Neue Zeiten: In dem Keller in der Neubaugasse im 7. Bezirk macht Karl Boubal etwas, was immer seltener wird – er repariert Staubsauger oder Küchenmaschinen. "Heute repariert keiner mehr was, die Sachen werden einfach weggehaut."

Foto: Christian Fischer

"Damals haben die Staubsauger noch 30 Jahre gehalten, und dann haben wir sie repariert."

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"Wegwerfen, neu kaufen. Das Arbeitsleben hat sich massiv geändert, das Kundenverhalten auch."

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"Warten S’, pracken S’ die Tür fest zu! Und jetzt setzen Sie sich da her! Also: Der Schaufler, dem das alles gehört hat, hat die Werkstatt im 1946er-Jahr gegründet, die andere Hälfte da herunten im Keller war eine Tischlerei. Er hat jede Werkbank, jedes Prüffeld, jedes Ladl selbst gebaut, der war ein Ehrgeizler, aber auch ein bisserl ein Häferl.

Karl Boubal, Jahrgang 1949, wollte eigentlich immer Tischler werden.
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Ich bin ein 1949er-Jahrgang, in Wien geboren, hab Volksschule und Hauptschule gemacht und dann ab 1964 da gelernt, zwei andere Lehrbuben waren schon da, aber der Chef hat noch einen gesucht. Eigentlich wollte ich immer Tischler werden, Tischler, Tischler, nur Tischler, der Onkel war nämlich ein Tischler. Aber mein großer Bruder hat einen Bekannten gehabt, und meine Mutter, die was Hausmeisterin in der Herbststraße im 16. Bezirk war, hat gesagt: Du, geh rauf zu dem und hol mir was! Da hab ich dort einen Herrn am großen Tisch sitzen gesehen mit Kupferdraht und Werkzeug, und das hat mich so fasziniert, dass ich gesagt habe: Das will ich werden!

Typisches Bubenzeugnis!

Damals sind die Firmen noch in die Hauptschule gekommen und haben geworben, dass man bei ihnen lernt. Meine Eltern haben mich dann beim Arbeitsamt Jugendliche angemeldet, und eine Woche später hab ich einen grünen Zettel gekriegt: Vorstellen bitte bei der Firma Schaufler. Na ja, ich bin mit den Eltern hereingefahren, der Schaufler – ein kleines Manderl, kleiner als ich – schaut das Zeugnis an, verzieht das Gesicht und sagt: Typisches Bubenzeugnis. Mathematik 4, Turnen 1. Fangst halt an!

Wir haben Küchenmaschinen und Staubsauger repariert, viele Staubsauger. Motoren ausbauen, wickeln. Damals haben die Staubsauger noch 30 Jahre gehalten, und dann haben wir sie repariert. Der Chef war ein Strenger, wollte aus einer Blechdose ein Flugzeug bauen. Einmal haben wir von einem Kaffeehaus einen Ventilator vom Xpelair aus Plastik gehabt, der ist abgebrannt, der Plastikflügel war von der Hitze verzogen. Wir haben den Motor gewickelt, dann hab ich gesagt, ich hol vom Xpelair im 15. Bezirk einen Flügel.

Der Chef: Naaaaaa! Den biegen wir selber aus! Na gut. Wir haben den ganzen Tag da herumgeschissen, mit einem Tauchsieder das Wasser gekocht, er am Flügel herumgebogen, bis er geschrien hat: Scheiß drauf! Hol einen neuen!

In der Gewerkschaft war ich natürlich, die haben mich gleich nach einem Jahr zur Erholung nach Maria Wörth geschickt, weil ich sehr stark untergewichtig war, der Chef hat natürlich durchgedreht. Ich hab vorher als Kind schon nur Fußball im Kopf gehabt, dann als Lehrling auch, bin nur gerannt, die Rippen haben herausgeschaut. Das Essen dort? Na ja, Gewirkschaftsheim! Ich bin heimgekommen mit zwei Kilo weniger.

