Verursachen in Europa rund zehn Millionen Tonnen Treibhausgase im Jahr: Privatjets.

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Zum Einkaufen nach London, das Abendessen in Nizza und danach zurück nach Wien – Privatjets machen es möglich. Nur wenige Transportmittel stehen so für Status und Luxus wie die privaten Flieger. Sie versprechen schnelles Reisen, Flexibilität und Privatsphäre. Attraktiv ist das mittlerweile nicht nur für Politikerinnen und Unternehmer. Allen Reisebeschränkungen zum Trotz leisteten sich gerade in der Corona-Pandemie Besserverdiener und VIPs verstärkt exklusive Trips mit dem Privatjet.

Durch die Klimakrise wächst jedoch die Kritik an den Privatfliegern. In Frankreich, wo europaweit die meisten Privatjets abheben, sollen inländische Flüge mit Privatmaschinen massiv eingeschränkt werden. Das Land hat bereits Inlandsflüge verboten, deren Strecke innerhalb von zweieinhalb Stunden mit dem Zug zu bewältigen wäre. Auch wenn Privatjets von dieser Regelung bisher noch ausgenommen sind, begrüßen Umweltverbände den Vorstoß. Anlässlich des Weltwirtschaftsforums, zu dem traditionell viele Teilnehmende mit dem Privatjet anreisen, sprach sich Greenpeace erneut für ein europaweites Verbot von Privatjets aus. Doch kann es eine Welt ohne Privatjets überhaupt geben?

"Klimaschädlich und ungerecht"

Für das Klima wäre es eine Entlastung, würden weniger Privatjets am Himmel fliegen. Sie verursachen rund zehnmal so viele Emissionen wie ein normaler Linienflug oder 50-mal so viel wie eine durchschnittliche Zugfahrt in Europa, schätzt die NGO Transport and Environment. Zwar machen Privatjets nur einen geringen Teil der Luftfahrtemissionen aus. Doch insgesamt verursachen sie in Europa jährlich rund zehn Millionen Tonnen Treibhausgase – und damit mehr, als Lettland pro Jahr ausstößt. Den größten Teil der Emissionen machen Geschäftsreisen aus. Viele Privatjets fliegen häufig kurze Strecken unter 500 Kilometern.

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Rund 1,3 Kilogramm CO2 pro Person und Kilometer verursacht ein Privatjet, schätzt die NGO Transport and Environment.
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Als Umweltsünder gelten die Privatmaschinen vor allem wegen der hohen Pro-Kopf-Emissionen. Nur wenige Passagiere passen hinein, entsprechend hoch sind die Auswirkungen für die Umwelt pro Einzelperson. Pro Flugstunde verursacht ein Privatjet bis zu drei Tonnen CO2. Im Vergleich dazu verursacht ein Mensch in der EU in einem Jahr durchschnittlich rund 7,4 Tonnen CO2. "Es ist nicht gerechtfertigt, dass sehr wenige auf Kosten und Schaden von sehr vielen unser Klima verschmutzen", sagt Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace, im STANDARD-Gespräch. "Privatjets sind die klimaschädlichste und ungerechteste Art der Fortbewegung."

Das zeigen auch die Zahlen: Ein Großteil der Menschheit saß noch nie in einem Flugzeug, während nur ein Prozent der Weltbevölkerung rund 50 Prozent aller globalen Emissionen im kommerziellen Flugverkehr verursacht. Das eine Prozent der Superreichen stößt rund 30-mal so viele Treibhausgase aus wie ein durchschnittlicher Mensch auf der Erde, schätzt die Hilfsorganisation Oxfam. Für Befürworter eines Verbots von Privatjets ist klar: Eine Welt ohne Privatjets wäre nicht nur besser für das Klima, sondern auch gerechter.

Wirtschaft: Privatjets ermöglichen schnelle Reaktion

Die Forschung betrachtet das Thema jedoch differenzierter. Für die Wirtschaft seien Privatjets etwa durchaus wichtig, sagt Holger Friehmelt, Luftfahrtexperte an der FH Joanneum. Sind ein Kraftwerk, Prüfanlagen oder Fertigungsstraßen defekt, sei es für österreichische Anbieter oft entscheidend, schnell beim Kunden vor Ort zu sein. Deshalb werden industrielle Güter wie Ersatzteile und Wartungsteams bei Bedarf auch mit Privatjets zum Kunden geflogen, um finanzielle Schäden zu vermeiden. Für die Exportnation Österreich sei das durchaus wichtig.

"Wenn wir unsere Hightech-Industrie, die auch das Element einer nachhaltigen Industrie ist, in die Welt tragen wollen, gehört es dazu, dass wir schnell auf Probleme reagieren können", sagt Friehmelt. Greenpeace kritisiert jedoch, dass es für viele Geschäftsreisen gute Zugverbindungen gibt und Spezialtransporte auch mit gewöhnlichen Linien- oder Cargoflügen durchführbar sind, sofern es nicht um Menschenleben geht. In vielen Fällen gibt es keinen Grund, ein Ersatzteil oder ein Wartungsteam mit dem Privatjet um die Welt fliegen zu lassen, kritisiert Duregger.

