Das Wiedersehen mit Samus Aran in "Metroid Prime Remastered" ist Nintendo hervorragend gelungen. Um "Metroid Prime 4" ist es aber immer noch verdächtig ruhig.

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Inmitten der Sterne existiert ein Licht, das heller scheint als das der anderen. Samus Aran, intergalaktische Kopfgeldjägerin und coolste Nintendo-Mitarbeiterin, tauchte auf dem letzten Direct-Event des Unternehmens wie aus dem Nichts auf und vermochte auch dort alles andere zu überstrahlen.

Noch besser: Ihr Auftritt in der Neufassung des Spieleklassikers "Metroid Prime" ist seit der Ankündigung als Vollversion für die Switch im Nintendo E-Shop erhältlich. Als Metroid-Veteran fühlt man sich sofort wie zuhause – und dennoch kann die Remastered-Version gemischte Gefühle hinterlassen. Nicht, was den Titel selbst betrifft, sondern die Zukunft der Marke.

Samus Aran lässt sich offenbar gerne bitten. Mehr als sieben Jahre Pause vergingen, bevor die Kopfgeldjägerin 2017 unter dem Titel "Metroid: Samus Returns" überhaupt wieder ein Lebenszeichen von sich gab. Und erst 2021 folgte auf die Neuinterpretation des Gameboy-Klassikers gänzlich neue Science-Fiction in 2D: "Metroid Dread" für die Switch wurde von Kritikern und Fans gleichermaßen abgefeiert. Die für die Serie ungewöhnlich hohe Linearität und überaus nervige Idee, dass Samus in regelmäßigen Abständen von einem Roboter durchs Spiel gejagt wurde, taten dem Erfolg keinen Abbruch. Der Hunger nach ihren Weltraumabenteuern scheint also ungebrochen.

Zurück zu alter Stärke

Nicht zuletzt deshalb schien es klar zu sein, dass Nintendo dem 3D-Debüt der Serie aus dem Jahr 2002 eine Remastered-Version für die Switch spendieren würde. Die Gerüchte, dass die bisherige Prime-Trilogie von Metroid vor einem ganz neuen, vierten Teil neu aufgelegt werden soll, machen schon sehr lange die Runde in der Branche. Die spontane Ankündigung und quasi gleichzeitige Veröffentlichung im E-Shop (eine physische Version des Spiels folgt Anfang März) kam dann doch überraschend.

Überraschend auch, wie gut der Wechsel vom Gamecube-Controller auf den Pro Controller der Switch gelungen ist. Eine vielseitige Konfigurierbarkeit mit unterschiedlichen Steuerungstypen sorgt dafür, dass man sich ungeachtet seiner Vorlieben von der ersten Sekunde an wohl fühlt. Für ein Spiel, dessen erstmalige Veröffentlichung mehr als zwei Jahrzehnte zurück liegt, ist das keine Selbstverständlichkeit. Es zeigt auch einmal mehr, dass herausragendes Spieldesign wie das von "Metroid Prime" zeitlos bleibt.

Nintendo of America

Und selbst die Grafik, die den Spieler nach heutigen Standards einst karg und kantig in Blassdunkelbunt anblökte, erfuhr eine beachtliche Frischzellenkur. Das Texturwerk ist auf HD hochglanzpoliert, die Partikeleffekte aufgehübscht und die neue Beleuchtung lässt Details an der Spielumgebung erkennen, die man zuvor allenfalls erraten musste. All das zischt für Switch-Verhältnisse mit atemberaubenden 60 Bildern pro Sekunde über den Bildschirm. Wow.

Ist man zur Haarspalterei geneigt, könnte man freilich herummäkeln, warum die Auflösung im Docked-Modus nur 900p hergibt oder dass das Kantenflimmern mangels Antialiasing hin und wieder unschöne Formen annimmt. Interessant zu beobachten ist auch, dass einer der coolsten Effekte aus dem alten Spiel fehlt: Feuert Samus Schüsse ab, sieht man ihr Gesicht zwar hin und wieder noch im Visier aufblitzen, die Projektile beleuchten aber nicht mehr die Spielumgebung. An dieser Stelle kann nur gemutmaßt werden, dass das mit der neuen, und deutlich komplexeren Umgebungsbeleuchtung zusammenhängen könnte. Aber seien wir uns ehrlich: Das Spiel läuft auf einer Switch und das auf einem referenzverdächtig hohen Niveau.

