Die verhaltene Konjunktur machte Lkw-Kapazitäten frei. Güterbahnen können gegen sinkende Dieselpreise kaum anfahren.

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Wien – Hohe Energiepreise und fast wieder auf Vorkrisenniveau notierende Dieselpreise stellen für die ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria (RCA) ein Spannungsfeld dar. "Der Dieselpreis lag im Jänner nur 20 Prozent über Vorjahresniveau", sagt der Sprecher des RCA-Vorstands, Clemens Först, "wenn da keine Hilfe kommt, werden wir spürbare Verlagerungen auf die Straße haben." An den transportierten Mengen im Jänner sehe man diese Tendenz bereits deutlich, warnt der RCA-Chef.

Hintergrund: Im Gegensatz zum Diesel verdoppelte sich der Preis für Traktionsenergie, also Bahnstrom, in Österreich im Jahresabstand. Das könne nur durch staatliche Hilfen abgefedert werden. Die Mechanismen dafür sind vorhanden: Entweder die Beihilfensätze für bestehende Güterverkehrsförderungen werden erhöht, oder das Infrastrukturbenutzungsentgelt (IBE), also die Schienenmaut, wird – wie in der Corona-Krise – wieder gesenkt. Im Moment lukriert RCA aus diesem Titel nur noch rund 20 Millionen Euro, die Maßnahme lief Mitte 2022 aus. Auf dem Höhepunkt der Pandemie waren es an die 70 Millionen Euro, mit denen das Ergebnis der alle paar Jahre unter dünner Eigenkapitaldecke leidenden RCA gestärkt wurde.

Eigenkapitalpolster

Aktuell sei die Eigenkapitalausstattung mit rund 30 Prozent wieder einigermaßen komfortabel, heißt es. Die RCA sei wieder "seitenwind-resistent", wie es der scheidende ÖBB-Holding-Finanzvorstand Arnold Schiefer formulierte. Das freilich war im Geschäftsjahr 2021, wie berichtet, nicht dem wiedererstarkten Geschäftsgang auf dem Gütermarkt geschuldet, sondern insbesondere zwei Umständen: Der Staat erließ Güterbahnen die Schienenmaut, was bei der RCA mit knapp 70 Millionen Euro zu Buche schlug. Buchgewinne (und 34 Millionen Euro Cash) brachte darüber hinaus der konzerninterne Verkauf von 26 Prozent an der für Traktion und Triebfahrzeuge zuständigen ÖBB-Produktion an die Konzernschwester ÖBB-Personenverkehr.

Ohne den Teilrückzug aus der Traktionstochter wäre der Einzelabschluss 2021 (UGB) der für Österreich-Geschäft und Koordination der internationalen Aktivitäten zuständigen RCA AG mit rund 30 Millionen Euro im Minus gewesen, rechnet ein mit der Materie bestens vertrauter Wirtschaftsprüfer vor.

Sorgenkind Ungarn

Rund läuft es auch bei der vor bald 15 Jahren erworbenen ungarischen Güterbahn RCH (ehemals MávCargo) noch nicht. Sie verursachte laut der Ende 2022 im Firmenbuch hinterlegten Bilanz 2021 erneut Wertberichtigungen (inklusive kursbedingter Finanzverluste und Gewerbesteuer) in der Höhe von 37,5 Millionen Euro und steht nunmehr mit 83 Millionen Euro in den Büchern – das ist weniger als ein Viertel des einstigen Kaufpreises. 2020 waren es noch 120,5 Millionen Euro. Inklusive der getätigten Investitionen in Höhe von 140 Millionen Euro belaufen sich die Abschreibungen in Ungarn bereits auf rund 450 Millionen Euro, räumte die ÖBB auf Nachfrage des STANDARD ein. Nach einem Verlust von 9,3 Millionen Euro es 2022 eine rote Null.

Ohne Stütze für den Schienengüterverkehr, mit dem die Republik Österreich den Umsatz um 102 Millionen Euro auf 1,888 Milliarden Euro aufpeppt, wäre es angesichts steigender Energiepreise wohl erneut eng geworden für die RCA.

Modal-Förderung als Staatsangelegenheit

Die steigenden Staatshilfen für kostenintensiven Einzelwagenverkehr und Rollende Landstraße verteidigt Först im STANDARD-Gespräch: "Über die Verladeförderung hat die Verkehrspolitik eines Landes einen Hebel, um den Modalanteil anzuheben. Denn die Beihilfe reduziert den Preis, den der Verlader zahlt."

Der Staat steuert also zum vergleichsweise hohen Schienenanteil im Gütertransport erheblich bei. Die Effekte dieses Investments sind freilich überschaubar. Der Modal Split erhöhte sich zuletzt nicht in Richtung der angepeilten Marke von 40 Prozent, sondern rangiert inzwischen wieder deutlich unter 30 Prozent Steigerungen für die Schienengüterförderung sind bereits eingebucht: Heuer sind im Budget 173,4 Millionen Euro reserviert, 2022 wurden laut Verkehrsministerium 140 von 160 Millionen Euro abgerufen.

Hohe Personalkosten

Nicht zu vergessen: Einen schwer verdaulichen Brocken stellt für RCA in Österreich die Kollektivvertragserhöhung der Eisenbahner dar. Auf 40 Millionen Euro belaufen sich KV-Erhöhung und Teuerungsprämie für die rund 1500 Beschäftigten in Österreich (international sind es mehr als 5000). Der Personalstand wurde 2021 auch noch aufgestockt: 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wanderten von der Traktionstochter ÖBB-Produktion hinauf zur Mutter.

Deren Aufgabe: Planung und Steuerung der Transportketten. "Wir haben nicht vor, in der RCA eine eigene Produktion/Traktion aufzubauen.", wehrt RCA-Chef Först Befürchtungen ab, die RCA baue sich neben der gemeinsamen mit dem Personenverkehr eine eigene Traktion auf. "Die 150 Mitarbeiter werden Produktion und Steuerung im internationalen Verkehr optimieren. Die ÖBB-Produktion ist ja nur für Traktionsleistungen Österreich zuständig."

Bahnstrom-Teuerungshilfe

Offen ist, wie hoch die bis zu 100 Millionen Euro an Stütze für Traktionsenergie ausfällt, grünes Licht der EU steht noch aus. Als unwahrscheinlich gilt inzwischen eine Preisbremse. Eher dürfte die Schienenmaut abgesenkt werden. Das hilft allen Güterbahnen, nicht nur der staatlichen Güterbahn RCA. (Luise Ungerboeck, 16.2.2023)