Bierschaum ist eine sensible Angelegenheit. Manche von uns bevorzugen eine große Haube aus Schaum auf ihrem Bier, andere halten ihn für lästiges Beiwerk und lassen ihn absitzen. Der Reiz der kühlen, weißen Substanz, die beim ersten Antrunk an der Nasenspitze klebenbleibt, ist schwer zu fassen. Unbestritten ist ihre praktische Funktion: Schaum verringert das Risiko eines Überschwappens, wie Forschungen bestätigen konnten. Doch der Schaum hilft auch, das Bier vor weiterem CO2-Verlust an der Oberfläche zu schützen, was entscheidend für den frischen Geschmack ist.

Der Schaum entsteht in der Regel, wie beim Champagner, durch ein Übermaß an in der Flüssigkeit gelösten CO2. Sinkt der Druck, etwa beim Öffnen einer Flasche, kann das Bier das gelöste Gas nicht mehr halten. Es kommt zur "Übersättigung" und das CO2 geht in die Gasphase über.

Doch abgesehen von diesen einfachen Mechanismen gibt es eine Reihe von Spitzfindigkeiten, die großen Einfluss auf den Schaum haben. Das beginnt damit, dass auch mit CO2 übersättigtes Bier nicht spontan Gasbläschen formt. Es braucht dazu Unregelmäßigkeiten, etwa winzige Verunreinigungen oder Unebenheiten im Glas.

Ist Bier warm, entwickelt es mehr Schaum – das ist eines der Ergebnisse der neuen Studie.
Foto: imago images/Winfried Rothermel

Wie stabil Schaum ist, hängt überdies stark von der Chemie des Biers ab, etwa vom Anteil an Proteinen, Metallionen, Glykoproteinen, den gesunden, in Gerste enthaltenen Beta-Glucanen und Hopfenbitterstoffen, sogenannten Isohumulonen. 2003 zeigte eine Studie, dass besonders die Art des Malzes entscheidend ist. Bis zu 20 Prozent der Schaumstabilität werden allein durch das Malz bestimmt, und zwar zum Teil von Eigenschaften, die normalerweise im Zuge der Qualitätskontrolle von Malz nicht untersucht werden. Eine Größe, die sehr wohl Aufschluss über die Schaumstabilität gibt, ist die sogenannte Kolbachzahl, die angibt, wie groß der Anteil der löslichen Proteine im Malz ist. Eine hohe Kolbachzahl reduziert die Schaumstabilität. Ist diese niedrig und sind außerdem bestimmte Proteine vorhanden, wird der Schaum stabiler.

Die Chemie des Bieres ist also bedeutsam. Doch die eigentliche Schaumbildung ist ein physikalischer Effekt. Nun hat sich ein Forschungsteam unter Leitung von Wenjing Lyu von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg dem Phänomen mit einer Mischung aus Computersimulationen und Experimenten angenähert und die verschiedenen Phasen der Schaumentstehung unter die Lupe genommen. Die Erkenntnisse daraus wurden im Fachjournal "Physics of Fluids" publiziert.

Simulationsumgebung für mehrere Flüssigkeiten

"Die Simulation von Bierschaum ist eine komplexe Aufgabe, die die Modellierung der physikalischen und chemischen Wechselwirkungen beinhaltet, die während des Prozesses auftreten, darunter Fluiddynamik, Wärme- und Materialübertragung und chemische Reaktionen", sagt Lyu. Es gab in der Vergangenheit bereits Untersuchungen von Bierschaum mit Computermethoden, doch aufgrund nichtlinearer Effekte sei die Behandlung schwierig und das Gebiet stehe noch ganz am Anfang, wie das Team betont. Um die komplexen Phänomene im Schaum numerisch zu simulieren, nutzte man eine Simulationssoftware zur Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen. Dabei handelt es sich die gängigen Strömungsgleichungen zur Simulation von viskosen Flüssigkeiten, etwa Öl in Pipelines. Diese spezielle Simulationsumgebung war in der Lage, mehrere verschiedene Flüssigkeiten und einen Massenaustausch zwischen ihnen zu betrachten. So untersuchte man die ganze Palette an Phänomenen rund um das kurze Leben des Bierschaums, von dessen Form und Stabilität bis hin zum Verhältnis von Schaum und Bier – alles in Abhängigkeit von Druck und Temperatur des Bieres.

Konkret betrachtete das Team um Lyu Weißbier in einem Zapfsystem, bei dem das Bier von unten über ein Ventil ins Glas gepumpt wird. Die untersuchten Temperaturen waren fünf, zehn und 15 Grad Celsius. Dazu kamen drei unterschiedliche Drücke.

Die Forschenden betrachteten Bierschaum theoretisch und experimentell. Schaum entsteht nur ganz zu Beginn.
Foto: Tizian Bauer and Wenjing Lyu

Dabei zeigte sich, dass die Schaumqualität bei fünf Grad Celsius am geringsten ist. Sowohl die Stabilität, als auch die Menge sind bei der niedrigsten Temperatur gering. Generell führen höhere Temperatur und höherer Druck zu mehr Schaum. Müssen also alle, die ihr Bier gern kühl haben, mit schlechtem Schaum leben? Die Antwort ist: Nein. Der Zusammenhang gilt nämlich nicht die Schaumqualität. Sie ist bei geringerem Druck besser, wenn die Temperatur niedrig ist. Nur für hohen Druck von 1,5 bar steigt die Schaumqualität mit der Temperatur, wer mit niedrigerem Druck zapft, hat bei tieferen Temperaturen besseren Schaum.

Gleichmäßige Bläschengröße bringt Stabilität

Verantwortlich dafür ist ein Effekt, der davon abhängt, wie gleichmäßig die Größe der Bläschen ist. Sind sie unterschiedlich groß, so füllen kleine Bläschen die Zwischenräume zwischen den größeren. Dabei tritt ein physikalischer Mechanismus auf, der dafür sorgt, dass die kleineren Bläschen durch Diffusion nach und nach Gas an die größeren verlieren, wodurch sich der Schaum schneller auflöst. Bei niedrigeren Temperaturen entstehen eher gleichmäßig große Blasen, die den Effekt vermeiden und dadurch länger halten. Jedenfalls ist die Bläschengröße entscheidend für die Schaumstabilität, berichten die Forschenden Das ist eines der Hauptergebnisse der Studie. Als Regel gilt, vereinfacht gesagt: Wer bei Drücken von 0,5 bis 1 bar Bier zapft, tut gut daran, auf gekühltes Bier im Bereich von zehn Grad Celsius zu setzen.

In seiner Arbeit betont das Team, wie wichtig Schaum ist: "Der Bierschaum, vor allem seine Stabilität, ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal eines Bieres", heißt es dazu in der Studie.

"Durch die genaue Simulation des Schäumungsprozesses kann unser Modell dazu beitragen, die Qualität des Endprodukts zu verbessern, die Kosten zu senken und die Produktivität zu steigern", freut sich Lyu. Ob ein gutes Bier viel oder wenig Schaum haben soll, wird allerdings weiterhin eine Frage des Geschmacks bleiben. (Reinhard Kleindl, 17.2.2023)