Das Kultspiel begeistert die Menschen seit Jahrzehnten – nun wird seine Geschichte verflimt.

Foto: AP, Mark Lennihan

Wir schreiben das Jahr 1988. "Es ist das perfekte Spiel", erklärt Taron Egerton alias Henk Rogers seinem interessierten Gegenüber in einer opulenten Büroräumlichkeit mit Blick auf die aus dem Nebel ragenden Wolkenkratzer. Szenenwechsel. Auf einem alten Röhrenbildschirm flimmern grüne Chiffren, während Rogers Stimme andächtig bemerkt: "Es war das Schönste, was ich jemals gesehen habe." Die Rede ist von "Tetris", einem Videospiel, das seit seiner Erfindung Mitte der 80er-Jahre ganze Generationen begeistert. Die Entstehungsgeschichte des Kultspiels gleicht einem Hollywood-Thriller und soll nun eine würdige Verfilmung erleben.

Premiere am SXSW Festival

Bereits im Juli 2020 wurde bekannt, dass es eine Filmbiografie über die Erschaffung des Videospiels geben solle, Gerüchte darüber gehen sogar bis ins Jahr 2014 zurück. Beim heurigen SXSW Festival ("South by Southwest"), das von 10. bis 19. März in Austin, Texas, stattfindet, soll der Film nun endlich seine Premiere feiern.

Hauptdarsteller Taron Egerton vergleicht die Stimmung des Films mit jener von "The Social Network", der filmischen Aufarbeitung von Facebooks Gründungsgeschichte. Am 31. März soll die Verfilmung der Geschichte hinter "Tetris" auf Apple TV+ zu sehen sein. Ein Trailer gibt jetzt Einblicke, was sich die Fans erwarten dürfen.

Die Entstehungsgeschichte von "Tetris" soll ab 31. März auf Apple TV+ zu sehen sein. In der Hauptrolle: Taron Egerton als Henk Rogers, der die Rechte für Nintendo sicherte.
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Die Geschichte von "Tetris": Es ist kompliziert

Im Jahr 1985 entwickelte der sowjetische Programmierer und Wissenschafter Alexej Pajitnow den zukünftigen Klassiker, bei dem fallende Klötze so gedreht und gewendet werden müssen, dass volle Reihen gebildet werden.

Er verteilte das Spiel vorerst nur im kleinen Kreis. Doch das Suchtpotenzial des simplen Spiels war schnell unverkennbar: So soll ein Freund von Pajitnow, der "Tetris" für seine Mitarbeiter am Medizinischen Institut in Moskau besorgte, erlebt haben, dass die Menschen überhaupt nicht mehr arbeiteten, sondern vollends den kleinen Klötzchen verfallen waren. Letztendlich ließ er das Spiel der Produktivität zuliebe wieder verbieten.

Bürokratische Hürden in Zeiten des Kalten Krieges

Im Juni 1986 erkannte der Londoner Videospielhändler Robert Stein das Potenzial von "Tetris". Allerdings erwies sich die Kontaktaufnahme mit Pajitnow als überaus kompliziert: Er kontaktierte ihn per Fax, in einer Antwort (ebenfalls per Fax) soll Pajitnow an einem Rechteverkauf interessiert gewesen sein. Doch aufgrund der politischen Situation musste Pajitnow erst eigene Genehmigungen für eine Korrespondenz mit dem Westen und den Verkauf der Rechte einholen.

Sobald diese bürokratische Hürde überwunden schien, machte sich Stein auf die Suche nach Vertriebspartnern für das Spiel. Letztendlich verkaufte er die Rechte für den europäischen Raum an Mirrorsoft, jene für den amerikanischen Raum an Spectrum Holobyte. Das Problem: Zu diesem Zeitpunkt hatte Stein genau genommen noch gar keinen gültigen Vertrag über die Rechte mit der Sowjetunion abgeschlossen.

Erfolg trotz ungeklärter Urheberrechte

Das Spiel entwickelte sich binnen kürzester Zeit zum Erfolg, zehntausende Spiele wurden innerhalb von zwei Monaten in Europa verkauft, über 100.000 Verkäufe waren es in einem Jahr in Amerika. Doch das Problem mit den Eigentumsrechten war vorerst noch ungelöst.

Letztendlich stieg die russische Behörde Elorg (Electronorgtechnica) – in Apples Filmadaption übrigens in den Gebäuden der Universität von Aberdeen gefilmt – in die Verhandlungen ein.

Im Jahr 1988 kam es endlich zu einer Einigung zwischen Stein und Elorg, doch die Streitigkeiten sollten damit noch nicht begraben sein. Mirrorsoft und Spectrum Holobyte hatten da schon eigene Lizenzen erworben, während die Behörde Elorg die einzelnen Lizenzanwärter gegeneinander ausspielte. Das führte letztendlich dazu, dass es zahlreiche "Abklatsche" des Kultspiels gab.

Nintendo als Profiteur oder: Warum Konsolen keine Computer sind

Für Nintendo und seinen Game Boy war "Tetris" übrigens ein Segen, denn dank des Klötzchenpuzzles erlebte die tragbare Spieleonsole aus dem Jahr 1989 einen regelrechten Boom. An dieser Stelle kommt Henk Rogers, die Hauptrolle in Apples Adaption, ins Spiel.

Rogers entdeckte "Tetris" auf einer Computermesse bei Atari Games und brachte es zu Nintendo, wo man kurzerhand eine eigene Version des Spiels entwickelte. Rogers Freundschaft mit Pajitnow ermöglichte es ihm, die Lizenz für Spielkonsolen von Elorg zu erwerben, und legte so einen Grundstein für die heute so populäre Version des Spiels, die wenig später für Nintendos Game Boy erschien.

Elorg, die eigentlich bereits einen Vertrag mit Stein abgesegnet hatte, bediente sich hier einer List: In einem Vertrag wurden Stein die "Tetris"-Rechte für Computer zugesagt – definiert als Maschine mit Bildschirm und Tatstatur. Stein unterschrieb in einem unaufmerksamen Moment die Klausel, ohne zu bemerken, dass ihm dies nicht die Rechte für portable Versionen sicherte. Die Konsolenrechte sicherte letztendlich Henk Rogers für Nintendo, der zu dieser Zeit ein gutes Verhältnis zum damaligen Nintendo-Chef Hiroshi Yamauchi pflegte. Der Rest ist Geschichte.

Der Kult in Zahlen

Seit seiner Veröffentlichung wurde "Tetris" laut einem Bericht von Statista über 100 Millionen Mal verkauft. Nach "Minecraft" (238 Millionen) und "Grand Theft Auto V" (175 Millionen) ist es damit das drittmeistgekaufte Videospiel weltweit. Im Jahr 1996 fielen die Rechte übrigens wieder an Alexej Pajitnow zurück. 2002 brachte dessen Firma Tetris Company zwar ein Remake heraus – dennoch konnte "Tetris Worlds" das Original abgesehen von seiner Grafik nicht mehr toppen. (Lisa Haberkorn, 20.2.2023)