Bild nicht mehr verfügbar.

Woran liegt es, dass vor allem Frauen Teilzeit arbeiten

Foto: Getty

In wenigen Fragen sind sich die Vertretungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern so einig, wie bei der Kinderbetreuung. Diese gehört schnell und effizient ausgebaut, sagen ÖGB, Arbeiterkammer ebenso wie Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer. Mehr Kindergartenplätze bedeuten im Regelfall, dass mehr Frauen für die Erwerbsarbeit zur Verfügung stehen, so die einleuchtende Idee.

Straßenumfrage: Der Vorstoß Martin Kochers Teilzeitarbeitenden eventuell Sozialleistungen kürzen zu wollen, sorgt seit Montag für Gesprächsstoff. Wir haben uns im dritten Wiener Bezirk umgehört
DER STANDARD

Doch aus der Wissenschaft gibt es dagegen Bedenken. Eine Gruppe von Wissenschaftern rund um den Ökonomen Josef Zweimüller von der Universität Zürich hat vor etwas mehr als zwei Jahren eine große Studie zu den Effekten des Ausbaus der Kindergarten- und Kinderkrippenplätze in Österreich vorgelegt. Ergebnis: Zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes liegt das Erwerbseinkommen von Frauen in Österreich im Schnitt um 51 Prozent unter dem Wert im Jahr vor der Geburt. Ob die Mütter in Gemeinden leben, in denen Kindergartenplätze stark ausgebaut wurden oder nicht, macht kaum einen Unterschied, so die Studie. Eine Interpretation dieser Ergebnisse lautet: Kindergärten allein helfen Frauen nicht dabei, Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bringen.

Auch die Lohnschere zwischen Männern und Frauen reduziert sich durch mehr Betreuung nicht. Grundlage der Berechnung sind Zahlen seit den 1970er-Jahren dazu, wie viele Kinder in österreichischen Gemeinden leben und wie viele Kinderbetreuungsplätze es in Relation dazu gibt. Wobei nicht nur die Zahl der Plätze in die Analyse einbezogen wurde, sondern auch die Öffnungszeiten.

In Gemeinden, in denen es deutlich mehr Plätze mit längeren Öffnungszeiten gibt, war der Gehaltsverlust der Mütter nicht niedriger als in Gemeinden, wo Betreuungsangebote nicht erweitert wurden. Interpretation des Studienautors Zweimüller damals: "Es wäre naiv, zu glauben, dass man die Jobsituation von Frauen allein mit Familienpolitik, etwa mehr Kinderbetreuung, verbessern kann." Um tatsächlich für Gleichstellung zu sorgen, müssten sich die "Normen" in Köpfen ändern, Männer müssten einen größeren Anteil an Kinderbetreuung übernehmen, um Mütter umfassend zu entlasten, sagt Zweimüller.

Traditionelles Familienbild

Dass viele Frauen angeben, freiwillig weniger oder gar keiner Erwerbsarbeit nachzugehen, könnte auch diesen Normen geschuldet sein. Der kürzlich veröffentlichte Bericht "Familie in Zahlen" des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF) fragte nach den Motiven, warum Mütter ganz zu Hause bleiben. "Freiwillig", lautet hier der häufigste angegebene Grund der Mütter. Laut der vom Bundeskanzleramt Frauen und Familie geförderte Studie gaben sogar 79 Prozent der nicht-berufstätigen Frauen an, ihr Kind im ersten Lebensjahr selbst betreuen zu wollen. Nur 4,3 Prozent nennen als Motiv, dass das Angebot zu teuer wäre und lediglich 2,9 Prozent sagen, dass es kein passendes Kinderbetreuungsangebot für sie gibt.

Allerdings machen Expertinnen darauf aufmerksam, dies könne nicht losgelöst von gesellschaftlichen Erwartungen betrachtet werden. In Österreich herrsche noch immer ein vergleichsweise traditionelles Familienbild, sagt Isabella Buber-Ennser vom Institut für Demografie der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Außerhäusliche Betreuung werde nicht als positiv in dem Sinne gewertet, dass ein Kind so mehr Kontakte mit Gleichaltrigen hätte. Zudem sei das Bild der "Rabenmutter" noch immer weit verbreitet.

Katharina Mader von der Frauenabteilung der Arbeiterkammer (AK) Wien setzt der ÖIF-Studie die Erhebungen des Mikrozensus der Statistik Austria gegenüber. Diese zeugen von anderen Motiven als Freiwilligkeit: Im Jahr 2021 gaben 38,4 Prozent der teilzeitarbeitenden Mütter an, dass die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen der Grund für ihre Teilzeitbeschäftigung ist. Bei Männern sind es nur 6,8 Prozent. Dass sie sich gar keine Vollzeittätigkeit wünschen, geben 27,3 Prozent der Frauen an, ein Motiv, das bei Männern mit 28,5 Prozent noch stärker ist.

Angebot und Nachfrage

Freiwilligkeit könnte man nicht quantifizieren, sagt Mader. "Es gibt einen enormen Druck für Mütter, dass Kinder nicht zu lange in Fremdbetreuung sein sollten", sagt Mader gegenüber dem STANDARD. Keine Mutter wolle, dass ihr Kind etwa um 15 Uhr als Letztes abgeholt wird. Es sei auch ein Irrglaube, dass bei den Kinderbetreuungsplätzen die Nachfrage das Angebot regle, sagt die Ökonomin.

Sie sieht im Gegensatz zu Josef Zweimüller im Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen sehr wohl ein wichtiges gleichstellungspolitisches Instrument: "Mütter versuchen, es irgendwie selbst hinzubekommen – doch wenn das Angebot dann da ist, sind alle überrascht, wie schnell die Plätze weg sind." Erst die zur Verfügung stehenden Plätze würden sichtbar werden, wie wenig Freiwilligkeit dahintersteckt, sagt Katharina Mader. (Beate Hausbichler, András Szigetvari, 16.2.2023)