Im Gastblog beschreibt Rechtsanwältin Yara Hofbauer, wie der gesetzliche Anspruch auf barrierefreie Zugänge oft nicht gewährleistet wird – und dennoch keine Änderung erfolgt.

Was passiert, wenn eine Person dadurch diskriminiert wird, dass ihr der Zugang zu bestimmten Räumen oder Tätigkeiten aufgrund fehlender Barrierefreiheit faktisch verwehrt wird? Oft reichlich wenig. Unter Umständen muss eine Entschädigung geleistet werden, aber ein Anspruch auf Herstellung eines barrierefreien Zustands besteht derzeit nicht.

Geschütztes Merkmal: Behinderung

Behinderung ist in Österreich ein antidiskriminierungsrechtlich geschütztes Merkmal. Eine solche liegt dann vor, wenn für einen Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten eine körperliche, geistige oder psychische Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren, besteht. Das bedeutet, dass die Behinderung im antidiskriminierungsrechtlichen Sinn nicht gleichzusetzen ist mit der "begünstigten Behinderung", für die ein Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent festgestellt werden muss.

Menschen mit Behinderung muss eine volle Teilhabe ermöglicht werden – in der Praxis ist dies aber oft nicht der Fall.
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Österreich verfehlt Vorgaben

Österreich hat im Jahr 2008 das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert. Der österreichische Gesetzgeber ist damit verpflichtet, die dort festgelegten Vorgaben umzusetzen. Demnach müssen die Vertragsstaaten nicht nur den Grundsatz der Nichtdiskriminierung beachten, sondern Menschen mit Behinderung auch die "volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft" sowie die "Barrierefreiheit" ermöglichen.

Eine wirksame gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu ermöglichen bedeutet weit mehr, als schlicht zu verbieten, Menschen mit Behinderung zu diskriminieren. Denn es beinhaltet auch die Verpflichtung, Hürden, die eine solche gleichgestellte Teilhabe verunmöglichen, aktiv abzubauen. Diese Vorgaben sind in Österreich derzeit völlig unzureichend umgesetzt.

Fehlende Barrierefreiheit

Eine vom Bundesverband für Menschen mit Behinderung (ÖZIV) 2020 veröffentlichte Studie zur Barrierefreiheit in Wiens Einkaufsstraßen kam beispielsweise zu dem Ergebnis, dass sich die bauliche Barrierefreiheit im Vergleich zu den Jahren davor sogar verschlechtert hat. Keine der überprüften Straßen ist barrierefrei ausgestaltet, am schlechtesten schnitt die Thaliastraße ab, in der nur 24 Prozent der Geschäfte stufenfrei war. Natürlich beschränkt sich Barrierefreiheit aber nicht auf eine rollstuhlgerechte Ausgestaltung von Räumlichkeiten. Auch die Voraussetzungen dafür, dass sich gehörlose, blinde und sehbeeinträchtigte Personen oder Personen mit Lernschwäche gut zurechtfinden können, müssen gegeben sein.

Denn letztlich muss die rechtliche Situation dem in Art 3 lit a der Behindertenrechtskonvention festgelegten Grundsatz, nämlich der "Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Selbstbestimmung", gerecht werden. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht der Fall ist, wenn sich die Schaffung der Teilhabemöglichkeit bei fehlender Barrierefreiheit auf die Geltendmachung eines finanziellen Entschädigungsanspruchs beschränkt.

Keine wirksame Teilhabe

Die Gesellschaft stellt Personen mit Behinderungen zahlreiche Hindernisse in den Weg, doch damit nicht genug – sie können ihren Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe auf Augenhöhe nicht einmal durchsetzen, sondern werden mit (geringen) Geldleistungen abgespeist. Möchte sich eine von Diskriminierung betroffene Person gegen eine fehlende Barrierefreiheit zur Wehr setzen, so muss sie sich zunächst an die Schlichtungsstelle des Sozialministeriumsservice wenden. Erst wenn es dort nachweislich zu keiner Einigung kommt, kann der Anspruch bei Gericht geltend gemacht werden. Dieser beschränkt sich allerdings auf eine finanzielle Entschädigung, ein Anspruch auf Herstellung eines barrierefreien Zustands besteht nicht.

Dieser unbefriedigende Rechtszustand setzt die Behindertenrechtskonvention nicht nur unzureichend um. Er führt auch dazu, dass kaum Anreiz dafür besteht, Barrierefreiheit herzustellen. Die EU hat mit dem Europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit versucht, die Vorgaben der Behindertenrechtskonvention in den Mitgliedsstaaten einheitlich zu gewährleisten. Die dort festgelegten, von den Mitgliedsstaaten umzusetzenden Vorgaben beschränken sich allerdings auf bestimmte (digitale) Produkte, und es bleibt abzuwarten, wie sie von Österreich konkret umgesetzt werden. Derzeit werden Personen mit Behinderung damit regelmäßig und in unwürdiger Weise auf eine Position der Bittsteller und Bittstellerinnen zurückgeworfen. Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Barrierefreiheit ist somit eine längst überfällige und erforderliche Maßnahme. (Yara Hofbauer, 27.2.2023)