Vergangene Woche ist Microsofts Suchmaschine Bing zum Reisebüro geworden. Ein Mitarbeiter des Softwareriesen fütterte Bing vor laufender Kamera mit einer Anforderung: "Stell mir eine fünftägige Reiseroute durch Mexiko zusammen." Innerhalb von Sekunden spuckte die Suche Vorschläge für Reiseziele und Sehenswürdigkeiten aus, dazu eine Route für Selbstfahrer, die in Mexiko-Stadt ein Auto mieten und fünf Tage durch das Land cruisen wollen. Hat Microsoft damit Mitarbeitern von Reisebüros und gedruckten Reiseführern den Kampf angesagt?

Gleich nach der Präsentation wollten wir wissen, ob die künstliche Intelligenz (KI) auch gescheite Ideen für den typischen Urlaub von Herrn und Frau Österreicher ausspuckt. Die erste Hürde dabei: die Suchmaschine selbst. Noch darf sie kaum jemand in der neuen Version mit KI benutzen, Millionen von Testwilligen landeten gleich nach der Präsentation in einer Sackgasse namens Warteliste. Die Zukunft der Reiseplanung mit Bing bleibt also noch eine Zeit lang reine Fiktion. Über einen Umweg konnten wir den Testurlaub in Kroatien doch noch künstlich intelligent planen – mit ChatGPT. Der Schlaumeier hinter der Suchmaschine ist ja bekanntlich der vorlaute Chatbot.

Heruntergerattert

ChatGPT macht seit Wochen von sich reden und bringt allerorten nicht-artifizielle Intelligenz ins Grübeln. Bittet man diesen Bot nun direkt und ohne Suchmaschine um gute Ratschläge für eine einwöchige Reiseroute durch Kroatien, rattert er wie in der Bing-Demo für Mexiko recht brav die einzelnen Stationen und Sehenswürdigkeiten herunter: Zagreb solle man sich unbedingt geben, "die Hauptstadt Kroatiens, inklusive Besichtigung des Parlamentsgebäudes, des Königsturms und des Marktplatzes". Für den nächsten Tag schlägt er die Plitvicer Seen vor und dort eine "Wanderung durch die Landschaft und Besichtigung der Wasserfälle", für den Tag darauf in Rovinj einen "Stadtrundgang durch die malerische Altstadt mit ihren engen Gassen und den farbenfrohen Häusern" und so weiter.

Die Zukunft der Reiseplanung mit Bing bleibt wohl noch eine Zeit lang reine Fiktion.
Foto: Midjourney

Auch wenn die Planung von "pittoresken Reisen" schon dank Instagram keine Schwierigkeit mehr darstellte, erschreckt das Ausmaß inhaltlicher und sprachlicher Banalität von KI-Vorschlägen dann doch. Zusätzlich zu "malerischen und farbenfrohen" Auflistungen von Sehenswürdigen leidet der Bot nämlich auch noch unter akuter Ideenlosigkeit.

Wenn Reisende, die mit ChatGPT unterwegs sind, von Korčula wieder nach Zagreb zurückkehren, gewährt ihnen der Dienst für einen halben Tag "Freizeit in der Hauptstadt". Das klingt wie "Erholung auf See" bei einer Kreuzfahrt, auf der es sowieso nichts zu sehen gibt, oder wie die klaffende Lücke in einem ohnehin dünnen Besichtigungsprogramm vom Diskonter für ein reizloses Reiseziel. Aber gut, künstliche Intelligenz kann nur dann keine blöden Antworten geben, wenn die Fragen, die man ihr stellt, ausreichend schlau und präzise sind.

Ohne Verlinkung

Fragt man ChatGPT etwa konkret, ob auch Züge für die Anreise von Wien nach Kroatien infrage kommen, ist die Auskunft durchaus hilfreich. Es werden die meisten Optionen genau aufgelistet, zum Beispiel der Railjet nach Zagreb, der Euro City nach Split oder die Verbindung nach Sarajevo, die für Kroatien-Urlauber ebenfalls interessant sein kann. Dass es auch Nachtzüge gibt, muss aber explizit nachgefragt werden. Wer dieses Angebot also nicht schon vorher gekannt hat, kommt vermutlich gar nicht auf die ökologisch sinnvolle und bequeme Alternative zum Auto.

Im Chatbot bleibt es vorerst bei einer reinen Textausgabe ohne Verlinkung. Das ist mühsamer als alles, was schon bisher über eine gewöhnliche Internetrecherche möglich war. Dennoch braucht es nicht viel Vorstellungskraft, wie potent die KI sein kann, wenn sie ihre Dienste tatsächlich in Kombination mit Suchmaschine und Links anbietet.

Ausweichend

Bei weiteren Nachfragen – etwa, ob im Sommer 2023 in Kroatien mit Touristenmassen zu rechnen ist – gibt die KI sehr ausweichende Antworten. Schon klar, die Prognosen beruhen allesamt auf Informationen aus der Vergangenheit. Aber gerade bei Einschätzungen werden die Schwächen einer KI gegenüber der Erfahrung und Intuition von Menschen deutlich. So kann ein Reisebüromitarbeiter zwar auch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit vorhersagen, wie viele Touristen einen bestimmten Ort in ein paar Monaten heimsuchen werden, aber er kennt die aktuelle Buchungslage und kann daraus Schlüsse ziehen.

Auch wenn die Planung von "pittoresken Reisen" schon dank Instagram keine Schwierigkeit mehr darstellte, erschreckt das Ausmaß inhaltlicher und sprachlicher Banalität von KI-Vorschlägen dann doch.
Foto: Midjourney

Schwierigkeiten hat das künstlich intelligente Reisebüro ChatGPT verständlicherweise auch mit persönlichen Empfehlungen. Bittet man etwa um einen Hoteltipp für die erste Juliwoche in Rovinj, gibt die KI unumwunden zu, "keine persönlichen Erfahrungen oder Präferenzen" zu besitzen. Sie kann aber immerhin Häuser nennen, die bei anderen Reisenden beliebt sind.

Dann muss man die KI-Empfehlung erst einmal "googeln", um mehr zu erfahren. Beim empfohlenen Hotel handelt es sich um eine recht exklusive Adresse mit Zimmerpreisen, die bei 400 Euro beginnen. Ob im Juli noch etwas frei ist, wissen Interessierte dann aber noch nicht. Die KI begnügt sich mit dem Ratschlag: "Da die erste Juliwoche eine sehr beliebte Reisezeit ist, empfehle ich, frühzeitig zu buchen." Ah, danke für den guten Tipp! (Sascha Aumüller, 18.2.2023)