Zahlreiche wichtige österreichische Unternehmen sind nach wie vor in Russland tätig.

Grafik: Fatih Aydogdu

Vom deutschen Autobauer VW über die Fastfood-Kette McDonald's bis zur US-Großbank Goldman Sachs: Diese Unternehmen – und viele, viele andere – haben sich aus Russland oder dem verbündeten Belarus zurückgezogen, seit vor einem Jahr der Krieg in der Ukraine begonnen hat. In Österreich wandelt unter anderem das Verpackungsunternehmen Mayr-Melnhof auf ihren Spuren, ebenso der teilstaatliche Ölkonzern OMV, der seine Pläne der Beteiligung an einem Gasfeld der Gazprom aufgegeben hat.

Viele wichtige Unternehmen aus Österreich jedoch schließen sich dem internationalen Trend nicht an. Weiterhin in Russland oder Belarus tätig sind etwa das Mautunternehmen Kapsch, der Holzkonzern HS Timber (ehemals Schweighofer) oder der Gewürzhersteller Kotányi. Und sonst? Eine STANDARD-Auswahl:

Raiffeisen

Die Raiffeisenbank International (RBI) ist seit 1996 in Russland aktiv, und ihre Tochter in Moskau wurde zur sprichwörtlichen Cashcow. Von 3,6 Milliarden Euro Vorjahresgewinn der börsennotierten RBI stammen 60 Prozent, also rund zwei Milliarden Euro, aus dem Russland-Geschäft.

Seit Kriegsbeginn prüft die RBI für Russland "alle Optionen", also auch einen Rückzug. Einem Verkauf der Bank müsste Wladimir Putin zustimmen. Neugeschäft tätigt man laut RBI nicht. Einer der Gründe für die guten Geschäfte der RBI-Tochter: Sie darf im Gegensatz zu russischen Banken internationale Zahlungen per Swift abwickeln. Wie am Freitag aber via Reuters bekannt wurde, klopfte die US-Sanktionsbehörde im Jänner wegen des Russland-Geschäfts bei der RBI an.

Agrana

Die Agrana, die dem Raiffeisen-Reich angehört, verarbeitet seit 2005 am Standort Serpuchow, 90 Kilometer südlich von Moskau, Obst zu Fruchtsäften und -mus, die etwa der Veredelung von Joghurts oder Speiseeis dienen. Agrana-Chef Markus Mühleisen hat wiederholt betont, dass man keine Rüstungs- oder Lifestyleprodukte herstelle und sich in einer Versorgerrolle sehe. Das Putin-Regime wolle man in keiner Weise unterstützen. Das Geschäft, das 300 Beschäftige in Russland "unter extrem schwierigen Bedingungen aufrechterhalten", macht rund zwei Prozent des Konzernumsatzes (2,9 Milliarden Euro) aus. Mühleisen betont: "Es ist eine Option aufzuhören, und wir beobachten die Situation ganz genau. Die Lage kann sich nächste Woche ändern."

Strabag

Österreichs größter Baukonzern macht in Russland kaum noch Geschäfte, konkret weniger als ein Prozent der Gesamtleistung – und selbst dieser Restbestand wird infolge des Kriegs zurückgefahren. Interessant ist aber die Russland-Connection auf der Ebene der Eigentümer: Fast 30 Prozent des Konzerns gehören einem zypriotischen Unternehmen, das dem russischen Oligarchen und Putin-Vertrauen Oleg Deripaska zugerechnet wird. Im Jahr 2007 ist er eingestiegen. Heute haben die anderen Aktionäre – die Raiffeisen und die Familie Haselsteiner – dem umstrittenen Miteigentümer alle Mitspracherechte entzogen und Dividendenzahlungen ausgesetzt. Nun tobt eben darüber ein Rechtsstreit: Das Deripaska-Unternehmen hat die Strabag geklagt.

Red Bull

Flotte Autos, die mit der Dose auf dem Dach herumkurven, oder Promotion-Teams, die das picksüße Energiekracherl verteilen: All das wurde im März 2022 in Russland eingestellt. Auf das Schlürfen von Red Bull im Supermarkt oder an der Tankstelle müssen die Russen aber nicht verzichten. Die russische Gesellschaft, gegründet 2004 und heute angesiedelt im Stanislawski-Businesscenter in Moskau, ist weiter im Großhandel aktiv. Red Bull Russia soll im Jahr 2021 knapp ein Zehntel zum gesamten, wachsenden Konzernumsatz von 7,8 Milliarden Euro beigesteuert haben. Fragt man bei Red Bull nach Russland, erhält man eine Standard-Antwort: Man habe "mit Anfang März 2022 Marketingaktivitäten und Neuinvestitionen eingestellt".

A1 Telekom

Der Einstieg 2007 bei dem von einer zypriotischen Gesellschaft und dem Geschäftsmann Martin Schlaff kontrollierten Mobilfunker MDC/Velcom in Belarus bescherte A1 Telekom Austria reichhaltige Dividenden. Nun ist der in A1 Belarus umbenannte Ableger aufgrund der Sanktionen isoliert, Netzausbau und Investitionen wurden eingefroren bzw. auf das vor Ort erhältliche Equipment reduziert. Hochwertige Endgeräte sind Mangelware, man ist auf Importware etwa aus China beschränkt. Man bleibe in Belarus, heißt es bei A1 seit Monaten stereotyp, sei Kunden und Beschäftigten verpflichtet. Operativ vermeldet A1 eine solide Lage: Von dem um 9,8 Prozent auf 461 Millionen Euro gestiegenen Umsatz blieben 219 Millionen an operativem Gewinn (Ebitda).

Backaldrin

Seit mehr als 25 Jahren bedient Backaldrin den russischen Lebensmittelhandel mit Backmischungen. Trotz Krieges laufen die Geschäfte reibungslos. 2009 eröffnete der Astener Familienbetrieb, der die Marke Kornspitz erfand, am Stadtrand von Moskau eine Vertriebsniederlassung und ein Ausbildungszentrum. 2017 investierten die Oberösterreicher in eine Produktion, die Russland und seine Nachbarländer von Moskau aus versorgt. 2019 wurde Geschäftsleiter Wolfgang Mayer zum Honorarkonsul der Russischen Föderation für Oberösterreich ernannt. Gut 80 Mitarbeiter zählt Backaldrin in Russland, wo sich das Unternehmen auch als Sportsponsor engagiert. In der Ukraine, in der nahe Kiew Zutaten für Kornspitz erzeugt werden, sind es rund 40.

Palfinger

Der Kranhersteller Palfinger war nicht unter den ersten West-Unternehmen in Russland, hat sich aber für einen dauerhaften Verbleib ebendort entschlossen – "aus Verantwortung gegenüber den Menschen vor Ort", wie es heißt. Und doch gibt es gravierende Unterschiede gegenüber der Zeit vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine: Die Verbindungen zwischen der Palfinger-Zentrale in Salzburg/Bergheim und der Tochter in Russland sind gekappt. Das Management-Team in Russland agiert eigenständig, Cash-Transfer gibt es keinen. Der Einstieg in den russischen Markt erfolgte 2011 mit Kauf des Kranherstellers Inman. Mittlerweile beschäftigt Palfinger 1.300 Mitarbeiter in fünf Werken, wovon zwei ein Joint Venture mit dem Lkw-Bauer Kamaz sind. (R. Bruckner, J. Gepp, R. Graber, V. Kainrath, G. Strobl, L. Ungerboeck, 17.2.2023)