Berlin im November 2016: Barack Obama verabschiedet sich von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel mit zwei Küsschen und setzt sich ins Auto – doch plötzlich steigt der scheidende US-Präsident noch einmal aus, reicht einem Diplomaten die Hand: "Tschüss, Christoph!" Erst dann darf der Konvoi losfahren.

Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz.
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Der mit präsidialem Handschlag Bedachte war von 2005 bis 2017 Merkels außenpolitischer Berater: Christoph Heusgen, seit 2022 Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, die dieses Wochenende nach Corona wieder im Präsenzmodus stattfindet. Mit seiner Geste bewies Obama nicht bloß gute Manieren, er machte auch klar, dass Heusgen nicht irgendein Diplomat ist, sondern einer, der maßgeblich die deutsche Außenpolitik mitgestaltet hat.

Der heute 62-jährige Düsseldorfer trat 1980 in den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ein – als Qualifikation brachte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in St. Gallen und Statesboro mit, außerdem auch postgraduale Abschlüsse, u. a. an der Sorbonne.

Rasch machte er Karriere: Chicago, Paris, zwischendurch Bonn. Im Kabinett von Außenminister Klaus Kinkel (FDP) war er ebenso zu Hause wie in seiner eigentlichen Heimat, der CDU. Heusgen, der mit einer Juristin verheiratet ist und vier Kinder hat, vertrat 2017 bis 2021 Deutschland als Botschafter bei der Uno, zweimal war er turnusgemäß Vorsitzender im Sicherheitsrat. Dieser habe viele Mängel – Stichwort: die Veto-Politik Russlands und Chinas. Dennoch bleibe er eines der wichtigsten Gremien der Diplomatie, sagt er.

"Putin ein Kriegsverbrecher"

Als Chef der Münchner Sicherheitskonferenz nimmt sich Heusgen kein Blatt vor den Mund: Mit Russlands Präsident Wladimir Putin werde man sich nie wieder an einen Tisch setzen können, er sei ein Kriegsverbrecher – und seine Unterschrift nicht das Papier wert, auf dem sie stehe. Und ja: Deutschland und der ganze Westen hätten Putin trotz zahlreicher Warnsignale jahrelang falsch eingeschätzt. Die – oft sehr profitable – Formel "Wandel durch Handel" habe nicht zum Ziel geführt.

Für die Zukunft gibt sich der Deutsche aber nicht rundweg pessimistisch: Die Beziehungen zu Moskau seien reparabel – aber erst nach einer "Deputinisierung". Assoziationen zur "Denazifizierung" Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg sind von Heusgen durchaus gewollt.

Kritisch sieht der Deutsche Österreichs Außenpolitik zum Ukraine-Krieg: "Ich sehe nicht, wie man in solchen Konflikten neutral sein kann", sagte er vor wenigen Tagen in Berlin. (Gianluca Wallisch, 17.2.2023)