Für Fotoshootings unter Wasser ist es von Vorteil, lange die Luft anhalten zu können.
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Kate Winslet scheint im Wasser zu brillieren: Die 47-jährige Schauspielerin, die schon beim "Titanic"-Dreh vor mehr als 25 Jahren Unterwasserszenen bestritt, stellte für "Avatar 2" einen neuen – wenn auch inoffiziellen – Filmsetrekord auf. Beim Luftanhalten unter Wasser kam sie auf beeindruckende sieben Minuten und 15 Sekunden – mehr als die sechs Minuten des Kollegen Tom Cruise bei "Mission Impossible: Rogue Nation", die übrigens auch Sigourney Weaver schaffte.

Kate Winslet als Ronal (links) in "Avatar 2 – The Way of Water".
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Das beeindruckte auch den Regisseur und selbsternannten "Wissenschaftsgroupie" James Cameron, der seit 15 Jahren Freitaucher, aber nicht zu einem ähnlich langen Unterwasserbleiben in der Lage ist. Drei oder vier Minuten ohne Sauerstoffzufuhr gelten bereits als lang. Der Weltrekord ohne Hilfsmittel, den die internationale Apnoe-Tauchvereinigung Aida bestätigt hat, liegt für Männer bei mehr als elf Minuten, für Frauen bei rund neun Minuten. Wie war es Winslet möglich, ohne jahrelanges Training auf mehr als sieben Minuten zu kommen?

Es lag wohl an einer Extraportion Sauerstoff – das vermutet der Wissenschafter Anthony Bain von der University of Windsor in Kanada in einem aktuellen Beitrag auf "The Conversation". Er arbeitete eng mit dem kroatischen Taucher Budimir Šobat zusammen, der nach dem Einatmen von Luft mit hundertprozentigem Sauerstoffgehalt den Guinness-Weltrekord von fast 25 Minuten unter der Wasseroberfläche aufstellte. Die Luft, die wir natürlicherweise einatmen, besteht nur zu 21 Prozent aus Sauerstoff und zu 78 Prozent aus Stickstoff.

Atemnot durchgetaucht

"Wahrscheinlich hyperventilierte Winslet auch während der Zufuhr des 100-prozentigen Sauerstoffs, also atmete schneller und tiefer als normal", schreibt Bain. Hyperventilieren bei "normaler" Luftzufuhr könne vor dem Abtauchen hingegen gefährlich sein und zu einer Ohnmacht unter Wasser führen, der in der Freitauchsprache "Blackout" genannt wird.

Beim Freediving in die Tiefe kann ein Seil helfen, schnell und sicher wieder an die Oberfläche zu kommen.
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Eine andere und ebenfalls gefährliche Technik, um sich ohne Sauerstoff-Extra vorzubereiten, ist das sogenannte Lungenpacken. Bei dieser Schluckmethode, die an die Mundbewegungen eines Karpfens erinnert, kann zusätzlich Luft in die Lunge gedrückt werden – sogar ein Drittel mehr als sonst. Es besteht allerdings das Risiko, die Lunge zu überdehnen, weswegen viele erfahrene Taucherinnen und Taucher davon abraten. In Wettkämpfen ist das "Packen" aber durchaus üblich.

Weshalb zusätzlicher Sauerstoff beim Luftanhalten hilft, ist klar: Die Konzentration im Blut wird immer geringer, je länger man die Luft anhält. Gleichzeitig steigt der Gehalt an Kohlenstoffdioxid (CO2). Das Niveau der beiden Stoffe wird im Körper durch Sensoren gemessen. Gerät es aus dem nötigen Gleichgewicht, weil der Atem angehalten wird, spürt man bald den Drang, Luft zu holen – bei vielen Menschen tritt dies nach etwa 30 Sekunden ein.

"Bin ich tot?"

Erst, wenn man besonders motiviert ist und länger durchhält, schlägt das Zwerchfell Alarm. Es zieht sich zusammen, unangenehm wie Seitenstechen oder ein immer heftiger werdender Schluckauf. Diese Kontraktionen drängen zum Einatmen. Der Puls sinkt, der Körper schränkt die Blutzirkulation zu den Extremitäten ein, weshalb es übrigens auch schwierig ist, den Sauerstoffgehalt des Blutes bei Tauchenden in den Fingerspitzen zu messen.

Hier lässt sich auch ein Grund erklären, warum Hyperventilieren gefährlich ist: Dabei wird CO2 abgeatmet, wodurch die Kontraktionen hinausgezögert werden, allerdings auch die positiven Effekte wie der sinkende Puls. Damit steigt die Gefahr eines Blackouts.

Auch ohne Hyperventilieren kommt man irgendwann an einen Punkt, an dem sich alles leicht anfühlt. Dann ist es höchste Zeit, ans Auftauchen zu denken. Nimmt man an einem offiziellen Wettbewerb teil und kehrt zurück an die Wasseroberfläche, ist übrigens laut und vernehmlich "I'm okay" zu artikulieren, sonst ist der Versuch ungültig. Kate Winslet fragte hingegen nach dem ersten Luftschnappen: "Bin ich tot?"