Vieles wurde an der Grafik verbessert, aber auch nicht alle Details vom Vorgänger übernommen.
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Spielerisch bleibt "Metroid Prime Remastered" sowieso eine Klasse für sich. Die hohe Kunst des "Metroidvania" meistert der namensgebende Urvater des Genres auch in 3D immer noch mit Bravour: Das Spiel findet genau den richtigen Rhythmus aus Kampf, Rätsel, Akrobatik und Backtracking. Ein Fest für Veteranen und Neulinge gleichermaßen. Spielerherz, was lässt sich da in Zukunft noch verbessern?

"Returnal", das nächste Level von Metroid

Verbessern vielleicht wenig, modernisieren einiges. Wie ein 3D-Metroid mit ein bisschen Mut zur Veränderung aussehen könnte, hat beispielsweise der finnische Entwickler Housemarque 2021 eindrucksvoll für die Playstation 5 unter Beweis gestellt. Den Sci-Fi-Thriller "Returnal" könnte man auch als das "Metroid"-Spiel bezeichnen, das sich Nintendo niemals getraut hätte.

Unabhängig vom schnittigen Auftritt in der Third-Person-Perspektive spielt sich der Alleingang von Weltraumpilotin Selene Vassos wie ein Fieberdelirium von Samus Aran. Gefangen in einer Zeitschleife nutzt sie Biowaffen und -technologien auf einem fremden Planeten, um damit wieder und wieder die Kreaturen zu jagen, die ihre Alpträume beherrschen.

Selene Vassos und Samus Aran haben viel gemeinsam.
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Das sind aber nur die offensichtlichsten Parallelen. Auch die Agilität der Protagonistin, die für fordernde Kämpfe und das Zurücklegen großer Bildschirmdistanzen zur Erkundung notwendig ist, haben beide Spiele gemeinsam. Was an "Returnal" allerdings besonders fasziniert und die in vielen Belangen gemeinsame Metroid-Formel evolutioniert, ist das prozedurale Level-Design.

Dadurch, dass die Spielwelt in jedem Durchgang zufällig generiert wird, fordert sie die Spieler jedes Mal aufs Neue heraus, selbst wenn sie das Level an sich schon dutzende Male gespielt haben. Und dennoch gibt es feste Regeln und permanente Fortschritte im Trip von Selene, die ihn nicht zu einer chaotischen Roguelike-Bullethell ausarten lassen. Ok, vielleicht ein bisschen schon. "Returnal" gibt aber mit jedem vermeintlich noch so sinnlosen Durchgang dennoch das Gefühl, einen Schritt näher zum Ziel gekommen zu sein. Mit dieser enorm hohen Wiederspielbarkeit und Erkundungsvielfalt kann das im Vergleich dazu fast schon "statische" "Metroid" einfach nicht mithalten.

Zwischen Ladehemmung und Charge-Beam

Das lässt freilich immer noch die Frage offen, wie es mit dem "Original" weitergehen wird. Nintendos große Vorliebe, den bestehenden Spielekatalog immer wieder aufs Neue zu bemühen, dürfte sich nicht ändern. Demnach scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die restlichen beiden Teile der Prime-Trilogie, vielleicht sogar auch das Serien-Stiefkind "Metroid: Other M", als Remastered-Version im E-Shop und in den Verkaufsregalen auftauchen.

Zeitlich versetzt, je nach Bedarf Nintendos, könnte das in diesem Fall sogar eine smarte Taktik sein, um jene Entwicklungszeit für "Metroid Prime 4" wieder gutzumachen, die in den letzten Jahren teils ergebnislos verpufft ist. Nach zwei Jahren Entwicklungszeit unter Bandai Namco Studios entschied man sich bei Nintendo 2019 nämlich für den Reset-Button, weil die Resultate nicht den Erwartungen des Markeninhabers entsprochen hätten. So schmerzlich das sein mag, deutet das auf ein Qualitätsbewusstsein hin, das andere Publisher in der Branche vermissen lassen.

Auf einen neuen, vierten Teil der Serie wird man vermutlich noch lange warten müssen.
Foto: Nintendo

Zurückgefallen zum Anfang vertraut man das Projekt jedenfalls wieder Retro Studios an, dem ursprünglichen Entwickler der 3D-Metroids. In den mittlerweile mehr als drei Jahren seit dem Neustart ist es aber auch recht still geblieben um die Fortsetzung – und ein Releasetermin existiert wie das Licht von Samus Aran nur irgendwo in den Sternen.

Möglicherweise ist Nintendo in Anbetracht der Hardware-Limitationen der Switch ohnehin gut damit beraten, "Metroid Prime 4" als Launch-Titel für die nächste Konsole zurückzuhalten. Wenn Nintendo die restlichen 3D-Abenteuer von "Metroid" auch so hervorragend aufwärmen lässt, dürfte außer ein, zwei Spacepiraten ohnehin kaum jemand ein Problem damit haben. (Benjamin Brandtner, 19.2.2023)