Put your money where your mouth is." Dass man großen Worten also auch Taten folgen lassen soll und dafür das notwendige Geld in die Hand nimmt: So könnte ein Resümee der Münchner Sicherheitskonferenz (Siko oder MSC) lauten, die heuer nach Corona-bedingten Schrumpfjahren wieder voll Fahrt aufnahm. Bahnbrechende Zusagen für den ukrainischen Verteidigungskampf gegen Russland gab es nicht – eher Aufrufe, die Lieferzusagen umzusetzen. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz fragte schon am Freitag sinngemäß: Wo ist die breite Kampfpanzerkoalition? Wo bleiben die "Leoparden" jener Staaten, die teils am lautesten Druck auf ihn ausgeübt hätten?

Anthony Blinken: "Die Sorge, die wir jetzt auf Grundlage der uns vorliegenden Informationen haben ist, dass sie (China, Anm.) die Bereitstellung tödlicher Unterstützung erwägen."
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Für Aufsehen sorgte US-Außenminister Anthony Blinken, nachdem er sich in München mit dem chinesischen Chefdiplomaten Wang Yi zu einem bilateralen einstündigen Termin getroffen hatte: Washington habe Kenntnis von Überlegungen Pekings, Russland für den Ukraine-Feldzug Waffen zu liefern. "Die Sorge, die wir jetzt auf Grundlage der uns vorliegenden Informationen haben, ist, dass sie die Bereitstellung tödlicher Unterstützung erwägen." Ein solcher Schritt würde "ernste Probleme" verursachen, warnte Blinken am Sonntag in einer Schaltung mit dem TV-Sender CBS.

Wenige Stunden zuvor, noch in München, hatten die US-Delegierten noch diplomatischere Töne anklingen lassen. Denn immerhin hatte Blinken am Samstagabend doch noch das absolviert, worauf zahlreiche Beobachter gehofft hatten: Der Chef des US State Department holte – zumindest in einer Art Schmalspurvariante – sein schon für Anfang Februar geplantes persönliches Gespräch mit Wang nach. Damals hatte man es wegen der "Spionageballonaffäre" platzen lassen.

Kleiner "Ballongipfel"

Auch wenn dieser "Ballongipfel" keinerlei Reduzierung der bilateralen Spannungen brachte, so wurde die Tatsache, dass das Treffen überhaupt stattfinden konnte, schon als Erfolg gewertet. "Die USA wollen keinen Konflikt mit der Volksrepublik China und streben keinen neuen Kalten Krieg an", verlautbarte das US-Außenministerium.

Demonstration gegen das gemeinsame russisch-chinesisches Manöver Mosi II (mit Südafrika) – die Sorge vor noch engerer Zusammenarbeit wächst.
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Die zahlreichen weiteren "Bilaterals" – wie die Speeddatings im Hotel Bayerischer Hof im diplomatischen Jargon genannt werden – drehten sich vor allem um die Munitionsproduktion und die Verteidigungsbereitschaft in Europa: Der EU-Außenbauftragte Josep Borrell will die Mitgliedsstaaten Anfang März bei einem Treffen in Stockholm erneut bitten, ihre Munitionslager zu öffnen. Geplant sei auch, Munition gemeinschaftlich zu beschaffen, wie einst Vakzine. Man sei im "dringlichen Kriegsmodus."

Die transatlantischen Verbündeten, die in München in beeindruckender Einigkeit auftraten, würden zudem gerne die großen regionalen und internationalen Player wie Brasilien, Indien und vor allem China mehr in die Verantwortung nehmen, was Druck auf den Kreml betrifft. Diese zieren sich aber weiter und vermeiden eine scharfe Verurteilung.

Für China bloß ein "Konflikt"

Peking sprach in München meist nur vom "Konflikt"; und Wang Yi ist ein Meister darin, Diskussionen schnell auf eine Metaebene zu verfrachten und nur von der Wahrung der territorialen Integrität zu reden. Was man denn zu tun gedenke, wollte Ex-Siko-Chef Wolfgang Ischinger Wang festnageln. Ein Jahr nach Kriegsbeginn wolle China nun vermehrt auf einen Verhandlungsfrieden pochen und dem Kreml ein Positionspapier vorlegen, wie ein Frieden aus chinesischer Sicht aussehen könnte. Spekuliert wird, dass die von Corona hart getroffene chinesische Wirtschaft dies besonders wünscht, denn Krieg sei nun mal schlecht fürs Geschäft, ließ Wang durchblicken.

Konkretere Inhalte wurden vorerst nicht bekannt. Und so war nicht nur die Erwartungshaltung in München äußerst verhalten. Denn sollte nicht ein völliger Rückzug der russischen Truppen Teil des Plans sein – was Kreml-Chef Wladimir Putin klar ablehnt –, werden die Ukrainer dem Papier kaum Bedeutung beimessen.

Der chinesische Chefdiplomaten Wang Yi gilt als Meister der Diskursverlagerung.
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Wenn auch mögliche Waffenstillstands- oder gar Friedensverhandlungen stets mitgedacht werden müssten, wie etwa auch Österreichs Chefdiplomat Alexander Schallenberg immer sagt, so sah doch kaum jemand auf der Konferenz die Zeit dafür gekommen. Solange beide Seiten überzeugt sind, auf dem Schlachtfeld noch etwas zu erreichen, werden sie nicht aufgeben.

Zahlreiche Demos

Das ärgert auch die rund 20.000 selbsternannten Friedensaktivistinnen und Nato-Gegner, die am Wochenende durch die Münchner Innenstadt zogen und gegen die "westliche Kriegsgeilheit" polterten. Über die Stadt verteilt war es ein teils wilder Mix aus Demozügen von Altlinken, antifaschistischen Kräften, katholischen Friedensbewegungen, Corona-Leugnerinnen, Impfgegnern und nicht zuletzt Rechtsradikalen.

Mitunter trafen sie auf jene von zahlreichen Ukrainerinnen und Ukrainern besuchte Demo, die sich mehrmals lautstark für deutsche Waffenlieferungen bedankte und weitere Munition und Systeme forderte. In Schreiduellen wurden die anderen Demonstrierenden als "Lumpenpazifistinnen" und "Putin-Versteher" beschimpft.

Gemäßigter ging es im Konferenzgebäude zu. Aber auch hier machte US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die mit ihrem Tross die Innenstadt am Wochenende mehrmals zum Stillstand brachte, unmissverständlich klar, was die USA von Putin halten: Man könne nicht anders, als den Putin’schen Aggressionskrieg als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" einzustufen.

Forderung nach Streumunition

Für Aufsehen und einiges Kopfschütteln sorgte dann auch noch das Plädoyer des ukrainischen Vizeregierungschefs Olexander Kubrakow, auf eigenem Staatsgebiet Streumunition und Phosphor-Brandwaffen zu verwenden, sollten diese geliefert werden. Tatsächlich würde aus völkerrechtlicher Sicht wenig gegen einen Einsatz sprechen, da Kiew entsprechende Verträge nie unterzeichnete. Eine Lieferung jener Waffen – die Russland seit Kriegsbeginn einsetzt – durch westliche Staaten scheint aber nicht nur aktuell höchst unwahrscheinlich: Schallenberg warnte auch davor, dass der Einsatz "international geächteter Waffen Moskau in die Hände spielen würde". (Fabian Sommavilla aus München, 20.2.2023)