Auch dieses Jahr wird es Proteste gegen den Akademikerball geben. Unter dem Motto "WKR-Ball crashen!" gibt es am 23. und 24. Februar Demonstrationen in Wien.

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Der freiheitliche Parteichef macht einen Bogen um den diesjährigen Akademikerball in der Wiener Hofburg. "Nein, Herbert Kickl wird den Ball nicht besuchen", heißt es auf Anfrage seitens der FPÖ. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer hat er sich bisher nie auf der Großveranstaltung der deutschnationalen Burschenschaften sehen lassen. "Das ist nicht meine Welt", sagte Kickl bereits im Jahr 2014 der "Presse". Aus seinem Büro heißt es, dass in Kärnten ist, um dort am Wahlkampf teilzunehmen. Seine Abwesenheit erspart ihm jedenfalls Kritik und unangenehme Fragen.

"Schmiss-Germanen"

Der Ball ist die Veranstaltung der "Alten Herren" und aktiven Corpsstudenten, die meisten mit Narben im Gesicht. "Schmiss-Germanen" nannte sie der Schriftsteller Stefan Zweig einst spöttisch. Aus ihren Reihen stammen zentrale Aktivisten des österreichischen Rechtsextremismus.

Saufrituale, Männlichkeitskult, geduldete gegenseitige Körperverletzungen mit Hieb- und Stichwaffen und ein reaktionäres Weltbild: So gestaltet sich das Leben auf den Buden deutschnationaler Studentenverbindungen in Österreich.
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Es ist die Welt anderer hoher FPÖ-Politiker, die wenig dabei finden, mit dem Identitären-Anführer Martin Sellner, Personen aus dem Neonazimilieu oder russischen Rechtsextremen über das Parkett zu tanzen. Von 1952 bis 2012 wurde die Veranstaltung vom Wiener Korporationsring (WKR) organisiert. Nach Differenzen mit der Wiener Hofburg übernahm die FPÖ Wien, die ihn fortan Akademikerball nannte.

Das Ehepaar Sellner auf dem Weg zum Ball im Jahr 2020.
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Nie "unpolitisch"

Pandemiebedingt fiel der Ball in den vergangenen zwei Jahren aus. Dieses Jahr findet er am 24. Februar, dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine, statt. Das kommt auf der Facebook-Seite der Veranstaltung nicht gut an, wie dutzende Einträge zeigen. Zudem sorgt die OSZE-Versammlung mit russischer Beteiligung in direkter Nähe für Spekulationen. Ob tatsächlich russische OSZE-Delegierte den Ball besuchen werden, kann der FPÖ-Landtagsabgeordnete und langjährige Ballorganisator Udo Guggenbichler nicht sagen. Dies sei schlicht nicht zu kontrollieren, jeder könne sich außerdem eine Karte kaufen. Freude darüber hätte man jedenfalls keine, betont er, denn: "Als unpolitische Ballveranstaltung haben wir kein Interesse, uns von wem auch immer politisch instrumentalisieren zu lassen." Seitens der russischen Delegation heißt es dazu, dass kein Besuch von "Events, Bällen, Empfängen" geplant sei.

Der Ball wurde in den vergangenen Jahrzehnten mit vielen Attributen beschrieben, "unpolitisch" war nie darunter. Er gilt als Vernetzungstreffen der völkischen Rechten und Rechtsextremen aus ganz Europa. Organisiert wird er mittlerweile von der Wiener FPÖ, in der Burschenschafter den Ton angeben. Landesparteichef Dominik Nepp ist Mitglied der Aldania Wien, ebenso die Gemeinderäte Maximilian Krauss und Stefan Berger und der Landesgeschäftsführer Andreas Guggenberger.

Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp und der Ballorganisator Udo Guggenbichler im Jahr 2020 auf dem Ball.
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Rassismus, Provokationen und Liederabende

Insbesondere Krauss und Nepp fallen immer wieder mit Provokationen auf. Nepp erreichte damit Ende 2022 gar eine Sperre seines Twitter-Accounts. Im Zuge der Corona-Pandemie bezeichnete er Covid als "Asylantenvirus" und Asylwerber und Asylwerberinnen als "Virenschleudern". Zuletzt teilten Nepp und Kraus ein Meme, auf dem eine Person auf einen Klima-Aktivisten uriniert.

