Startet wie eine Rakete: Karim Adeyemi.

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Karim Adeyemi musste seinen spektakulären Rückwärtssalto so ausführlich erklären wie sein 70-Meter-Turbo-Solo. "Den habe ich oft auf dem Trampolin geübt, da bin ich sehr sicher", sagte der Matchwinner von Borussia Dortmund. Und wie er da so stand und lächelte, vor der "Wand der Legenden" im Interviewbereich, war er ein Symbol für den gesamten BVB: "Neues Jahr, neues Glück", nennt der 21-jährige Adeyemi das.

Sieben Siege in sieben Pflichtspielen 2023, am Mittwochabend das glückliche 1:0 gegen den Krösus FC Chelsea im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League, lösen recht erstaunliche Entwicklungen in Dortmund aus. Der Begriff "Mentalität" hätte allerbeste Chancen gehabt, immer wieder das Unwort des Jahres zu werden, plötzlich wird er positiv benutzt.

"Wir haben", oha, "uns gewehrt, die richtige Mentalität gezeigt, den richtigen Kampfgeist", lobte Sportdirektor Sebastian Kehl. Einstige Sorgenkinder zeigten "seit Jänner ein deutlich besseres Gesicht". Trainer Edin Terzic wirkte erleichtert: "Auch Karim ist endlich angekommen." Meep, meep, machte Terzic, "das war wie der Roadrunner. Er ist eine Waffe, die schwer zu verteidigen ist." Ein englischer Reporter hatte Adeyemi in seiner Frage gar mit Usain Bolt verglichen.

Westautobahn

Und so unrecht hatte er nicht. Vor eineinhalb Wochen wurden bei Adeyemi im Spiel gegen Freiburg 36,7 Stundenkilometer gemessen, logischerweise zu Fuß, also ohne technische Hilfsmittel. Der höchste Wert, der je in Deutschland bei einem Kicker registriert wurde, seit 2011 wird aufgezeichnet.

Gendankenspielchen: Könnte Adeyemi das Tempo über einen längeren Zeitraum halten und hätte er die Erlaubnis, die Westautobahn zu benützen, würde er für die Strecke Wien-Linz ungefähr viereinhalb Stunden benötigen. "Dortmund hat gewonnen, weil Adeyemi plötzlich Max Verstappen mit Ball war. Das war ein klasse Tor", sagte Servus-TV-Experte Jan Åge Fjörtoft über den Geniestreich in der 63. Minute. Der Schütze war dem argentinischen Weltmeister Enzo Fernandez entflohen, hatte Tormann Kepa Arrizabalaga eiskalt überspielt.

Adeyemi war im vergangenen Sommer um rund 30 Millionen Euro von Red Bull Salzburg nach Dortmund gewechselt. Als Schützenkönig der österreichischen Bundesliga (19 Treffer). Im Ruhrgebiet lief für den DFB-Teamspieler zunächst nicht alles nach Plan, nur zwei Tore in 15 Liga-Partien. Mit drei Treffern in zuletzt drei Pflichtspielen scheint er immer besser in Form zu kommen. "Wir dürfen nicht vergessen, dass er noch ein junger Kerl ist", sagte Terzic, der Adeyemis Arbeitsmoral nach der deutschen WM-Enttäuschung in Katar lobte.

Auch Emre Can, der gemeinsam mit Torhüter Gregor Kobel vor der entscheidenden Szene den Ball sehenswert von der Linie kratzte, spielt in Bestform. Julian Brandt trägt die Mannschaft gemeinsam mit Jude Bellingham. "Es läuft alles richtig gut", sagte Adeyemi. Da trifft ein Joao Felix für Chelsea eben die Latte, nicht ins Tor. Als hätte eine magische Hand Glücksschweinchen über Dortmund gestreut.

Aufgepumpt

Dennoch "ist der Job nicht getan", wie Bellingham mahnend twitterte. Beim Rückspiel am 7. März werden die 330 Millionen Euro schweren Chelsea-Winterzugänge zwar noch besser eingespielt sein, doch es gibt keinen Grund, sich klein zu machen. An der Stamford Bridge ist das Viertelfinale drin, obwohl "das Ergebnis wohl das Beste an diesem Spiel war" (Terzic). Der Teamslogan sei gewesen: "Auf geht’s, Dortmund, kämpfen, siegen."

Für das Star-Ensemble der "Blues" steht eine ganze Saison auf dem Spiel, nach der Einkaufstour lassen die Erfolge beim Tabellenzehnten der Premier League auf sich warten. Besonders die Offensive enttäuscht unter Trainer Graham Potter, in den vergangenen acht Spielen gelangen nur drei Tore. Kai Havertz, Goldtorschütze im Champions-League-Finale 2021, sah zumindest Fortschritte in der neu zusammengewürfelten Mannschaft. "Man kann deutlich sehen, dass wir uns verbessert haben und die Chemie zwischen uns stimmt." Nachsatz: "Adeyemi war leider schneller." (red, sid, 16.2.2023)