Vor 400 Jahren wurde der Waldrapp in Europa ausgerottet, an seiner Wiederansiedlung und am Schutz der bedrohten Vögel ist auch der Wiener Tiergarten Schönbrunn federführend beteiligt.

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Als der Waldrapp noch eine in Europa verbreitete Vogelart war – das änderte sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts – , verbrachte er den Winter in Afrika und auf der Arabischen Halbinsel. Mittlerweile existieren nur noch zwei freilebende und sesshaft gewordene kleine Populationen in Marokko. In Österreich brütete der Waldrapp unter anderem auf dem Mönchsberg in Salzburg und auf dem Schlossberg in Graz.

Als weitreisender Zugvogel machen es die Waldrappe wie viele andere Arten, die Tausende Kilometer ins Winterquartier fliegen müssen: Um Energie zu sparen, reisen sie in V-Formation. Dabei profitieren die Tiere vom Auftrieb, der von Wirbeln des vordersten Vogels erzeugt wird. Darüber hinaus koordinieren sie ihre Flügelschläge mit dem voranfliegenden Artgenossen, was ihnen ebenfalls dabei hilft, mit ihren Kräften hauszuhalten.

Unsteter Formationsflug

Österreichische Forschende haben sich den Energiesparflug der Waldrappe nun genauer angesehen und sind auf interessante Details gestoßen: Wenn Waldrappe in V-förmiger Formation über den Himmel ziehen, ist dies kein starres Hintereinanderherfliegen. Die Vögel fallen quasi im Sekundentakt aus den Auftrieb bietenden "Wirbelschleppen" der Vordertiere, bilden kleine Reisegrüppchen und zeigen Vorlieben, wem sie hinterherflattern. Die Fluganalyse via "Unschärfelogik"-Modell (Fuzzy Logic) wurde im "Journal of the Royal Society Interface" veröffentlicht.

Der Flügelschlag erzeugt zwei Aufwind-Regionen bei den Flügelspitzen, erklären die Forscher um Elisa Perinot vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien und dem "Waldrappteam": "Nachfolgende Individuen können diese Luftwirbel nutzen, um die Energie zu reduzieren, die sie zum Fliegen benötigen." Direkt hinter einem Vogel entsteht aber ein Abwind. Um diesem auszuweichen und im Aufwind zu segeln, müssen sich die Nachfolgenden schräg versetzt hinter dem Vordervogel befinden.

Fuzzy-Logic-Fluganalyse

Solche Luftwirbel haben keine klaren Grenzen und sind deshalb mit den üblichen Rechenmodellen nicht adäquat zu erfassen, so die Forschenden. Sie wendeten daher ein "Unschärfelogik"-Modell an, um zu berechnen, wann ein Vogel in der Wirbelschleppe eines Vordertiers flog. Mittels Satellitenpositionsbestimmung (GPS-Tracker) hatten sie die genauen Positionen von 29 Waldrappen (Geronticus eremita) bei einem Formationsflug aufgezeichnet.

Die Vögel waren im Schnitt jeweils nur eine Sekunde lang in optimaler Folgeposition, fanden aber stets ähnlich rasch wieder dorthin zurück, berichten sie. Manche von ihnen nutzten die Aufwinde der Vordertiere mehr als doppelt so häufig wie andere. So flog ein Individuum nur 19 Prozent der Zeit nicht in einer Windschleppe, ein anderes 43 Prozent. Durchschnittlich befanden sich die Tiere 30 Prozent der Zeit nicht in der Aufwindregion hinter einem Artgenossen.

Vorlieben für bestimmte Flugpartner

Die einzelnen Langstreckenflieger zeigten zudem Vorlieben, wem sie hinterher flatterten. "Jeder Vogel flog anscheinend vorzugsweise im Gefolge von wenigen anderen Individuen", schreiben die Forscher. So war etwa Waldrapp "280" zumeist in der Windschleppe von Individuum "288" anzutreffen, ein anderer folgte abwechselnd zwei Vordertieren.

Innerhalb der Formation gab es laut den Modellberechnungen kleine Untergruppen von Vögeln, die gerne beieinander flogen. Das waren meist Pärchen oder Dreiergespanne. "Trotz der Präsenz dieser Untergruppen verlor der gesamte Schwarm nicht den Zusammenhang", so die Forscher. (red, APA, 15.2.2023)