Auch eine Begleitung beim Spazieren kann entlastend wirken – sowohl für an Demenz erkrankte Personen als auch deren Angehörige.
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Im Gastblog zeigt Marianne Buchegger, wie unterschiedlich gestaltet die Unterstützung bei Demenz in Österreich ist – und was notwendig ist, um das Angebot zu erweitern.

In Österreich sind etwa 130.000 Menschen von Demenz betroffen, etwa 100.000 davon sind an der Alzheimer-Demenz erkrankt. Bis 2050 wird sich die Anzahl erkrankter Personen zumindest verdoppeln.

Stigmata und Zuschreibungen, wie zum Beispiel: "Wenn man an Demenz erkrankt ist, kann eh nichts mehr gemacht werden", "Menschen mit Demenz werden am besten wie Kinder behandelt" ,"Menschen mit Demenz sind aggressiv und bekommen nichts mehr mit" und "Wenn ich Demenz bekomme, bringe ich mich lieber gleich um", sind nach wie vor in unserer Gesellschaft verankert und verändern sich nur langsam. Um diese Zuschreibungen und Vorurteile sowie den Umgang mit Demenz und Vergesslichkeit in unserer Gesellschaft zu verändern, arbeiten viele unterschiedliche Menschen und Organisationen in ganz Österreich daran, Netzwerke zu bilden.

Diese Netzwerke sollen sowohl Betroffene als auch deren An- und Zugehörige, aber auch Fachpersonen auf ihrem Weg unterstützen. Der heutige Beitrag stellt einige dieser "Netzwerkknoten", Einzelpersonen sowie Organisationen vor und zeigt, weshalb sie sich für das Thema Demenz einsetzen.

Urlaubsmöglichkeiten in Bad Ischl und Bad Hall

Die MAS Alzheimerhilfe wurde vor 25 Jahren von Felicitas Zehetner aus der Rolle einer pflegenden Angehörigen heraus gegründet. Die MAS Alzheimerhilfe betreibt mittlerweile etliche Demenzservicestellen und mobile Beratungs- und Betreuungsangebote in ganz Oberösterreich und ist Anbieter des einzigartigen Alzheimerurlaubs in Bad Ischl und Bad Hall.
Auf die Frage, weshalb sie sich mit dem Thema Demenz befasst, sagt Magdalena Schröckelsberger, die die Demenzservicestelle MAS in Bad Ischl leitet: "Demenz geht uns alle an. Demenz kann jeden und jede von uns treffen. Gleichzeitig ist es ein Thema, das mit großen Tabus und Stigmatisierung behaftet ist. Demenz braucht daher auch Öffentlichkeit und die vielen betroffenen Familien professionelle Hilfe."

Onlinecafé und Angehörigengruppe

Promenz wurde 2015 von Reingard Lange und Monika Kripp als Initiative von und für Menschen mit Vergesslichkeit und Demenz sowie für deren An- und Zugehörige gegründet. Der gemeinnützige Verein Promenz existiert seit 2017 und unterhält mittlerweile drei unterstützte Selbsthilfegruppen in Wien, ein Onlinecafé sowie eine Angehörigengruppe.

Raphael Schönborn, Geschäftsführer von Promenz, erzählt: "Es fasziniert mich, wie Betroffene trotz Demenz ihr Selbst lange Zeit erhalten können und wie ihnen das gelingt. Demenz verrät uns viel darüber, worum es im Leben geht, was existenziell wichtig ist und wie zentral dafür Beziehungen sind."

Katarina Klee ist Autorin, Beraterin und Initiatorin des Café Promenz. Gleichzeitig engagiert sie sich ehrenamtlich in der Begleitung von Menschen mit Demenz: "Ich beschäftige mich seit etwa sechs Jahren mit dem Thema. Ich erlebe Menschen mit demenziellen Erkrankungen als (Lehr-)Meisterinnen und (Lehr-)Meister. Gelernt habe ich Anfängergeist, Mut, Achtsamkeit, Wille, Kommunikation und all das (besser) wahrzunehmen. Sollte ich selbst je diagnostiziert werden, wünsche ich mir ein Umfeld, das darauf vorbereitet ist, ich möchte vorbereitet sein – auch deshalb."

