Karl Nehammer plant mit Kanzlerrede und Kommission die große Aussöhnung mit den Wählerinnen und Wählern.

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Karl Nehammer will einen Versöhnungsprozess einleiten, der die Wunden, die während der Corona-Pandemie entstanden sind, heilen soll. Das sei nicht parteipolitisch motiviert, versichert der Bundeskanzler und ÖVP-Chef. Ganz ehrlich ist das nicht: Es ist aus Sicht der ÖVP natürlich auch der Versuch, sich mit jenen Wählerinnen und Wählern zu versöhnen, die von den in der Pandemie gesetzten Maßnahmen derart verärgert sind, dass sie in der Folge FPÖ wählen.

"Ihr habt uns eingesperrt", lautet ein Vorwurf, der ÖVP-Funktionären vor allem auf dem Land immer wieder gemacht wird. Lockdown und Impfpflicht sind zwei Zwangsmaßnahmen, die zu einer nachhaltigen Verunsicherung geführt haben. Die FPÖ hat dieses Thema geschickt für sich nützen können.

Den Versuch der Aussöhnung zu setzen ist nicht falsch, aber Nehammer soll nicht so tun, als wäre ihm das eigene und parteipolitische Interesse fremd. Auch über eine Kommission, die die von der Regierung gesetzten Maßnahmen während der Pandemie aufarbeiten soll, kann man diskutieren. Die Alternative wäre ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Diesen scheut die ÖVP aus leidvoller Erfahrung.

Es wird viel mehr brauchen als eine Kommission und eine Kanzlerrede, um tatsächlich einen Versöhnungsprozess einzuleiten. Im Grunde geht es darum, Vertrauen wiederherzustellen. Das ist ein langwieriger Prozess. Dem stehen parteipolitische Manöver im Wege. (Michael Völker, 15.2.2023)