Ob ein sprechende Flaschenöffner einem in Zukunft wohl auch zuprosten kann?

Foto: Getty Images/iStockphoto/ izusek

Kürzlich fuhr ich in Wien wieder mit der Straßenbahn, wohl zum fünfhundertsten Mal dieselbe Strecke. Die Anzahl der Wiederholungen tut aber nichts zur Sache. Wichtig ist, dass mich ein Videobildschirm, der vermutlich zur Zerstreuung gelangweilter Fahrgäste in den Wagon eingebaut wurde, mit der Werbung für ein tolles Produkt beschenkt hat: einen sprechenden Flaschenöffner.

Marginalisierte Gegenstände

Man kann damit, so wurde versprochen, seine Freunde überraschen. Ich glaube das aufs Wort. Die meisten Leute besitzen ja Flaschenöffner, die stumm in der Bestecklade herumliegen und tagaus, tagein das Maul nicht aufmachen. Überraschend also, wenn er sich einmal doch dazu bequemt, einen anzusprechen. Der in den Öffis beworbene Flaschenöffner kann übrigens nicht nur sprechen, er zählt auch genau mit, wie viele Flaschen man geöffnet hat ("Das ist jetzt die zwölfte Flasche heute. Halt dich zurück, alter Bsuff"). Supergeil!

Der Krisenkolumnist ist nicht nur ein Freund sprechender Flaschenöffner, sondern er steht prinzipiell auf Objekte, die mit der Gabe der Rede versehen sind. Dies nicht nur aus ästhetischen, sondern auch aus Gründen der politischen Korrektheit. Flaschenöffner sind seit ewigen Zeiten eine marginalisierte Minderheit unter den Gegenständen, die uns umgeben. Wer sie mit einer Stimme versieht, trägt enorm zum Ideal einer universellen Inklusion bei.

Unerschöpfliches Potenzial

Gefragt wären noch viel mehr sprechende Objekte in unserer bisher nur mangelhaft durchdigitalisierten Welt: sprechende Türen ("Aua! Nicht so fest an die Klinke greifen, da bin ich sehr empfindlich"), sprechende Nasenhaartrimmer ("In deinem linken Loch schaut’s aus wie im Urwald") und sprechende Klosettbürsten ("In der Ecke rechts hinten g’hört noch geputzt, du Ferkel").

Unverständlich auch, warum die Waren in Supermärkten nicht schon längst mit aussagekräftigen Sprachchips versehen wurden, um auf ihre Vorzüge hinzuweisen. Man erinnere sich an die Brote von Frau Holle, die darum baten, aus dem Ofen gezogen zu werden. An die Äpfel, die inständig flehten, man möge sie herunterschütteln. Großartig. Was wir brauchen, sind Ermunterungen aus den Gemüsekisten: "So scharf wie ich war noch kein Peperoni!" Und Zurufe aus dem Weinregal: "Du bist ja topfnüchtern, schämst du dich nicht?" Ein unerschöpfliches Potenzial, ungehobene Schätze. (Christoph Winder, 18.2.2023)