Gutes Leben mit Demenz ermöglichen

Miteinander im demenzfreundlichen Hietzing ist eine zivilgesellschaftliche Initiative (Einzelpersonen, Vereine, Firmen, Organisationen). Ziel ist es, die Akzeptanz für Demenz als Form des Alterns zu erhöhen und ein gutes Leben – auch mit Demenz – zu ermöglichen. Der 13. Bezirk war einer der ersten demenzfreundlichen Bezirke Wiens – Koordinatorin Petra Rösler möchte durch Bildung und Netzwerke Barrieren abbauen: "Ich engagiere mich mit Herz und Hirn im Bildungsbereich für ein besseres Leben mit Demenz, weil noch so viel Wissen fehlt oder nicht in hilfreicher Form verfügbar ist."

Sie führt weiter aus: "Wir brauchen einen großen Wandel hin zu einer Gesellschaft, in der man sich mit Schwächen nicht versteckt, in der wir großzügig miteinander umgehen, in der wir uns füreinander verantwortlich fühlen. Dazu braucht es Bewusstseinswandel, gute Beispiele, Übungsräume. Ob es um das Miteinander von Jung und Alt geht, um Vernetzung in einem komplizierten Umfeld oder um Inklusion im Alltag: Es gibt kaum einen Lebensbereich, den wir beim Thema Demenz nicht berühren. Emotional hat mich das Thema im Ehrenamt vor vielen Jahren schon 'gepackt' . Später kam durch die Begegnung mit Marina Kojer eine professionelle Begeisterung dazu. Sie hat Palliative Care für Menschen mit Demenz überhaupt erst zum Thema gemacht. Nun stehen wir an dem Punkt, wo wir uns dem anderen Ende von Demenz-Wegstrecken stärker widmen, den frühen Phasen. Beides ist wichtig, beides nennen wir Demenz – wissend, dass es 'die Demenz' nicht gibt. Aber leider ein gemeinsames Stigma, gemeinsame Scham und Verdrängung. Es bleibt viel zu tun!"

Begleitung im Alltag

Seit 2014 bilden die Caritas Socialis GmbH und das Kardinal König Haus ehrenamtliche Demenzwegbegleiterinnen und Demenzwegbegleiter aus. Ziel ist es, Menschen mit Demenz und deren Angehörig, zu begleiten und zu unterstützen. Demenz-Wegbegleitende orientieren sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen. Sie sind da für ein Gespräch, begleiten bei Spaziergängen und Aktivitäten, entlasten Angehörige in der Betreuung von Menschen mit Demenz und stehen zur Verfügung, wenn Angehörige für einige Stunden anderes vorhaben. Manuela Tschuk ist eine der Koordinatorinnen der ehrenamtlichen Demenzwegbegleiterinnen und Demenzwegbegleiter. Sie sagt: "Ich arbeite mit Menschen mit Demenz und ihren An- und Zugehörigen, weil Demenz mittlerweile sehr viele Familien und Zugehörige betrifft und weil das Einander-Verstehen so wichtig für ein gutes Miteinander ist."

Aktivierung von Menschen mit Demenz

Romana Hartl begleitet Menschen mit Demenz im Burgenland. Gedächtnisspaziergänge, Denksportkubs, Aktivierung von Menschen mit Demenz sowie Beratung für Betroffene zählen zu ihren Angeboten. Warum das Thema Demenz für sie wichtig ist, schildert sie folgendermaßen:

"Es gibt so viele Menschen, die eine Demenzerkrankung haben und zu 'Dementen' gemacht werden. Der Mensch dahinter wird oftmals nicht mehr wahrgenommen. Es fehlt vielen das Wissen um die Erkrankung und dadurch auch Verständnis und Einfühlungsvermögen für Personen und Situationen."

