Sein Name ist harmlos und vom Christuskind abgeleitet: El Niño tritt nämlich meist rund um die Weihnachtszeit auf und sorgt vor der Küste Perus für hohe Wassertemperaturen und ausbleibende Fischschwärme. Deshalb waren es auch peruanische Fischer, die diesem Phänomen den Namen gegeben haben.

Was für die Fischer nach einem lokalen Phänomen aussieht, hat globale Bedeutung: El Niño, der in unregelmäßigen Abständen von durchschnittlich vier Jahren auftritt und als Gegenpart "La Niña" hat, kann sich auch noch in den entlegensten Regionen der Welt auf das Wetter auswirken und die globalen Temperaturen erhöhen: 2016, das bisher heißeste Jahr seit Messbeginn (mit 1,2 Grad Celsius über den vorindustriellen Temperaturen) war ein besonders starkes El-Niño-Jahr.

Der El Niño des Jahres 1997 und seine Auswirkungen auf die Meerestemperaturen vor Peru.
Grafik: NCEP, NOAA / gemeinfrei

Für 2023 gehen Meteorologinnen und Klimaforscher davon aus, dass Ende dieses Jahres nach drei La-Niña-Jahren wieder ein El Niño einsetzen wird, der danach zu noch stärkeren Hitzewellen und neuen Temperaturrekorden führen wird. Und eine neue Studie behauptet, dass sich die Veränderungen der Meeresströmung durch El Niño entgegen bisheriger Vermutungen auch schmelzend auf das Eis in der Antarktis auswirken werden.

Komplexes Zirkulationssystem

Wissenschaftlich betrachtet handelt es sich bei El Niño um ein Phänomen der veränderten Meeresströmungen, das ein komplex gekoppeltes Zirkulationssystem mit der Erdatmosphäre (genauer: der Südlichen Oszillation) bildet, das zusammengenommen wiederum als Enso abgekürzt wird (El Niño Southern Oscillation) und sich durch Wechseln zwischen El Niño, seinem kühleren Gegenstück La Niña und neutralen Bedingungen auszeichnet.

In den letzten drei Jahren gab es eine ungewöhnliche Reihe von aufeinanderfolgenden La-Niña-Ereignissen – dennoch war 2022 das fünft- oder sechswärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. 2023 dürfte wieder ein El-Niño-Jahr werden. Im Dezember schätzte die US National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) die Wahrscheinlichkeit, dass sich bis zum Herbst ein El Niño bildet, auf 66 Prozent ein.

50:50-Wahrscheinlichkeit für 1,5 Grad plus

Falls die bisherigen Prognosen zutreffen, dann könnte 2023 wärmer als 2022 werden und das Jahr 2024 vermutlich zu neuen globalen Temperaturrekorden führen. "Es ist wahrscheinlich, dass der nächste große El Niño die Temperatur um über 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau ansteigen lässt", sagte Adam Scaife, Leiter der Abteilung für Langfristige Vorhersagen beim britischen Met Office, in mehreren Interviews zu Beginn dieses Jahres, unter anderem im "Guardian": Die Wahrscheinlichkeit, dass es in den nächsten fünf Jahren dazu komme, liege jetzt bei 50:50.

Der ungünstigen Nachrichten nicht genug, warnt eine neue Studie, die am Montag im Fachblatt "Nature Climate Change" erschien, davor, dass die prognostizierte Zunahme der Intensität von El Niño auch zu einer Erwärmung des antarktischen Schelfmeeres in der Tiefe führen würde. Das wiederum dürfte das Schmelzen des Schelfeises und der Eisschilde beschleunigen, während der Rückgang des schwimmenden Eises gebremst würde, weil die Oberflächentemperaturen des Meerwassers absinken könnten. Immerhin: Das Ausmaß dieser Effekte auf den Gesamteisverlust in der Antarktis ist noch nicht klar.

2024 als mögliches Rekordjahr

Zuerst muss aber erst einmal El Niño für 2023 bestätigt werden. Bis Juni werde das Bild viel klarer sein, sind sich die Fachleute einig. Dann sollte sich auch abschätzen lassen, wie stark der mögliche El Niño wird. Einer der bekanntesten Klimaforscher, James Hansen (Columbia University in New York), schrieb bereits im Herbst des Vorjahrs, dass ein viertes kühlendes La-Niña-Jahr unwahrscheinlich sei. Und weiter: "Wir gehen davon aus, dass 2024 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein wird." (tasch, 20.2.2023)