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In der Geldpolitik sind Erwartungen eine harte Währung. Wer eine Wohnung kaufen will und steigende Zinsen erwartet, wird schneller versuchen, zu einem Kredit zu kommen, als jemand, der sich auf sinkende Zinsen einstellt. Dementsprechend hat die Kommunikation der Europäischen Zentralbank (EZB) eine wichtige Signalwirkung für die Märkte.

Allerdings leidet die Notenbank etwas unter einem Glaubwürdigkeitsproblem. Mehrmals musste sie in jüngerer Vergangenheit die Inflationsprognose nach oben korrigieren. Das sorgt für Verunsicherung und Ärger. Ihr klassisches Instrument, um die Teuerung zu bekämpfen, ist es, den Leitzins anzuheben. Dadurch werden Kredite teurer, was Investitionen von Unternehmen und den privaten Konsum bremst und die Konjunktur abschwächt. Aktuell steht der Leitzins bei 3,0 Prozent, vielen Annahmen zufolge soll er heuer bis auf vier Prozent steigen. Zu wenig, wenn es nach dem wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria geht.

Sieben Prozent

"Der Zinssatz im Euroraum müsste momentan schrittweise bis auf sieben Prozent erhöht werden, um die Inflation zu bremsen. Sonst verfestigt sich der Trend", sagt Agenda-Ökonom Marcell Göttert. Er begründet das mit einem Blick in die Vergangenheit und der stark steigenden Kerninflation, jener Teuerungsrate, bei der Preise für Energie und Lebensmittel ausgeklammert sind. In den 1970er-Jahren habe die Differenz zwischen Kerninflation und realem Leitzins 17 Prozentpunkte betragen, und erst nach acht Jahren sei die Schere wieder auf vier Prozentpunkte zusammengegangen.

Im Jänner 2022 betrug der Abstand der beiden Indikatoren vier Prozentpunkte, im Oktober waren es dann bereits elf. "Die Inflation ist erst in den Griff zu bekommen, wenn der Leitzins die Kerninflation übersteigt", sagt Göttert. Aktuell sei aber davon auszugehen, dass die Kerninflation weiter steigen werde. Im Euroraum lag die Kerninflation im Dezember bei 5,2 Prozent, in Österreich bei 7,6 Prozent. Aktuellere Zahlen gibt es nicht.

Agenda-Ökonom Göttert gibt der EZB Mitschuld an der Situation, die Notenbank habe verschlafen, die Zinsen rechtzeitig anzuheben. Ihr US-Pendant, die Fed, startete damit bekannterweise schon vergangenen März, in Frankfurt wurden erst im Sommer erste Schritte gesetzt.(Andreas Danzer, 15.2.2023)