Neben der Wissensvermittlung und Beratung ist ihr die direkte Arbeit mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind, sehr wichtig. Sie erzählt:

"Ich arbeite mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind, weil Menschen mit einer Demenzerkrankung sich unsicher und verloren fühlen in unserer leistungsbezogenen Welt. Das Miteinander ist stärkend, ich versuche die Menschen, die ich begleite, dort abzuholen, wo sie gerade sind. Vor allem aber versuche ich ein wenig das zu sein, was ich mir gewünscht habe, als mein Vater an Demenz erkrankt ist."

Möglichkeit für Austausch

Eine Plattform, auf der sich An- und Zugehörige austauschen können – das war das Ziel von Claudia Knopper und ihren Kolleginnen und Kollegen, alle selbst betroffen als An- und Zugehörige von an Demenz erkrankten Familienmitgliedern oder Partnerinnen und Partnern. Aus diesem Ziel ist die Salz – die Steirische Alzheimerhilfe – entstanden. Salz bietet An- und Zugehörigen unterschiedliche Möglichkeiten des Austauschs und der Entlastung. Das Angebot geht von persönlichen Treffen und Onlineaustausch bis hin zu Beratung bei Pflegegeldeinstufungen.
Claudia Knopper und ihren Kolleginnen sowie Kollegen sind mehrere Aspekte beim Umgang mit Demenz, betroffenen Menschen sowie deren An- und Zugehörigen wichtig zu beachten:

  • Demenz geht uns alle an, denn jede und jeder kann daran erkranken.
  • Es gibt viele Gründe, weshalb Menschen ihre Mitte verlieren – dass sich die Wahrnehmung "ver-rückt". Demenz ist nur einer davon.
  • Demenz kehrt das Innerste nach Außen – alles verändert sich, das Oben ist das Unten, das Außen wird zum Innen und umgekehrt.

Selbsthilfegruppe für Angehörige

Friedrich Gottardi ist pflegender Angehöriger und Obmann des Selbsthilfevereins Memory in Tirol. Die pflegenden An- und Zugehörigen aus dem Schatten zu holen und eine Möglichkeit für regelmäßigen Austausch zu schaffen war und ist sein Ziel. Daraus entstanden ist der Selbsthilfeverein Memory in Tirol.

Friedrich Gottardi erzählt in einem Interview mit der "Tiroler Tageszeitung" von seiner Arbeit: "Viele Angehörige, die sich bei uns melden, sind schon in einer Phase der Überlastung. Oft fließen da erst einmal Tränen. Sie sind froh, wenn sie mit jemandem sprechen können, der weiß, was es heißt, einen Angehörigen zu pflegen. Man darf nicht vergessen, dass das oft Jahre geht. Das geht immer an die Substanz, das schafft niemand alleine. Wir bieten in der Selbsthilfegruppe einen Rahmen für Gespräche, arbeiten auch mit einer Psychologin zusammen und helfen uns so gegenseitig."

Wohngemeinschaften

Die Lebensräume an die Menschen und nicht die Menschen an die Lebensräume anpassen – das ist einer der Leitsätze der CS Caritas Socialis GmbH. Dementsprechend gibt es ein vielfältiges Angebot an Lebensräumen – wie die beiden Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz. Dieses Angebot ist einzigartig in Wien und stellt eine Möglichkeit des Übergangs zwischen Tagesbetreuung und Pflegewohnheim dar. Marion Landa-Meidlinger leitet diese beiden Wohngemeinschaften. Auf die Frage, warum für sie das Thema Demenz so wichtig ist, antwortet sie: "Weil es die Begegnung mit dem Mensch-Sein in seiner Eindeutigkeit, Vielfältigkeit und seinem ganzen Facettenreichtum ist."

Um Demenz und Vergesslichkeit weiter aus der Tabuzone zu holen und Veränderungen voranzutreiben, braucht es Zeit und Menschen aus unterschiedlichen Professionen, die dranbleiben. Es braucht sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen. Damit diese bereitgestellt werden können, ist ein weitreichendes und nachhaltiges politisches Handeln notwendig – daran arbeiten etliche Menschen auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene.
Entwicklung und Veränderung braucht Zeit. Entwicklung und Veränderung passiert – auch jetzt schon. Demenz geht uns alle an. (Marianne Buchegger, 22.2.2023)