Kritisch für Organtransporte

Für andere Bereiche sind Privatmaschinen sogar lebensnotwendig. Für Organtransporte etwa bleiben Ambulanzjets aufgrund ihrer Schnelligkeit bisher unverzichtbar. Herzen und Lungen müssen etwa innerhalb weniger Stunden transportiert und transplantiert werden. In einer Welt ohne Privatjets wären europaweite Organtransporte nicht mehr möglich, heißt es aus den Koordinationszentren für Transplantationen in Österreich. Im schlimmsten Fall könnten Patientinnen und Patienten sterben, die auf ein Organ warten. Für medizinische Transporte müsste es deshalb auch im Falle eines EU-weites Verbots Ausnahmen geben, heißt es.

Alternativen zu den Flügen gibt es derzeit nicht. Aus den Koordinationszentren heißt es, dass neue Lagerungsmethoden fluggebundene Transporte künftig ersetzen könnten. Außerdem könnten etwa Drohnen künftig Spenderorgane transportieren. Schon im Jahr 2019 absolvierte eine Drohne in den USA eine Strecke von knapp fünf Kilometern, um eine Spenderniere zu ihrer Empfängerin zu fliegen. Beteiligt war das US-amerikanische Unternehmen Mission Go, das in den vergangenen Jahren bereits einige Organe testweise per Drohne transportiert hat. Noch bleiben aber einige Hürden, bis sich die Technologie auf großen Entfernungen für Organtransporte einsetzen lässt.

Für viele Organtransporte sind Privat- oder Ambulanzjets bisher unverzichtbar. Bei Herzen bleibt oft nur ein Zeitfenster von vier Stunden bis zur Transplantation.
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Privatjets als Testlabor

Als nützlich erachten Experten die Privatjets auch für die Entwicklung neuer Technologien, etwa Wasserstoff- oder Elektroantrieben. Schließlich sind Privatjets kleiner, leichter und kompakter als gewöhnliche Flugzeuge. "Bei Businessjets kann man sehr viel schneller neue Technologien ausprobieren, die am Anfang sehr teuer sind", sagt Friehmelt. "Der Businessjet ist das Sprungbrett für nachhaltige Antriebssysteme in die kommerzielle Fliegerei." Gäbe es keine Privatjets mehr, würde dem Luftverkehr dieses Sprungbrett fehlen, argumentieren auch andere in der Luftfahrtbranche.

Umweltorganisationen und Forschende sehen Innovationen, die den Flugverkehr klimafreundlicher machen sollen, aber skeptisch. Auch wenn Privatjets künftig elektrisch oder mit Wasserstoff fliegen, würden wenige Personen im Privatjet verhältnismäßig viel Energie verbrauchen. Zudem sind die Ressourcen – sei es für die Produktion von elektrischen Batterien, E-Fuels oder Wasserstoff – nur begrenzt vorhanden. Wasserstoff wird laut Duregger künftig vor allem dort benötigt, wo es keine Alternativen gibt – etwa in der CO2-intensiven Stahlindustrie.

Steuern und Regulierung gefordert

Privatflieger bleiben in Österreich und vielen anderen EU-Ländern noch ein politisches Randthema. Auf internationaler Ebene wird das Thema kaum diskutiert. Eine Welt ohne Privatjets wird es daher auf absehbare Zeit wohl nicht geben. Fachleute halten es dennoch für sinnvoll, Privatflüge stärker zu regulieren und zu besteuern. Auch wenn Geld für die meisten Privatjetkunden keine Rolle spielt, könnten Steuern Privatflüge unattraktiver machen und außerdem Einnahmen schaffen, die in den Ausbau nachhaltiger Mobilität fließen könnten. Denn laut Luftfahrtexperten ist klar: Damit Menschen auf den Privatjet verzichten, braucht es attraktive Alternativen wie etwa schnelle Zugverbindungen mit hoher Taktung.

Zwar erforderten es begründete Anwendungen auch in Zukunft, Privatjets zu nutzen. Doch Flüge mit dem Privatjet zum privaten Vergnügen – egal ob nach London, Nizza oder Rom – halten die meisten Fachleute in Zeiten von Klima- und Energiekrise für nicht gerechtfertigt. "In Zukunft kann es nicht sein, dass ein paar Leute allein in einem Privatjet durch die Welt jetten", sagt Duregger. Die Imagebildung spielt aus ihrer Sicht eine wichtige Rolle. Obwohl sie in den sozialen Medien oft in der Kritik stehen, gelten Privatjets noch immer als Statussymbol. Das müsse sich ändern, sagt sie. Es gehe darum, Privatjets in der Öffentlichkeit nicht als etwas Erstrebenswertes darzustellen, sondern klar auf deren Auswirkungen auf das Klima und die soziale Ungleichheit hinzuweisen. (Florian Koch, 17.2.2023)