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Hilfreicher Tauchreflex

Auch die ehemalige Synchronschwimmerin Nadine Brandl sagte, man müsse quasi den Überlebensinstinkt bekämpfen. Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass es auch Körperfunktionen gibt, die uns beim Luftanhalten helfen. Namentlich: der Tauchreflex. Er ist bei Neugeborenen stark ausgeprägt, die Zeit im Fruchtwasser liegt noch nicht allzu weit in der Vergangenheit. Sie sind quasi "wasserdicht" und können tauchen, ohne bewusst die Luft anhalten zu müssen. Die Atmung stoppt automatisch, der Puls geht auf etwa 30 Herzschläge pro Minute zurück, und das Blut konzentriert sich in der Körpermitte.

Was den Tauchreflex provoziert, ist noch nicht ausreichend erforscht – die Kühle des Wassers im Gesicht scheint einer der Auslöser zu sein. Und wenige Wochen bis Monate nach der Geburt verlieren Säuglinge ihn auch – zumindest entwickelt er sich stark zurück. Doch wenn man für das Apnoe- oder Freitauchen übt, kann man ihn sich gewissermaßen wieder antrainieren. Ansonsten sind Ruhe und die richtige Atemtechnik entscheidend.

Österreichischer Rekord

Die höchsten Rekorde fahren Taucherinnen und Taucher in der Disziplin Statik ein, bei der nicht der ganze Körper, sondern vor allem das Gesicht unter der Wasseroberfläche sein muss. Bewegungsintensiver ist hingegen die Dynamik, bei der es insbesondere auf die zurückgelegte Streckenlänge ankommt, und das Tieftauchen, das in Österreich geografisch ein schwierigeres Unterfangen ist als in Länder am Meer.

Manche Freediver wagen sich in Finnland unter die Eisdecken gefrorener Seen – ein riskanter Wettbewerb.
Foto: Olivier Morin / APA / AFP

Nichtsdestoweniger führt hier ein Österreicher die Rangliste an: Herbert Nitsch blieb beim Abtauchen mit nur einem Atemzug länger als neun Minuten unter Wasser. Beinahe wäre er dem "Rausch der Tiefe" erlegen, bei einem Rekordtauchgang auf 253 Meter erlitt er mehrere Hirnschläge. Wen es nach unten zieht, der muss auch stets den Weg zurück an die Oberfläche im Kopf haben. Tauchbegleitung gehört dazu.

Apnoisch seit der Steinzeit

Wer sich am Apnoetauchen versucht, taucht je nach Gegebenheiten meist aber nicht tiefer als zehn bis 15 Meter, später auch gerne einmal 30 Meter. Eine weitere Herausforderung ist dabei der Druckausgleich, der geübt werden muss. Und das eine oder andere Hilfsmittel kann die zurückgelegte Strecke verlängern – Schwimmflossen etwa, die entweder einzeln oder als große Monoflosse für schnellen Antrieb sorgen. Auch sich an einem Seil selbst in die Tiefe zu ziehen ist eine Wettkampfdisziplin, die unter dem Namen "Free Immersion" läuft.

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Zwei Taucherinnen – Haenyeo – bereiten sich an der Küste bei Seogwipo (Südkorea) auf einen Tauchgang vor.
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Als Kulturpraxis reicht das Freitauchen bis in die Steinzeit zurück. Noch heute sind etwa die koreanischen Haenyeo als "Seefrauen" bekannt, die Seegras und Meeresfrüchte ernten. Weltweit gibt es Spezialistinnen und Spezialisten, die ohne Luftreserven unter Wasser nach Perlen und Muscheln suchen, mit Speeren fischen – oder das Apnoetauchen als Sport oder Kunstform betreiben.

Die Profi-Freitaucherin Julie Gautier produziert spektakuläre Videos wie dieses und hat sich als Produzentin von Werbefilmen einen Namen gemacht.
Guillaume Néry

Ungeübt auf 14 Minuten

Für den "Avatar 2"-Film trainierten die Schauspielerinnen und Schauspieler nach eigenen Angaben über etwa ein Jahr Tauchen und Schwimmen, das Luftanhalten unter Wasser wurde über mehrere Wochen intensiv geübt. Mit Sauerstoffflasche wäre es höchst schwierig gewesen, die Unterwasseraufnahmen zu drehen. Immerhin mussten alle Motion-Capture-Anzüge tragen, durch die sie am Computer glaubhaft in die fremde humanoide Spezies verwandelt wurden.

Die zusätzliche Sauerstoffversorgung dürfte dabei wesentlich geholfen haben. Wie Atemforscher Bain ausführt, wurden schon 1959 wissenschaftliche Tests an Probanden vorgenommen, die hundertprozentigen Sauerstoff hyperventilierten. Während sie zuvor für drei bis achteinhalb Minuten lang die Luft anhalten konnten, verlängerte sich diese Zeitspanne auf sechs bis 14 Minuten.

Nichtsdestoweniger ist Winslets apnoische Leistung von sieben Minuten sehr beachtlich. Wohl könnte ihre stimmliche Erfahrung als Schauspielerin beim Tauchen geholfen haben: Stimmkontrolle und Gesang hängen stark mit der richtigen Atemtechnik zusammen und wirken sich positiv auf das Lungenvolumen aus, aber auch auf die Entspannungsfähigkeit, die beim statischen Luftanhalten unter Wasser viel wert ist. (Julia Sica, Reinhard Kleindl, 18.2.2023)