmengen kann das zudem ohnehin nicht bewerkstelligt werden", sagt Ressourcenexpertin Anna Leitner von Global 2000. Sie fordert ein generelles Umdenken. "Wenn wir ein gutes Leben auf unserem Planeten sichern wollen, müssen wir unseren ausgeprägten Überkonsum und die damit einhergehende Ressourcenverschwendung eindämmen", sagt Leitner.

Modulare Bauweise, wie sie etwa der Hersteller Fairphone propagiert, erleichtert die Reparierbarkeit wesentlich.
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Eine relativ einfache Maßnahme diesbezüglich sei, Geräte möglichst lange zu verwenden und gegebenenfalls reparieren zu lassen. Die Rahmenbedingungen dafür muss Leitner zufolge die Politik schaffen. Sie müsse sicherstellen, dass die Reparierbarkeit, aber auch die möglichst nachhaltige Herstellung von den produzierenden Konzernen gewährleistet werde. Das unterstreicht auch Giljum, der diesbezüglich noch große Defizite ortet. "Man könnte zu einem Businessmodell übergehen, bei dem auch Private ihre Handys leasen oder mieten können. Damit hätten Unternehmen selbst Interesse, ihre Produkte langlebig zu gestalten", denkt er einen Schritt weiter.

Lebensverlängerung für Geräte

National animiert etwa der vom Klimaschutzministerium ins Leben gerufene Reparaturbonus, kaputte Elektrogeräte herrichten zu lassen. 50 Prozent der Kosten und bis zu maximal 200 Euro werden übernommen. Wer seine funktionierenden älteren Geräte länger im Kreislauf halten will, kann diese auch über diverse Gebrauchtplattformen verkaufen oder sie über Initiativen wie "PCs für alle" spenden.

Laut Vereinsgründer Peter Bernscherer wurden seit 2020 bereits über 17.000 aufbereitete Geräte an bedürftige Schulkinder weitergegeben. Im Rahmen der von der Arbeiterkammer Wien geförderten Aktion Digilehre.at kamen auch zahlreiche Lehrlinge zum Zug. "Abgesehen vom sozialen Bildungsaspekt haben wir damit über 200 Tonnen Elektroschrott verhindert", freut sich Bernscherer im Gespräch mit dem STANDARD. (Martin Stepanek, 18.2.2023)