Akademikerball-Organisator Guggenbichler ist bei der Albia Wien, der Gemeinderat Dietbert Kowarik bei der Olympia, zu der auch der Identitäre Gernot Schmidt und der Kreml-Propagandist Alexander Markovics gehören. Die Olympia hält mit ihrer politischen Verortung kaum hinter dem Berg. Wiederholt veranstalteten die Olympen Liederabende mit neonazistischen Sängern wie Michael Müller 2003, bekannt für die Zeilen "Mit 6 Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an […] Wir haben reichlich Zyklon B […] Bei 6 Millionen Juden ist noch lange nicht Schluss." Auch zu Vorträgen mit einschlägigen Personen wurde immer wieder geladen. 2005 etwa wurde der britische Holocaust-Leugner David Irving in Österreich verhaftet, bevor er seine Festrede auf dem Stiftungsfest der Olympen halten konnte. 2018 war der deutsche NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt eingeladen, dessen Partei als Sammelbecken von Neonazis und Ewiggestrigen gilt.

Kritik von den Grünen

Dass rund 50 Prozent der FPÖ-Funktionäre im Wiener Gemeinderat und im Landtag deutschnationale Burschenschafter sind, "zeigt den rechtsextremen ideologischen Kern der FPÖ Wien auf", sagt Viktoria Spielmann von den Wiener Grünen. "Es ist unsere demokratische Pflicht, da viel genauer hinzuschauen, wenn sogar der Verfassungsschutz nach langer Zeit des Stillschweigens im Kapitel 'Rechtsextremismus' des Verfassungsschutzberichts 2021 davon spricht, dass 'es regelmäßig zu strafrechtlichen Verfahren gegen Mitglieder von deutschnationalen Burschenschaften' nach dem Verbotsgesetz und zu Ermittlungen wegen Verhetzung kommt", sagt die Landtagsabgeordnete.

Bei dem letzten Akademikerball vor der Pandemie war auch der Maler und Bildhauer Odin Wiesinger anwesend, der 2019 dem Nachrichtenmagazin "Profil" ein Interview gab, nachdem er von der FPÖ in den oberösterreichischen Landeskulturbeirat entsandt worden war. Zu seiner Mitarbeit in der ein Jahr zuvor eingestellten Burschenschafterpostille "Aula", in der KZ-Häftlinge als "Landplage" bezeichnet wurden, resümierte er: "Nur feine Menschen, angenehme Zeitgenossen waren da sicher nicht darunter. Diese Herrschaften." Nach diesem Interview war der Burschenschafter Wiesinger nicht mehr im Landeskulturbeirat tätig.

Ballbesucher Odin Wiesinger über KZ-Häftlinge: "Nur feine Menschen, angenehme Zeitgenossen waren da sicher nicht darunter."
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Tänzer und Moderator Willi Gabalier auf dem Ball

Auch der "Bares für Rares Österreich"-Moderator Willi Gabalier war bereits mehrmals auf dem Akademikerball. Der Bruder des "Volks-Rock-'n-'Rollers" Andreas Gabalier sorgte als Tänzer in den Jahren 2019 und 2010 für die Mitternachtseinlage. Auf seine Auftritte angesprochen meinte Willi Gabalier, dass man "in alle Richtungen tolerant" sein müsse. Er selbst sei zwar kein Burschenschafter, aber: "Ich habe viele Freunde bei Burschenschaften, die sehr liebenswerte Freigeister sind und die in keiner Weise radikal sind." Er habe früher auch in Graz oft bei einer akademischen Sängerschaft mitgesungen. "Es ist schön, das alte Liedgut aufrechtzuerhalten."

Ehrengast Alexander Dugin

Auf den Gästelisten der vergangenen Jahre fand sich Filip Dewinter vom belgischen Vlaams Belang, ebenso Mitglieder der französischen Le-Pen-Familie oder der russische Rechtsextremist Alexander Dugin. Er war 2009 als Ehrengast geladen. Dieses Jahr wird der Mann mit langem grauem Bart und schütterem Haupthaar nicht kommen, er wurde von den USA und der EU mit Sanktionen belegt. Dugin ist ein Scharfmacher, ein völkischer Ideologe, der von einem eurasischen Großreich träumt und "den liberalen Westen" verachtet. Er ist in Europa gut vernetzt, europaweit hofieren ihn andere Rechtsextreme und Antisemiten.

