Das Gelände der Millennium City am Wiener Donauufer beherbergt auch einen beliebten Club – in dem sich im vergangenen Oktober ein 29-Jähriger strafbar gemacht haben soll.

Foto: Christian Fischer

Wien – Übermäßiger Alkoholkonsum hat nicht nur negative gesundheitliche Konsequenzen, sondern zieht bei bestimmten Persönlichkeitstypen auch Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion nach sich, wie man vor dem Strafgericht immer wieder verfolgen kann. So auch im Fall von Herrn S., einem unbescholtenen 29-Jährigen, der wegen Betrugs, Nötigung und Verleumdung vor Richterin Danja Petschniker sitzt. Alle drei Delikte soll er innerhalb kurzer Zeit am 8. Oktober im A-Danceclub in der Wiener Millennium City begangen haben, zu allen dreien bekennt er sich nicht schuldig.

"Es wurde damals der Geburtstag der Mutter gefeiert. Daraus ergibt sich schon nichts Gutes", beginnt Verteidiger Gerhard Hickl sein Plädoyer etwas überraschend. Die Begründung für die negative Konnotation eines Wiegenfests liefert er dann gleich nach: "Die Familie und auch mein Mandant sind in dem Lokal Stammgäste. Leider hat der Angeklagte auch ein großes Mundwerk. Daher hatte er auch immer wieder Hausverbot", führt Hickl über den arbeitslosen Österreicher aus.

Drei Vorwürfe der Staatsanwaltschaft

Der Staatsanwalt wirft S. vor, er habe zunächst die Zeche prellen wollen, indem er am Ende bei der Kassa behauptete, er habe keine Bonierungskarte, auf die Konsumationen aufgebucht werden, die beim Verlassen des Clubs bezahlt werden müssen. Als sich ein Security einmischte, soll der Angeklagte gedroht haben: "Ich warte draußen mit meinen Freunden, wenn ich die Rechnung zahlen muss!" – aus Sicht der Anklagebehörde eine Nötigung. Als die Polizei eintraf, soll S. schließlich behauptet haben, der Security habe ihn zweimal ins Gesicht geschlagen, obwohl das nicht stimmte. Womit die Verleumdung erfüllt wäre.

Den Betrugsvorwurf weist der Angeklagte entschieden von sich. Denn er habe als regelmäßiger Besucher natürlich gewusst, dass bei Verlust der Bonierungskarte eine Pauschale von 140 Euro beim Verlassen zu zahlen sei. "Ich habe einfach meine Karte nicht gefunden. Aber da war nichts drauf, da mich der Lebensgefährte meiner Mutter eingeladen hat." Zugegebenermaßen sei er aber ziemlich betrunken gewesen, er weiß daher nicht mehr, ob er das gegenüber der Dame, die kassieren wollte, auch genauso artikuliert habe, gibt der Angeklagte zu. Wie sich im Prozessverlauf herausstellt, dürfte er erheblich alkoholisiert gewesen sein und daher vergessen haben, dass er seine Karte bereits bei der Ankunft dem Lebensgefährten der Mutter gegeben hat.

Drohungen möglich, aber nicht ernst gemeint

An Drohungen gegen den Sicherheitsmitarbeiter, der ihn zur Seite nahm, kann S. sich nicht mehr erinnern. Vorstellen könne er sich Drohungen nicht, meint der zweifache Vater, ausschließen will er es ob seines Zustands aber auch nicht ganz. "Kann sein", sagt er zur Richterin. Aber er habe es auf jeden Fall nicht ernst gemeint.

"Und was ist dann passiert?", will die Richterin wissen. "Dann ist die Polizei gekommen, und ich habe meine Karte gezahlt." – "Haben Sie da nicht was vergessen?" – Der Angeklagte ist überfragt. "Na ja, Sie haben zu den Polizisten gesagt, der Security habe Ihnen ins Gesicht geschlagen." – "Kann ich mir nicht vorstellen!" – "Die Polizisten lügen also?" – "Nein. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das gesagt habe."

Der Auftritt der Sicherheitskraft und des Geschäftsführer des Clubs bieten dann der Schulklasse, die alle Plätze im Zuseherraum besetzt, lebensnahe Einblicke in den Alltag, besser: die Allnacht der Wiener Unterhaltungsgastronomie. Der Security erinnert sich noch daran, dass S. gegen 00.20 Uhr beim Ausgang seine Karte nicht finden konnte und es in weiterer Folge zu Beschimpfungen durch den Angeklagten gekommen sei.

