"The Last of Us" ist aktuell eine der erfolgreichsten Serien. Das Basismaterial stammt aus einem Videospiel.

Foto: HBO

Ein Nerd zu sein war auch schon einmal leichter. Vor allem in den letzten Wochen war es fast unangenehm laut um eine meiner Lieblings-Videospielserien. "Ich schau jetzt diese Zombie-Serie", erzählt mir kürzlich ein wenig Games-affiner Verwandter. Ähnlich verhält es sich in meiner Twitter-Timeline, wo sich Freunde und Arbeitskolleginnen überraschend als Fans ebendieser im Jänner gestarteten Dramaserie outen. Gemeint ist "The Last of Us", ein düsteres Spektakel, das auf einer erfolgreichen Videospielserie basiert und für die TV-Umsetzung Szenen teils eins zu eins aus dem Spiel übernommen hat.

Der durchschlagende Erfolg hat den Streaming-Anbieter Sky bereits eine zweite Staffel ankündigen lassen, ebenfalls fortgesetzt werden "Halo" und "Arcane: League of Legends", die in den Vorjahren für Schlagzeilen gesorgt haben und ebenfalls auf bekannten Computer- und Videospielserien basieren. Das überrascht den geneigten Beobachter, schließlich gibt es Videospielumsetzungen fürs Kino oder Fernsehen doch schon seit Jahrzehnten. Während allerdings ein Gros der bisherigen Produktionen meist schlecht produziert und inhaltlich durchwachsen waren, ist das Games-Kino von heute poliert bis in die Pixel-Spitzen. Woran liegt das?

"Tomb Raider" wurde sogar mehrere Male verfilmt. Nach Angelina Jolie durfte Alicia Vikander zumindest einmal 2018 die toughe Archäologin verkörpern. Das geplante Sequel wurde Mitte 2022 jedoch eingestellt.
Foto: Warner Bros.

Ein großer Erfolg

Als Gamer genierte man sich lange Zeit für die Kinoauftritte beliebter Videospielheldinnen und -helden. War "Super Mario Bros." 1993 eine Zumutung, folgten wenig berauschende Momente in "Street Fighter" mit Jean-Claude Van Damme, "Mortal Kombat" mit Christopher Lambert oder "Tomb Raider" mit Angelina Jolie 2001. Als wäre das, inklusive eines Dutzends "Resident Evil"-Filmen, nicht blamabel genug gewesen, entdeckte der deutsche Filmemacher Uwe Boll Videospiellizenzen als gefundenes Fressen für seine Untaten.

Mit zwei bis drei mehr oder weniger prominenten Gesichtern aus Hollywood und bekannten Games-Lizenzen fabrizierte Boll Gräueltaten an Film- und Spielkunst. Egal ob "Blood Rayne", "Postal" oder "Far Cry": Mit jedem Film wurde mehr und mehr klar, dass diese zwei Medien offenbar niemals zueinanderfinden werden. Schon allein die Ankündigung, eine Spiellizenz würde den Weg ins Kino finden, ließ einer ganzen Community eisige Schauer über den Rücken laufen.

Erwähnt werden soll auch der Film in diesem Genre, der insgesamt den größten Umsatz machte, genauer gesagt rund 439 Millionen Dollar: "Warcraft". Das ist aber nicht auf die Qualität des Films, sondern die unglaublich große Fanbasis der Franchise zurückzuführen. Knapp dahinter liegen übrigens "Pokémon: Detektiv Pikachu" und "Rampage".

Die Plattform Just Watch veröffentlichte kürzlich eine Grafik, die zeigen soll, welche auf Videospielen basierenden TV-Serien besonders populär sind.
Foto: JustWatch

Umdenken

Doch dann geschah etwas, das keiner für möglich hielt. Es tauchten bessere Adaptierungen auf den diversen Streaming-Kanälen auf, und auch im Kino durfte man plötzlich Videospielhelden beobachten, die witzig waren – zum Mitlachen und Mitfühlen einluden. Waren es zunächst noch Kino-Einzeltäter wie "Pokémon: Detektiv Pikachu" mit Ryan Reynolds oder "Sonic" mit Jim Carrey, tat sich vor allem Netflix mit zahlreichen Produktionen hervor, die auf Videospielen basierten. Vor allem das überragende "Arcane: League of Legends", das sich nur sehr lose an dem seit über einem Jahrzehnt populären Multiplayer-Spiel anlehnte, löste ein Umdenken aus.

