"Rien ne va plus" heißt es mit unangenehmer Regelmäßigkeit auf den Linzer Innenstadtstraßen. Spätestens 2024 soll zumindest auf dem Hauptplatz der Autoverkehr Geschichte sein.

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Linz – Die Diskussionen rund um den Linzer Verkehr haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auf politischer Ebene über weite Strecken nicht einmal mehr im Kreis gedreht. Stillstand war das Motto – der Verkehrskarren in der Landeshauptstadt ist verfahren. Vielerorts rollt die Blechlawine längst nicht mehr, und zu Stoßzeiten wird Linz innerstädtisch regelmäßig zu einem einzigen Parkplatz.

Stadtbahn in der Remise

Dem stehen mehrere Verkehrsprojekte gegenüber – in ganz unterschiedlichen Realisierungsstadien. 2024 soll die aktuell im Bau befindliche Westringbrücke über die Donau für den Verkehr freigegeben werden. Völlig offen ist, ob 2027 als Realisierungszeitpunkt für die "OÖ Regional-Stadtbahn" als Alternative für Einpendler aus dem Mühlviertel hält. Dem Vernehmen nach laufen aktuell die Finanzierungsverhandlungen äußerst zäh.

Im verkehrspolitischen Abseits ist hingegen die geplante Ostumfahrung. Dazu hängen immer wieder Ideen wie eine Stadtseilbahn in der Linzer Luft. Vor diesem schwierigen Hintergrund hat vor fast genau einem Jahr Martin Hajart das Amt des Linzer Vizebürgermeister übernommen – und damit als zuständiger Verkehrsreferent auch die Aufgabe, die Irrwege der Linzer Verkehrsplanung zu entflechten.

Angetreten ist der ÖVP-Mann gleich mit einer starken Ansage: Er wolle die "Mobilitätswende" in der oberösterreichischen Landeshauptstadt einleiten. Ziel müsse es sein, den Platz in der Innenstadt neu aufzuteilen.

Autos raus aus der Innenstadt

Eigentlich sollten die Fahrzeuge aus der Innenstadt erst 2024 mit der Freigabe der Westringbrücke weitgehend verbannt werden. Doch Hajart kündigte an, bereits früher entsprechende Schritte in Richtung autofreier Hauptplatz, etwa mit der Schaffung einer Begegnungszone, setzen zu wollen. Abrunden soll die neue Offensive zur Verkehrsberuhigung eine "Radverkehrsstrategie".

Ein Jahr später fällt eine Bilanz auf den ersten Blick aber durchaus überschaubar aus: Die angekündigte Begegnungszone ist zwar verordnet, von einer neuen Autofreiheit ist auf dem Linzer Hauptplatz aber nichts zu sehen. Ebenso fehlt eine gesamtstrategische Drahtesel-Offensive. Ist der ÖVP-Vizebürgermeister also bereits nach einem Jahr von der Überholspur auf den Pannenstreifen gewechselt? Hajart: "Überhaupt nicht. Ich halte nach wie vor an den Zielen, die ich mir vor einem Jahr gesteckt habe, fest. Sowohl an dem Plan, Linz zur Fahrradstadt zu machen, als auch an der Mobilitätswende." Klar sei aber: Man könne nicht alles "in einem Jahr" festmachen. Hajart: "Das ist eine Aufgabe für viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Da muss man Schritt für Schritt vorangehen."

Dennoch sei etwa im Bereich des Radfahrens viel gelungen: "Wir haben eine Fahrradstrategie begonnen, die im Sommer fertig wird, neue Radwege und Mehrzweckstreifen errichtet und als Vorreiter in Österreich das Rechtsabbiegen bei Rot eingeführt – an mittlerweile zwölf Kreuzungen." Bei den Öffi-Projekten könnte, so Hajart, aber "durchaus schneller ein Fortschritt erfolgen." Der Hintergrund sei hier immer die Finanzierung: "Die Stadt Linz hat leider sehr hohe Schulden – und das hemmt natürlich Entwicklungen."

Rote Staudifferenzierung

Der Linzer SPÖ-Verkehrssprecher Florian Koppler sieht hingegen nicht "das große Stauproblem" in der Landeshauptstadt. Koppler: "Wir haben ein Stoßzeitenproblem. Abseits der Rushhour haben wir keinen Stau. Wenn du am Wochenende durch die Stadt gehst, glaubst du ja, es ist ausgestorben in manchen Stadtteilen."

Optimistisch zeigt sich der rote Verkehrssprecher aber hinsichtlich einer städtischen O-Bus-Offensive – auch als Alternative zur ursprünglich geplanten zweiten Schienenachse: "Bezüglich der geplanten neuen Linien 13, 14, 47 und 48 laufen aktuell noch die Finanzverhandlungen mit dem Land. Ich rechne aber mit einer Einigung noch im heurigen Frühling."

Die Arbeit des schwarzen Verkehrsstadtrats sieht Koppler zwiespältig: "Martin Hajart hat viel angekündigt, und ich bin gespannt, was er tatsächlich umsetzen wird. Die Ideen etwa hinsichtlich einer Verkehrsberuhigung auf dem Hauptplatz und den Ausbau des Radnetzes tragen wir als SPÖ natürlich mit."

Grüne: "Zu wenig radikal"

Vorsichtiges Lob kommt auch aus der grünen Gemeinderatsecke. Verkehrssprecher Helge Langer: "Im Vergleich zu vorher wird Verkehrspolitik jetzt neu gedacht. Es ist sicher besser geworden unter dem neuen Verkehrsreferenten." Aber letztlich agiere man immer noch zu zögerlich: "Es ist immer noch eine Spur zu wenig radikal."

Linz habe nämlich definitiv ein Verkehrsproblem. "Ein Stauproblem in der Rushhour, aber eben auch ein Verkehrsproblem hinsichtlich der Verfügbarkeit der Öffis. Es gibt grobe Mängel im Bereich der Infrastruktur." Einen Grund dafür, warum Verkehrslösungen oft über Jahre diskutiert und nur selten letztlich auch umgesetzt werden, macht auch Langer in der mitunter schwierigen, aber notwendigen Kommunikation zwischen Stadt und Land aus: "Da hakt es halt oft gewaltig." (Markus Rohrhofer, 21.2.2023)