Nix mehr mit Kicken

Ich war ein Sport-Club-Fan, wie der Erich Hof dort gespielt hat, hab selbst bei der Post SV gespielt und dann bei der Gersthof. Wie ich 18 war, haben wir gegen den Sport-Club gespielt, und ich hab denen zwei Türln gemacht, da haben sie sich interessiert für mich. Aber dann hab ich mir den Fuß gebrochen, wie ich von daheim zum Moped gegangen bin, bin umgekippt und aus.

Gesellen- und Meisterprüfung hab ich in der Mollardgasse gemacht, eine Wickel schablone für Motoren war das Meisterstück, die Prüfung ist über fünf Tage gegangen, zwei Tage Werkstatt, ein Tag Buchhaltung, zwei Tage Theorie. Ich hab’s geschafft und dann da weitergearbeitet, da waren nur noch der Chef und die Chefin. Im 1980er-Jahr hat er mich gekündigt, bevor die Gleichstellung der Arbeiter- und Angestelltenabfertigung gekommen ist, so war das.

Dann war ich drei Monate arbeitslos, bis ich in der Zeitung eine Anzeige gesehen habe: Die Kenwood-Küchenmaschinen suchen einen im Kundendienst. Bis mich 1983 der Chef angerufen und gesagt hat: Karl, ich bin jetzt 87 und geh in Pension, willst es übernehmen? Seit 1. Juli 1983 steh ich also mutterseelenallein da herunten in dem Laden. Wenn viel zu tun ist, dann geht es. Ich bin aber auch schon eine Woche da gesessen, da hat sich gar nichts getan. Ich brauch einen Arbeitsruck, dann bring ich was weiter.

Vorbeikommen tun Jung und Alt. Selten sind die Anrufe geworden, dass ich wo einen Staubsauger abholen soll für die Reparatur, die alten Leute sterben weg, heute repariert keiner mehr was. Wegwerfen, neu kaufen. Das Arbeitsleben hat sich massiv geändert, das Kundenverhalten auch. Manche sind sehr zufrieden, andere sagen: Auf Nimmerwiedersehen! Im Gemeindebau war ich genauso oft wie in Grinzing oder Hietzing, die Reichen waren eher knausrig.

Wlaschek, der Knauser

Einmal war ich beim Wlaschek in seinem Palais: Eine Kenwood Kuchlmaschin’ ist hin, ob ich die mache? Bin ich hinein zu ihm, ein Wahnsinn. Alles Marmor, wie ein Schloss, langer Gang, rechts in die Kuchl, die so groß war wie meine ganze Wohnung. Hab die Maschin’ mitgenommen, am Nachmittag angeschaut, repariert, nächsten Tag geliefert. Er in der Kuchl in seinem viel zu langen Sakkl, greift in die linke Tasche, wo die 500er-Rolle war, dann in die andere mit den 200ern. Gezahlt hat er genau am Cent. Ein Geschäftsmann halt! Der wird mich übers Branchenbuch gefunden haben, ich hab dort eine große Anzeige drin.

Meine Schätze? Das sind alles Staubsaugersackerln, die kriegst du nirgends mehr. Der Philips hat seine Typen damals nach Städten benannt – Oslo, Amsterdam, Sidney. Der Family ist von Nilfix. Volta war eine schwedische Firma, eine super Marke. Die Werkstatt? Wie ich angefangen hab, hat es hier ausgeschaut wie in einer Apotheke, heute – na ja. Der Chef tät rotieren im Grab! Da ist ein Lehrling gestanden, da der andere, da der Chef, da ich. Das ist eine Presse, eine Drehbank klein, eine Riesendrehbank. Das sind Gewindeschneideeisen, das Gewindebohrer, da noch ein Prüffeld, Fiberscheiben zum Distanzieren, da hunderte Staubsaugerschläuche, da eine Ankerwickelmaschine, da eine Spulenwickelmaschine, alles selbst gebaut.

Wickeln tu ich nicht mehr, wirklich nicht. Heute reparier ich noch einen Staubsauger. Wie lange ich überhaupt noch tu? Schau’n S’: Ich bin jetzt 73. Seit acht Jahren krieg ich eine Minipension, aber ich mach weiter. Wenn ich aufhöre, dann muss ich das alles räumen. Aber die Werkbänke wiegen Tonnen und sind einbetoniert. Wie soll ich das alles rauskriegen?" (Manfred Rebhandl, 21.2.2023)