Auch beim Einkaufen wird über den Klimawandel entschieden. Wer konsequent regional und saisonal einkauft, kann einiges bewirken.

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Klimafreundlich, nachhaltig, fair und bezahlbar – so sind Lebensmittel, die wir guten Gewissens kaufen können. Doch wie kommen wir zu denen? Was muss man beim Einkauf beachten, und wie kann man herausfinden, wie die Lebensmittel im Einkaufswagen produziert wurden? Welche Ökobilanz haben sie, und wie vermeidet man Greenwashing? Solche Fragen beschäftigen angesichts der Klimakrise immer mehr Menschen.

Eine, die sich intensiv mit ihrer Beantwortung auseinandersetzt, ist Katarina Schickling. Die Autorin, Dokumentarfilmerin und Ernährungsexpertin hat schon mehrere Bücher zum Thema geschrieben. Ihr neuestes, "Mein Lebensmittel-Kompass", erscheint am 22. Februar im Goldmann-Verlag. Dem STANDARD hat sie die wichtigsten Fragen zum Thema beantwortet.

STANDARD: Welches Lebensmittel hat den größten CO2-Abdruck?

Schickling: Butter. Man braucht relativ viel Milch für die Erzeugung, deshalb sollte man sie sparsam einsetzen. Man kann zum Beispiel in Öl braten und erst am Schluss etwas Butter dazugeben, für den Geschmack. Generell sind alle Erzeugnisse rund ums Rind von der CO2-Bilanz her schlecht. Gleichzeitig ist Butter auch ein gutes Beispiel dafür, dass CO2 beim Thema Klimafreundlichkeit nicht der einzige Faktor ist. Denn Weidehaltung ist auf vielen Böden die einzige sinnvolle Nutzung. Eine Kuhweide kann sehr humusreich sein, das bindet viel CO2, viel mehr als ein Acker. Und durch ihre Tritte regen die Kühe die Durchwurzelung des Bodens an, das ist gut für die Wasserspeicherung.

STANDARD: Noch gibt es in den Supermarktregalen kein frisches und regionales Obst und Gemüse. Welches Obst kann man im Winter trotzdem und ohne Klimabedenken kaufen?

Schickling: Zitrusfrüchte aus Europa haben keine so schlechte Ökobilanz und sind im Winter gerade für die Vitamin-C-Versorgung sinnvoll. Regionale Äpfel lagern inzwischen zwar schon eine Weile im Kühlhaus, sind aber immer noch die bessere Wahl als Exoten oder Gewächshaus-Obst. Und mein Winterfavorit sind Quitten, das ist ein tolles Obst.

STANDARD: Es gibt einige Genussmittel, die kann man nicht regional kaufen, einfach weil sie bei uns nicht wachsen. Kakao und damit Schokolade ist so ein Beispiel. Ist es da eine Lösung, Fairtrade-Schokolade zu kaufen?

Schickling: Ja. Gerade beim Anbau von Kakao gibt es immer noch viel Kinderarbeit. Die großen Plantagen sind Monokulturen, auf denen es zu erheblichem Pestizid-Einsatz kommt. Fairtrade-Produkte sind auch eine Möglichkeit, mehr Wertschöpfung in die Länder des Globalen Südens zu bringen, das ist der richtige Ansatz, wenn wir es mit der Bekämpfung von Fluchtursachen ernst meinen.

Am 22. Februar erscheint das Buch "Mein Lebensmittel-Kompass" von Katarina Schickling im Goldmann-Verlag.

STANDARD: Es heißt, um Klimaschäden zu minimieren, soll man möglichst zu unverarbeiteten Produkten greifen. Warum?

Schickling: Ein hoher Verarbeitungsgrad verursacht Klimaschäden. Und Convenience-Food ist auch ziemlich teuer, wenn man sich die Zutatenliste anschaut. Mit unverarbeiteten Zutaten selbst zu kochen ist preiswerter – und man kann sicher sein, regionale Waren verkocht zu haben statt Zutaten aus China.

STANDARD: Viele Menschen greifen zu Bioprodukten, um Umwelt und Klima zu schonen. Warum sind diese scheinbar teurer als konventionelle Lebensmittel?

Schickling: Bei vielen konventionellen Lebensmitteln ist ein Teil der Kosten quasi vergesellschaftet. Ein Beispiel dafür ist Trinkwasser. In Niedersachsen ist das Grundwasser wegen der hohen Nitratbelastung durch die Massentierhaltung belastet. Eigentlich müssten die Kosten für solche Umweltschäden ins Produkt eingepreist sein. Sind sie aber nicht ...

STANDARD: Man spricht immer davon, regional einzukaufen. Doch was bedeutet das genau? Und wie funktioniert das, wenn der Begriff nicht geschützt ist?

