Die russische Fregatte Admiral Gorschkow auf dem Weg zur geplanten Marineübung mit der südafrikanischen und der chinesischen Marine in Durban.

Foto: REUTERS/Rogan Ward

Wohlmeinende Beobachter halten Südafrikas Regierung zugute, sie habe die Sache mit dem Zeitpunkt wohl nicht früh genug geschnallt. Dass Südafrikas Marine ausgerechnet am Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine eine gemeinsame Übung mit russischen – und chinesischen – Kriegsschiffen vor Südafrikas Küste veranstaltet, schlägt derzeit Wellen weit über das Kap der Guten Hoffnung hinaus: "Eine, gelinde gesagt, besorgniserregende Angelegenheit", schimpft etwa EU-Außenminister Josep Borrell.

Es ist nicht die erste Militärübung, die Südafrika mit seinen russischen und chinesischen Partnern des Brics-Bündnisses (dem außerdem noch Indien und Brasilien angehören) abhält: Schon vor vier Jahren jagten Fregatten der drei Staaten vor der südafrikanischen Küste vermeintliche Piraten, löschten Küstenfeuer und versuchten probehalber die Folgen von Überschwemmungen zu lindern.

Doch damals war keiner der Partner in einen Angriffskrieg verwickelt, und der 24. Februar hatte nicht die historische Bedeutung, die ihm heute zukommt. "Ich weiß nicht, ob unsere Regierung den angerichteten Schaden abgeschätzt hat", meint Steven Gruzd vom Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten.

Berüchtigte Symbole

Und der Kommandant des russischen Kontingents, Kapitän der 1. Klasse Oleg Gladky, zeigte kein Erbarmen mit seinen südafrikanischen Gastgebern. Als er schon vor einer Woche die Fregatte Admiral Gorschkow zum Auftanken in den Hafen von Kapstadt einlaufen ließ, prangte auf dem Kriegsschiff steuerbord ein großes Z und backbord ein nicht minder großes V: die berüchtigten Symbole der russischen Invasion in die Ukraine.

Spätesten da war die Beteuerung Pretorias obsolet geworden, dass es sich bei dem bevorstehenden Kriegsspiel um ein harmloses Manöver handle, wie es der Staat an der Südspitze Afrikas regelmäßig auch mit anderen befreundeten Nationen abhalte – allein in den vergangenen zwölf Jahren viermal mit den US-Streitkräften, einmal mit der Bundesmarine und einmal mit Frankreich. Doch die hatten alle keinen Krieg vom Zaun gebrochen.

Beteiligung von zwei chinesischen Fregatten

Und dann sorgte noch ein anderes Detail kurz vor dem am Mittwoch im Ernst beginnenden Kriegsspiel für Aufsehen. Von der Admiral Gorschkow ist bekannt, dass sie neben herkömmlichen Raketen auch die russische "Wunderwaffe" Zirkon mit sich führt: ein gut tausend Kilometer weit reichendes Geschoß, das fast sechsmal schneller als die Schallgeschwindigkeit fliegt und deshalb weder vom Radar erkannt noch von Abwehrraketen vom Himmel geholt werden kann.

Die russische Nachrichtenagentur Tass meldete triumphierend, dass im Rahmen des Manövers auch eine Zirkon abgefeuert werden soll: ein Propagandacoup, der sowohl Russlands Stärke wie auch die Zahl seiner einflussreichen Freunde demonstrieren soll. In diesem Zusammenhang spielt auch die Beteiligung der zwei chinesischen Fregatten beim Manöver eine Rolle – zu einem Zeitpunkt, an dem sich Peking immer forscher in den Ukraine-Krieg einmischt, entweder mit der Ankündigung von Friedensplänen oder von Waffenlieferungen an Russland.

Riskantes Spiel

Schon seit Monaten ist von Südafrika bekannt, dass es dem westlichen Druck nicht nachgeben wird, sich einer Verurteilung Russlands anzuschließen. Gleich dreimal enthielt sich Pretoria in den Vereinten Nationen der Stimme, als es um Sanktionen oder Russland-kritische Resolutionen ging. Man wolle sich seine Neutralität nicht von Bullys nehmen lassen, hieß es zur Begründung. Auf die Unterstützung der eigenen Bevölkerung kann sich der regierende ANC dabei gar nicht berufen: Einer Umfrage zufolge sind mehr als 60 Prozent der Südafrikaner mit dem Russland-freundlichen Kurs ihrer Regierung nicht einverstanden.

Und jetzt setzt der ANC auch noch die Beziehungen zum Westen aufs Spiel: In Washington wird bereits darüber nachgedacht, ob Südafrika nach dem Kriegsspiel im Indischen Ozean nicht die wirtschaftlichen Begünstigungen entzogen werden sollten. "Es ist ein Schlag ins Gesicht unserer wichtigsten Handelspartner", schimpft Kobus Marais, der Schattenverteidigungsminister der oppositionellen Demokratischen Allianz. Das Handelsvolumen Südafrikas mit der EU beträgt jährlich 53 Milliarden US-Dollar, das mit Russland 750 Millionen. (Johannes Dieterich, 21.2.2023)