Fröhlicher und abgebrühter Zeuge

"Was hat Herr S. denn gesagt?", interessiert Petschniker. "Das war eine Klassikergeschichte", eröffnet der Ungar fröhlich. "Ich ficke dich!", "Ich ficke euch", "Du verlierst deinen Job!", all das sei gefallen. "Welchen Eindruck hat der Angeklagte auf Sie gemacht? War er betrunken?" – "Er war nicht so betrunken. Er konnte stehen und sogar noch reden", ist der Zeuge ganz andere Gäste gewohnt. "Hat er noch was gesagt?", bohrt die Richterin nach. "Bei der Polizei haben Sie erwähnt, dass er gesagt hat, er wartet mit Freunden vor dem Lokal auf Sie?" – "Ah ja, stimmt", bestätigt der Security. "Haben Sie sich gefürchtet?", will Petschniker wissen. "Na!", lautet die lachende Antwort. "Das bekomm ich jeden Tag drei-, vier-, fünfmal zu hören", verrät der Zeuge. S. sei auch nicht aggressiv gewesen. "Aber arrogant."

Der Geschäftsführer berichtet, er kenne S. und dessen Familie bereits seit über zehn Jahren. In der fraglichen Nacht sei der Angeklagte seiner Einschätzung nach "mittelbetrunken" gewesen, er habe ihn auch schon anders erlebt. "Es hat im Lokal immer wieder Zwischenfälle gegeben mit der Familie. Bis hin zum Hausverbot", gibt er bekannt. Zu Petschnikers Freude hat der Zeuge auch Aufnahmen aus der Überwachungskameras mitgebracht, die es aus nicht eruierbaren Gründen nicht in den Akt geschafft haben.

Zu sehen ist die Szenerie ab dem Moment, wo der Angeklagte an der Kassa erscheint und seine Karte nicht vorweisen kann. Zu sehen ist auch, dass es zu keinen Handgreiflichkeiten zwischen dem Security und S. kommt. Man habe die Filme auch den einschreitenden Polizisten gezeigt, betont der Geschäftsführer. Die angeklagte Nötigung hat dieser Zeuge nicht selbst gehört, beeindruckt ist er davon aber nicht: "Diese Aussagen hören wir sehr oft."

Teilgeständnis nach Videovorführung

Angesichts der Videos bitte der Angeklagte darum, sich nochmals zu Wort melden zu dürfen. Die Richterin erteilt es ihm, worauf S. sich im Fall der Verleumdung schuldig bekennt. "Es tut mir echt leid. Ich wüsste jetzt nicht, warum ich das gesagt habe", entschuldigt er sich. "Das ist aber keine Kleinigkeit. Es gibt auch Fälle, in denen Menschen wegen falscher Anschuldigungen in Untersuchungshaft genommen werden", ermahnt Petschniker ihn. "Was würden Sie sich denken, wenn Sie hier sitzen würden, weil irgendjemand fälschlicherweise behauptet, Sie hätten ihn geschlagen?"

Die Verfahrensbeteiligten erklären sich nach dem Geständnis bereit, dass die Aussagen der verhinderten Polizisten zusammengefasst verlesen werden. Im Amtsvermerk haben die Beamten notiert, dass der Angeklagte ziemlich betrunken gewesen sei, denn: "Aufgrund der Alkoholisierung gestaltete sich die Vernehmung sehr schwierig." Als seine – nicht minder illuminierte – Mutter mit der vermissten Karte kam, habe S. geschrien, er sei geschlagen worden. "Von wem?", wollte die Mutter wissen. "Der Hurensohn dort! Nachdem ich seine Mutter gefickt habe, hat er mich geschlagen!", deutete der Angeklagte auf den unschuldigen Security, hielten die Uniformierten fest.

Differenziertes Urteil

Von den Vorwürfen des Betrugs und der Nötigung spricht die Richterin S. anschließend frei. "Ich sehe keine Täuschungshandlung", versteht sie die Anklage bezüglich der Bonierungskarte nicht ganz – schließlich hätte der Angeklagte die 140 Euro ja in jedem Fall zahlen müssen. Bezüglich der Nötigung ist ihr die Drohung zu unkonkret für eine Verurteilung.

Die Verleumdung des Sicherheitsmannes wird dagegen mit drei Monaten bedingter Haft geahndet. "Ich habe Ihnen vorher schon erklärt, dass das kein Kavaliersdelikt ist. Auch wenn Sie unbescholten sind, sprechen generalpräventive Gründe gegen eine Diversion", begründet Petschniker ihr Urteil. S. akzeptiert dieses, der Staatsanwalt gibt keine Erklärung ab, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 20.2.2023)