Schickling: Für mich bedeutet das, Produkte aus meiner näheren Umgebung zu kaufen. Leider kann jeder den Begriff selbst definieren, es gibt da keine Regeln. Ich würde da mit dem gesunden Menschenverstand herangehen. In einem kleinen Land wie der Schweiz muss man Regionalität anders definieren als in Bayern – von Berchtesgaden nach Aschaffenburg sind es immerhin 450 Kilometer. Der Vorteil von "echter" Regionalität ist, dass ich mir im Zweifel tatsächlich ein Bild machen kann davon, wie die Produkte erzeugt werden.

STANDARD: Warum sorgt die EU nicht für transparente Herkunftsbezeichnungen auf den Verpackungen?

Schickling: Wegen Lobbyismus. Ich habe bei meinen Recherchen die Erfahrung gemacht, dass einem die Hersteller in der Regel ganz präzise sagen können, wo welche Zutat herstammt. Das könnte man ähnlich flexibel aufdrucken wie heute schon das Mindesthaltbarkeitsdatum. Aber womöglich ist die Molkerei ja gar nicht daran interessiert, dass wir wissen, dass die Milch für das Joghurt aus Polen und die Erdbeeren aus China kommen.

STANDARD: Welche Rolle spielen Lebensmittelproduzenten für den nachhaltigen Konsum?

Schickling: Wir können ja nur kaufen, was es auf dem Markt gibt. Deshalb spielen die Produzenten eine Schlüsselrolle. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können aber trotzdem etwas tun. Sie können gezielt die belohnen, die jetzt schon gut produzieren. Und man sollte immer wieder nachfragen, weil Druck durch die Kundschaft hilft immer.

STANDARD: Apropos Kundschaft, viele Bauern können einen erheblichen Teil ihrer Ernte nicht verkaufen, weil ihr Obst und Gemüse nicht den gängigen Handelsvorgaben in Bezug auf Form oder Farbe entspricht. Wie können Konsumentinnen und Konsumenten darauf Einfluss nehmen?

Schickling: Indem man gezielt krumme Karotten kauft, wenn es die wo gibt. Anbieter im Internet vermarkten "aussortierte" Ware. Und wenn man mit einer Liste einkaufen geht und die Lebensmittel richtig lagert, kann man Lebensmittelverschwendung gut reduzieren. Je weniger Stationen zwischen uns und den Erzeugern liegen, umso frischer ist die Ware, auch das hilft. Die Orangen, die ich bei einem Crowdfarming-Projekt kaufe, hingen kurz zuvor noch am Baum und halten problemlos vier Wochen.

STANDARD: Auch die Tierhaltung ist ein großes Thema. Wie müssten die gesetzlichen Mindestvorschriften für Tierhaltung ergänzt werden, damit Kühe, Schweine und Hühner endlich tiergerecht gehalten werden?

Schickling: Im Grunde gibt es den gesetzlichen Rahmen schon. Das Tierschutzgesetz verbietet vieles, was in der konventionellen Tierhaltung gängige Praxis ist, da wird oft mit Sondergenehmigungen gearbeitet. Generell würde ich mir wünschen, dass wir das Denken umdrehen. Was ist denn tiergerecht? Damit sind ein paar Eckpunkte sehr offensichtlich. Es braucht Auslauf, draußen, für alle Tiere. Außerdem Platz, artgerechtes Futter und Rassen, die keine Qualzuchten sind.

STANDARD: Ihren ersten Dokumentarfilm über Lebensmittel haben Sie vor über zehn Jahren gedreht. Haben Sie das Gefühl, dass die Kundschaft von heute aufgeklärter ist?

Schickling: Absolut. Ein schönes Beispiel sind die Mühen, die sich die Industrie beim Thema Geschmacksverstärker macht. Weil niemand mehr Produkte mit Glutamat kauft und auch zunehmend weniger mit Hefeextrakt, müssen die Hersteller immer wieder neue Tricks ersinnen. Oder die vielen Nudelfabrikanten, die mittlerweile freiwillig Freilandeier verwenden, obwohl sie das bei verarbeiteten Produkten gar nicht angeben müssten. Da sieht man, dass Kundendruck hilft, und der findet immer mehr statt.

STANDARD: Was sind Ihre wichtigsten Tipps für einen fairen und nachhaltigen Einkauf?

Schickling: Pflanzliche Lebensmittel sind klimaschonender und sollten der Hauptbestandteil unserer Ernährung sein. Produkte aus ökologischer Landwirtschaft gehen schonender mit der Ressource Natur um, besser fürs Tierwohl sind sie sowieso. Regional und saisonal essen. Was nicht weit reisen musste, ist besser fürs Klima, was nicht im Gewächshaus wächst, schmeckt besser und ist nährstoffreicher. Jeder Verarbeitungsschritt verursacht Emissionen. Deshalb zu gar nicht oder wenig verarbeiteten Lebensmitteln greifen. Und kaufen Sie fair gehandelte Lebensmittel. Warum das besser ist, muss man gar nicht erklären, Ausbeutung ist einfach nicht in Ordnung. (Pia Kruckenhauser, 17.2.2023)