Der Streamingmarkt wächst auch in den nächsten Jahren, prophezeien Fachleute.

Foto: Wendy Seltzer

Videostreaming ist ein Klimakiller – das zumindest ist die pauschale Reduktion von Analysen zum Energieverbrauch bei Video- und Audioübertragungen via Internet. Völlig falsch ist das natürlich nicht, die digitale Welt kommt uns nicht billig. Dass ihr Energiehunger, umgelegt in CO2-Emissionen, im Bereich des Flugverkehrs rangiert, ist dagegen Humbug. Letztlich lässt sich der gesamte ökologische Fußabdruck des IT-Sektors kaum wirklich exakt bestimmen, zu viele Faktoren spielen dabei eine Rolle.

Aber man kann sich Beispielszenarios grob ausrechnen, was auch Forschende vom Berliner Borderstep-Institut getan haben: Ihren Kalkulationen zufolge verbraucht eine Stunde Videostreaming je nach Endgerät und Datenübertragungsart in Full-HD-Auflösung zwischen 220 und 370 Wattstunden elektrische Energie. Dabei entstehen umgerechnet 100 bis 175 Gramm Kohlendioxid-Äquivalent. Zum Vergleich: Verfährt man einen Liter Benzin, setzt man 2.370 Gramm CO2- Äquivalent frei.

Steigende Emissionskurve

Für "Streamshaming" ist es also noch etwas zu früh, in Summe wird der digitale Anteil am globalen Treibhausgasausstoß mit 2,5 bis vier Prozent noch vergleichsweise gering eingeschätzt, ein Viertel davon entfällt auf Videostreaming. Aber das wird sich ändern, die CO2-Emissionskurve des IT-Sektors weist steil nach oben. Bis 2025 könnten bereits acht Prozent der Treibhausgasemissionen auf das Konto der digitalen Technologien gehen.

Das zeigt auch die Entwicklung in Österreich: Der Internetmonitor der Telekomregulierungsbehörde RTR registrierte hierzulande 2022 Datenverkehr (Festnetz und mobiles Breitband) im Volumen von etwa 9.200 Petabyte (das entspricht fast 9,5 Millionen Ein-Terabyte-Festplatten), allein in mobilen Netzen kam es zu einer Steigerung von zwölf Prozent.

Es gibt also gute Gründe, nach Möglichkeiten zu suchen, um den Energieverbrauch des digitalen Kosmos etwas herunterzuschrauben. Ein praktikabler Weg wäre, das Bewusstsein für die Problematik in der Bevölkerung zu schärfen – wie das gelingen könnte, hat nun eine Studie der Universität Würzburg dargelegt.

Information hilft

Das Forschungsteam um Benedikt Seger hat über einen Zeitraum von sieben Wochen hinweg untersucht, welche Faktoren Menschen zu klimafreundlicherem Konsum von Internetvideos animieren könnten. Zum Einsatz kamen dabei drei unterschiedliche Varianten: Einer Gruppe von 92 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden Informationsvideos zur Klimabilanz von Streaming gezeigt. Außerdem erfuhren sie, wie man diese Bilanz verbessern kann, etwa durch die Wahl des Bildschirms, der Auflösung oder durch das Abschalten der Autoplay-Funktion.

In einem zweiten Schritt haben die Forschenden einigen dieser vorinformierten Probandinnen und Probanden ein CO2-Reduktionsziel von 20 Prozent vorgegeben. Im dritten Schritt erhielt wiederum ein Teil der Studienteilnehmenden ein zusätzliches wöchentliches Feedback über die eigene CO2-Bilanz beim Streamen und darüber, ob sie das vereinbarte Ziel erreicht hatten.

Die Ergebnisse unterstrichen den Nutzen von Informationen zur Klimabilanz von Streaming: Bereits die Informationsvermittlung am Ende der ersten Woche habe zu einem Rückgang des CO2-Verbrauchs in den folgenden Wochen um bis zu 30 Prozent geführt, berichtete das Team im "Journal of Consumer Policy". Die beiden anderen Ansätze – die Vorgabe eines 20-Prozent-Reduktionsziels und das wöchentliche Feedback – zeigten dagegen keine zusätzliche Wirkung.

Dauer und Auflösung herabgesetzt

Verantwortlich für den 30-Prozent-Rückgang waren vor allem eine verringerte Streaming-Dauer und die Wahl einer niedrigeren Auflösungen. "Daraus schließen wir, dass Personen die Klimabilanz ihrer digitalen Aktivitäten verbessern können, wenn sie entsprechendes Problem- und Handlungswissen vermittelt bekommen", sagte Seger. Ähnliche Resultate lieferte eine Studie im Vorjahr, wonach bei Hinweisen auf Speisekarten zum CO2-Fußabdruck der jeweiligen Menüs die klimafreundlicheren Alternativen häufiger gewählt wurden.

Seger und seine Gruppe sehen allerdings die Verantwortung nicht nur bei den Nutzerinnen und Nutzern. Auch die Plattformanbieter könnten schon allein dadurch einen Beitrag zum Energiesparen leisten, indem sie gleichsam klimafreundliche Standardeinstellungen festlegen. Einen Effekt hätte es zum Beispiel, wenn man für eine höhere Darstellungsqualität selbst aktiv etwas umstellen müsste. "Noch wirksamer wäre freilich die Umrüstung der Rechenzentren auf erneuerbare Energien", erklärte Seger. Dafür müssten allerdings lokale, nationale und internationale Entscheidungsgremien günstige Rahmenbedingungen setzen. (tberg, red, 16.2.2023)