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Manche essen, so viel sie wollen, andere scheinen schon beim Anblick von Kuchen, Burger und Co zuzunehmen.

Foto: Getty Images/miodrag ignjatovic

Rund um die Ernährung ranken sich viele Mythen. Manche sind längst widerlegt, halten sich aber hartnäckig. Bei anderen ist sich die Forschung noch uneins. Aber auf eine goldene Regel scheinen sich alle einigen zu können. Kalorienzufuhr minus Verbrauch ist gleich Gewichtsentwicklung. Das heißt, wer mehr Kalorien aufnimmt, als er verbraucht, nimmt zu. Wer weniger aufnimmt, als er verbraucht, nimmt ab.

Das bedeutet auch: Nehmen zwei gleich große, gleich schwere und gleich alte Menschen gleich viele Kalorien zu sich und bewegen sich exakt gleich viel, nehmen sie beide gleich viel ab oder zu – richtig? Nicht ganz, wie mittlerweile mehrere Studien zeigen, etwa jene des National Institute of Health in Arizona. 14 Männer nahmen zwei Tage lang doppelt so viele Kalorien auf, wie sie eigentlich brauchen würden, um das Gewicht zu halten. Nach der Formel der Energieerhaltung müssten sich ihre Körper alle ähnlich entwickeln, tatsächlich reagierten die Probanden aber völlig unterschiedlich. Manche produzierten durch die erhöhte Energiezufuhr mehr Körperwärme, andere legten die extra Kalorien in Fettreserven an.

In einer anderen Studie wurden adipöse Frauen und Männer untersucht. Sechs Wochen lang nahmen sie nur die Hälfte der Kalorien des Grundumsatzes zu sich. Manche von ihnen verloren nahezu ab Tag eins Gewicht, andere nahmen viel langsamer ab und am Ende wieder zu.

Ein Grund für die unterschiedliche Gewichtsentwicklung ist der Stoffwechsel. Was macht er, und warum ist er – wie wahrscheinlich viele sagen würden – so ungerecht?

Zwei Stoffwechseltypen?

Vereinfacht gesagt versteht man unter Stoffwechsel alle Vorgänge im Körper, durch die aufgenommene Nährstoffe in den Zellen verstoffwechselt werden – also abgebaut, umgebaut oder zu neuen Produkten aufgebaut werden. Sieht man sich die erwähnten Studien rund um Fasten, Zu- oder Abnehmen genauer an, kommt man zu dem Schluss, dass es wohl mindestens zwei verschiedene Stoffwechseltypen geben muss: jenen Typ, der überschüssige Kalorien in Wärme umwandelt, und den Typ, der sparsam mit Energie umgeht und Fettreserven anlegt, was evolutionsbiologisch am sinnvollsten war.

Aber so einfach ist es nicht. "Es grassiert immer wieder der Mythos, dass es verschiedene Stoffwechseltypen gäbe, aber es gibt keine Studien, die das belegen. Es ist viel komplexer", stellt Alexandra Kautzky-Willer, Leiterin der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel am AKH Wien, klar.

Fragwürdige Tests

Dass sich viele trotzdem nach einfachen Antworten auf komplexe Fragestellungen sehnen, zeigt das Angebot an At-Home-Tests, die einem zeigen sollen, welcher Stoffwechseltyp man ist. Vor allem in sozialen Medien werden Testkits für zu Hause beworben, am Ende soll ein Ernährungsplan auf Basis der eigenen DNA erstellt werden. Dabei werden bestimmte Genvarianten untersucht, von denen man aus Studien weiß, dass sie im Stoffwechsel eine wichtige Rolle spielen. Das Ergebnis gibt dann Aufschluss darüber, ob man Fette, Kohlenhydrate oder Proteine besser verstoffwechseln kann.

Theoretisch eine gute Idee, findet Kautzky-Willer, nur: "Die Studienlage ist dazu noch sehr schlecht." Solche Tests könnten womöglich helfen, herauszufinden, welche Ernährungsform langfristig am besten für einen selbst klappt, aber sie bilden sicher nicht die hundertprozentige Wahrheit ab. In Zukunft sieht sie darin großes Potenzial, aber jetzt noch nicht: "Man kann Stoffwechsel immer besser messen, aber noch nicht gut genug."

Das ist auch deshalb so schwierig, weil so viele Faktoren mitspielen. Einiges davon ist durch die Genetik schon vorbestimmt, aber anders als früher vermutet spielt das wohl eine eher kleine Rolle. Relevant sind, abgesehen von seltenen Erkrankungen, etwa das Geschlecht, die Hormone, das Alter, die Muskelmasse, die Ernährung – vor allem auch die flüssige Nahrung, betont die Expertin –, die Bewegung, der Schlaf, die psychische Gesundheit und der zirkadiane Rhythmus, also die innere Uhr. Für manche macht es einen Unterschied, ob sie in der Früh oder am Abend mehr essen. "Und was noch eine große Rolle spielen dürfte, ist das Mikrobiom. Aber auch da weiß man noch zu wenig", sagt die Expertin.

Das alles führt dazu, dass Nährstoffe im Körper unterschiedlich verarbeitet werden. Manche scheinen die Kalorien zu verstoffwechseln, andere haben das Gefühl, schon Fettreserven anzulegen, wenn sie einen Kuchen nur anschauen. Und übrigens ist dieses Gefühl gar nicht so weit hergeholt: "Es lässt sich nachweisen, dass bei manchen schon beim Anblick von Essen im Gehirn bestimmte Areale aktiviert werden, wie man es von Suchtmechanismen kennt", erklärt Kautzky-Willer. Vor allem Frauen sind davon betroffen.

Langfristige Umstellung

Wenngleich das Gewicht nicht zwingend ein Indikator für Gesundheit ist und umgekehrt, gehe es am Ende vor allem darum, herauszufinden, welcher Lebensstil am besten zu einem passt, sagt die Endokrinologin. Wer aus welchem Grund auch immer zu- oder abnehmen möchte, sollte langfristig denken: "Die Frage ist, was kann man das ganze Leben lang durchhalten?" Radikale Diäten führen kaum zu langfristigen Verbesserungen, im Gegenteil, zeigen Studien. Stattdessen muss der Lebensstil individuell angepasst werden. Mehr Ausdauer- statt Kraftsport, mehr Proteine, weniger Kohlenhydrate, viel Alltagsbewegung, Fett reduzieren, Intervallfasten – für jeden und jede ist etwas anderes gut umsetzbar, und das lässt sich wohl kaum in ein paar verschiedene Stoffwechseltypen gießen. "Ich denke, es ist viel individueller, als wir derzeit glauben. Es fehlt noch viel Forschung in dem Bereich", sagt Kautzky-Willer.

Was bleibt, ist das Wissen, dass die Formel der Energiebilanz nach wie vor stimmt: "Wenn ich weniger esse, als ich verbrauche, egal mit welcher Ernährungsform, dann werde ich abnehmen." Aber über die Jahre ist sie ein bisschen komplexer geworden, ein paar Variable sind dazugekommen – und die sind der Grund, dass das Ab- oder Zunehmen manchen leichter fällt als anderen. (Magdalena Pötsch, 20.2.2023)