Ein Mann bewacht die Stelle, an der im August der damalige Al-Kaida-Chef Ayman al-Zawahiri bei einem US-Angriff getötet worden war.

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Dubai – Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass der Ägypter Seif al-Adel der neue Chef des Extremisten-Netzwerks Al-Kaida ist. "In den Gesprächen im November und Dezember vertraten viele Mitgliedsstaaten die Auffassung, dass Seif al-Adel bereits als faktischer und unangefochtener Anführer der Gruppe agiert", heißt es in einem UN-Bericht. Adel war Mitglied ägyptischer Spezialkräfte, auf ihn ist ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar ausgesetzt.

Sein Kampfname lautet "Schwert der Gerechtigkeit", er zählt noch zur alten Al-Kaida-Garde. Allerdings hatte noch im Jänner ein Vertreter des US-Geheimdienstes erklärt, die Nachfolge des vergangenen August bei einem US-Drohnen-Angriff in Kabul getöteten Al-Kaida-Chefs Ayman al-Zawahiri sei unklar.

Beteiligung bei Anschlägen auf US-Botschaften

Experten gehen davon aus, dass der Druck auf Al-Kaida gestiegen war, einen strategischen Anführer auszuwählen, der Anschläge planen und das Netzwerk leiten kann. Nach ihren Angaben agierte Adel mehr als andere führende Al-Kaida-Mitglieder im Verborgenen. Während die früheren Al-Kaida-Chefs sich mit Ansprachen und Drohungen gegen die USA an die Öffentlichkeit wandten, habe sich der Ägypter bei der Planung von Anschlägen im Hintergrund profiliert.

Ein US-Gericht legte ihm 1998 zur Last, an den Anschlägen auf US-Botschaften in Tansania und Kenia beteiligt gewesen zu sein. Damals starben 224 Zivilisten, über 5.000 Menschen wurden verletzt. Auch bei dem Mord am US-Journalisten Daniel Paerl 2002 in Pakistan soll er eine Rolle gespielt haben. Früheste Hinweise auf die Hinwendung zum Extremismus datieren von 1981. Damals wurde Adel verdächtigt, Teil des Mordkomplotts gegen den ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat gewesen zu sein. Das US-Außenministerium geht davon aus, dass er derzeit im Südosten Irans lebt und unter dem Schutz der Revolutionsgarden steht.

Verächtlich, brutal – aber mit freundlichen Ratschlägen

Der ehemalige FBI-Ermittler Ali Soufan, der an der Fahndung nach Al-Kaida-Aktivisten beteiligt war, beschreibt Al-Adel als gewiefte Persönlichkeit und Pokerface. "Sein Temperament ist berüchtigt. Mit seiner scharfen Zunge droht er jedem, der ihm missfällt, Gewalt an. Er ist dafür bekannt, dass er Illoyalität sofort mit rücksichtsloser Gewalt bestraft", schrieb Soufan in einem Persönlichkeitsprofil für das Combating Terrorism Center. Bei Untergebenen könne er verächtlich und sogar brutal werden. Andererseits sei er auch für freundliche Ratschläge bekannt. Der Fachmann am Institut für nationale Sicherheitsstudien der Universität Tel Aviv, Yoram Schweitzer, urteilte: "Er ist eine sehr mutige, professionelle und kaltblütige Persönlichkeit."

Experten gehen davon aus, dass Adel seit Jahrzehnten zum innersten Al-Kaida-Kreis gehört. Sie vermuten, dass er die Aufgabe übernehmen muss, die Al-Kaida-Zellen im Nahen Osten, Afrika und Asien strategisch zu führen. Es gibt aber auch Zweifel, ob Adel diesen Aufgaben gewachsen ist. "Viele Insider sind der Meinung, dass er in der Vergangenheit eine wichtige operative Rolle gespielt hat, dass er aber nicht für eine Führungsrolle geeignet ist", sagte der Experte der International Crisis Group, Jerome Drevon. "Seine Fähigkeiten eignen sich eher für die Planung bewaffneter Einsätze als für die Verwaltung eines großen Netzwerks." (APA, 15.2.2023)