Im Vorjahr führte die Anime-Serie "Cyberpunk Edgerunners" zu Rekordverkäufen des gleichnamigen Spiels, "Halo" schlug auf Sky ausreichend ein, um weitere Staffeln zu fixieren, und mit "The Last of Us" findet sich der jüngste Spross in dieser Erfolgsgeschichte wieder. Aber was machen diese Serien anders, als die vielen Versuche davor?

Always online

Zunächst einmal ist es schon wesentlich einfacher, eine Serie auf einem Streaming-Service zu starten, den man ohnehin abonniert hat, als extra für einen möglicherweise schlechten Film ins Kino zu latschen. Hinzu kommt, dass sich Leute wie Uwe Boll immer wieder abfällig über Videospiele(r) geäußert haben – es ging nicht um das Produkt, sondern nur um offenbar einfach verdientes Geld. Eine ganz schlechte Motivation, um künstlerische Meisterwerke zu schaffen.

Aktuell scheinen tatsächlich Menschen am Ruder zu sein, die sich in der Materie auskennen und diese Produktionen wirklich wollen. Aus einem intrinsischen Antrieb heraus werden mittlerweile Filme und Serien geschaffen, die nicht mehr darauf vertrauen, dass die Gamerinnen und Gamer wie Zombies ins Kino laufen, um ihre Pixel-Heldinnen auf der Leinwand sehen zu können, sondern es werden Geschichten fürs Kino oder eben für Streaming-Services geschrieben, die das Basismaterial wertschätzen und sich genau so viel nehmen, wie es für die Portierung eben braucht.

Beim Spielen von "The Last of Us" oder "League of Legends" spielt sich viel in den Köpfen der Menschen hinter der Maus oder dem Joypad ab. Durch die Auseinandersetzungen beziehungsweise das Zusammenspiel mit anderen Keyboard-Akrobaten entstehen Geschichten und Gefühle, die man in keinster Weise auf einen passiven Zuseher transportieren kann. Es braucht Inszenierungen, die primär für das jeweilige Medium gemacht sind, und erst dann wird das Basismaterial in genau diese Form gegossen.

Im Idealfall entstehen dann so Meisterwerke wie zuletzt oder zumindest kommerziell erfolgreiche Blockbuster wie "Uncharted", der wohl primär aufgrund der aktuellen Popularität von Tom Holland die Massen in die Kinos saugte.

Rosige Zukunft

Mit Folge eins legte "The Last of Us" den zweitbesten Serienstart für den US-Sender HBO in über einem Jahrzehnt hin. Anders als bei anderen Serien steigen seitdem die Zuseherzahlen und lagen schon bei Folge zwei bei knapp sechs Millionen und bei Folge vier bei 7,5 Millionen Menschen allein in den USA. Die hochwertig produzierte Serie besticht dabei nicht nur mit starken Charakteren, sondern auch mit einer dicht erzählten Handlung – Kriterien, die viele Videospielumsetzungen in den vergangenen Jahren nicht mitbrachten.

Nicht nur deshalb sind die Release-Listen der Streaming-Anbieter und Kinoproduktionen voll mit Videospiel-Marken. Schon im April erscheint ein nach ersten Trailern spannend aussehender "Super Mario Bros."-Film, der 30 Jahre nach seinem gleichnamigen Flop-Vorgänger die Geschichte wieder geraderücken könnte. "Sonic" und "Pokémon: Detektiv Pikachu" haben Fortsetzungen bereits bestätigt, bekannte Titel wie "God of War", "Final Fantasy" oder "Tomb Raider" sind nur wenige Beispiele für bereits angekündigte Serien oder Filmen. Am Donnerstag kündigte zudem Apple+ einen "Tetris"-Film an, in dem es um die verrückte Entstehungsgeschichte des einmaligen Klassikers geht.

Rotten Tomatoes Trailers

Als Nerd fühle ich mich von der neuen Popularität von Videospielen im alternativen Mainstream schon fast ein wenig genervt. Auch hier wird die Gier am Ende wieder alles zerstören, wie das zuvor schon mit von mir geliebten Marken wie "Star Wars" oder dem mittlerweile implodierten Marvel-Universum passiert ist. Aber lasst uns bis dahin die Zeit genießen. Die zweite Staffel von "Arcane" soll ja bereits in diesem Jahr erscheinen. Ich freue mich sehr drauf, auch wenn dann vielleicht wieder Verwandte anrufen und sagen: "Du, ich schau jetzt diese Zeichentrickserie auf Netflix." (Alexander Amon, 17.2.2023)