Auf den Hitzesommer 2022 (Foto) folgte ein viel zu trockener Winter. Der Wasserstand im Gardasee ist extrem niedrig.

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Fast alle Seen in Norditalien haben ungewöhnlich wenig Wasser.

Am Wochenende haben am Gardasee hunderte von Ausflüglern der Isola di San Biagio, auch "Kaninchen-Insel" genannt, einen Besuch abgestattet. Angelockt wurden sie nicht nur vom strahlend schönen und überdurchschnittlich warmen Wetter, sondern auch vom Umstand, dass man zu Fuß ans Ziel gelangen konnte: Der Pegelstand des Gardasees ist derart tief, dass das Inselchen nun durch eine Landzunge mit dem Westufer des Sees verbunden ist.

Nicht besser ist die Situation bei den anderen Voralpenseen, die im Sommer als wichtige Wasserspeicher dienen: beim Lago Maggiore, beim Lago d'Iseo und beim Comer See. Die Pegelstände liegen auch dort rund einen Drittel oder mehr unter dem Niveau des Vorjahres – also des Jahres mit der schlimmsten Dürre seit 70 Jahren.

Besorgniserregende Situation

Der Gardasee, das größte Wasserreservoir Italiens, ist bei nur noch 35 Prozent seiner Speicherkapazität angelangt. "Wir haben in dieser Jahreszeit noch nie ein so geringes Wasservolumen registriert", betont Pierlucio Ceresa, Generalsekretär des Verbands der Gardasee-Gemeinden. Die Situation sei "besorgniserregend", und deshalb habe man schon Anfang Februar beschlossen, die Abflussmenge des Flusses Mincio drastisch zu reduzieren.

Das Wasser des Sees müsse für den Sommer aufgespart werden: Dann wird es für den Tourismus am See, für die Fischerei, aber auch für die künstliche Bewässerung im Einzugsgebiet des Mincio rund um Mantua gebraucht. Es sei noch nie vorgekommen, dass man den Abfluss schon so früh im Jahr habe reduzieren müssen, betont Ceresa.

Mehrere Meter unter normalem Niveau

Dramatisch ist auch die Situation des Po. Statt gemächlich und majestätisch hinziehender Wassermassen dominieren breite Sand- und Kiesbänke das Bett des längsten Flusses Italiens. Bei den meisten Messstationen liegt der Wasserpegel mehrere Meter unter dem Niveau, das in dieser Jahreszeit eigentlich normal wäre – man wähnt sich im August, nicht im Februar.

Vor allem führt der Po auch deutlich weniger Wasser als im Februar des letzten Jahres. Auch die Grundwasserspiegel sind noch tiefer als im Vorjahr, und in den Alpen liegt ebenfalls kaum mehr Schnee als im vergangenen Winter. "Wir sind konfrontiert mit einem chronischen Wasserdefizit, das seit dem Winter 2020/21 anhält und sich kumuliert", erklärt der Klimaforscher vom nationalen Wissenschaftsrat CNR, Massimiliano Pasqui.

Unter den Bauern in der Po-Ebene, die für 40 Prozent der Landwirtschaftsproduktion des Landes verantwortlich sind, herrscht bereits wieder Alarmstimmung. "Die Situation ist schlimmer als letztes Jahr, als wir wegen der Dürre Einnahmenausfälle von sechs Milliarden Euro verzeichneten", erklärt Ettore Prandini, Präsident des Bauernverbands Coldiretti. In diesen Tagen stehe man vor der Aussaat, bei der die Erde feucht sein müsste. Stattdessen sei sie wieder staubtrocken, und die Felder müssten bewässert werden. Italien ist diesbezüglich besonders exponiert: 42 Prozent der Landwirtschaftsproduktion sind selbst in normalen Jahren auf Bewässerung angewiesen. In der EU haben nur Griechenland und Malta einen noch höheren Anteil.

Folge des globalen Klimawandels

Für den Klimaforscher Pasqui steht außer Frage, dass die fehlenden Niederschläge eine Folge des globalen Klimawandels sind. "Wir stellen fest, dass die atlantischen Störungen, die früher im Winter und im Frühling für viel Regen verantwortlich waren, immer häufiger nördlich der Alpen an Norditalien vorbeiziehen", betont Pasqui. Oder es bildeten sich im südlichen Mittelmeer Tiefdruckwirbel. Tatsächlich sind Anfang Februar am 3.000 Meter hohen Ätna meterweise Schnee gefallen; in tieferen Lagen in Sizilien und Kalabrien gab es Überschwemmungen. "Wir werden lernen müssen, mit der Trockenheit in Norditalien zu leben. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass solche Situationen immer häufiger werden", betont Pasqui.

Natürlich könnte Regen die jetzige Situation noch entspannen, sofern er auch tatsächlich käme. Aber Klimaforscher Pasqui warnt vor Illusionen: "Es bräuchte mindestens 500 Millimeter Niederschlag in den kommenden Wochen, und nötig wäre ein nicht allzu heftiger, lange anhaltender Regen, der vom Boden aufgenommen werden kann", betont Pasqui. Erforderlich wären mindestens 50 solche Regentage – und das sei leider "wenig wahrscheinlich". (Dominik Straub, 21.2.2023)