Alexander Dugin war 2009 Ehrengast auf dem Burschenschafterball.
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Den russischen Überfall auf die Ukraine verteidigte er weitgehend mit Argumenten, wie sie auch der russische Präsident Wladimir Putin verwendet. Es gehe bei der "Spezialoperation" um den Schutz der russischen Bevölkerung in der Ukraine und die Abwehr des "imperialistischen Einflusses" in der Ex-Sowjetrepublik. Dugins Gedankenwelt deckt sich teilweise mit der Ideologie Putins, Einfluss hat Dugin allerdings kaum.

Tochter bei Attentat getötet

Im Sommer des vergangenen Jahres wurde seine Tochter Darja Alexandrowna Dugina durch eine Autobombe in Moskau getötet. Bis heute ist unklar, ob sie selbst angegriffen werden sollte oder ob ihr Vater das eigentliche Ziel des Attentats war.

Im vergangenen Jänner gab Dugin dem rechten österreichischen Magazin "Zur Zeit" ein Interview, in dem er der US-Regierung unter Präsident Joe Biden die Schuld am Ausbruch des Ukraine-Konflikts gab. Ende Mai 2014 hatte Dugins Teilnahme an einem Geheimtreffen mit Marion Maréchal-Le Pen aus Frankreich, Heinz-Christian Strache und anderen rechten Politikern im Palais Liechtenstein für Schlagzeilen gesorgt. Der Schweizer "Tagesanzeiger" hatte berichtet, dass man bei der vom Oligarchen Konstantin Malofejew organisierten Veranstaltung den Geist der "Heiligen Allianz" des frühen 19. Jahrhunderts aufleben lassen wollte.

Russische Propaganda

Zuletzt dürfte der Rechts-außen-Denker im Jänner 2018 in Wien gewesen sein – auf Einladung eines Betreibers einer obskuren Website. Damals betonte Dugin auch Kontakte zu dem in Wien ansässigen Suworow-Institut, das vom Olympia-Burschenschafter Markovics geleitet wird, einem Mitbegründer der Identitären, der innerhalb der rechtsextremen Szene als "Dugin-Jünger" bezeichnet wird. Am Anfang des Ukraine-Feldzugs veröffentlichte er auf seiner Website einen Beitrag Dugins unter dem Titel "Lang lebe Neurussland! Die große slawische Reconquista beginnt". Darin schrieb der Kriegsbefürworter: "Nun macht der Kreml mit einer alptraumhaften Verspätung von 7 Jahren das, was er vor langer Zeit hätte tun sollen. Wir zahlen nun den fürchterlichen Preis für den Satz 'Besser spät als nie'. Aber in der Tat ist es besser spät als nie."

Das Suworow-Institut wird vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes als "Kreml-Proxy" beschrieben. Tatsächlich wirkt das Institut, als hätte es den Zweck, russische Propaganda zu verbreiten. So wurde etwa Alina Lipp eine Bühne geboten, die einen der reichweitenstärksten Kanäle russischer Propaganda in Deutschland betreibt, wie die ARD schreibt. Am 24. Februar lädt Markovics zu einem Vortrag über die "russische Militäroperation in der Ukraine".

Proteste gegen Burschenschaften in Wien 2020.
Foto: Markus Sulzbacher

Für 24. Februar ist auch eine Demonstration geplant, die sich gegen den Ball richtet. So hat die "Offensive gegen Rechts" eine Kundgebung angekündigt, die unter dem Motto "Faschos aus der Hofburg schmeißen!" steht. In den vergangenen Jahren sperrte die Polizei die Wiener Innenstadt großflächig ab, damit der Ball reibungslos über die Bühne gehen konnte. Einen Tag zuvor, am 23. Februar, findet eine antifaschistische "Warm-up"-Demonstration statt. (Markus Sulzbacher, 21.2.2023)

Update 15.55 Uhr: Aus dem Büro von Herbert Kickl heißt es, dass der FPÖ-Parteichef in Kärnten ist, um dort am Wahlkampf teilzunehmen.