Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan in Antakya.

Foto: IMAGO/Celestino Arce

Istanbul – Zahlreiche Anwälte haben wegen der Erdbebenkatastrophe Anzeige gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und etliche weitere Amtsträger eingereicht. Dem Präsidenten, Ministern, Gouverneuren und Bauunternehmen werfen sie etwa vorsätzliche sowie fahrlässige Tötung und Amtsmissbrauch vor, wie aus der Strafanzeige hervorgeht. "Als Juristen dieses Staates können wir unsere Augen nicht vor so einer Ungerechtigkeit verschließen", sagte Anwältin Pinar Akbina Karaman.

61 Juristen hätten bisher unterschrieben. In der Türkei wird weiterhin stark diskutiert, wie und ob das Ausmaß der Erdbebenkatastrophe hätte verhindert werden können. Die türkische Opposition wirft der Regierung etwa vor, nicht genügend in die Vorsorge und Erdbebensicherheit der Gebäude vor Ort investiert zu haben und auch jetzt in der Krisenantwort zu versagen. Die türkische Regierung weist derartige Vorwürfe unter anderem als Fehlinformationen von sich und argumentiert, eventuelle Schwierigkeiten seien dem Ausmaß der Katastrophe geschuldet.

Beispielloses Ausmaß an Zerstörung

Das verheerende Erdbeben in der Türkei und Syrien war nach Angaben der Vereinten Nationen nicht nur nach Todesopfern das schlimmste in der türkischen Geschichte. Auch die Berge an Schutt und Geröll seien beispiellos, sagte Louisa Vinton, die Vertreterin des Uno-Entwicklungsprogramms (UNDP) in der Türkei, am Dienstag. Tausende weitere Opfer und Schäden gab es in Syrien. Vinton bezog sich nur auf die Türkei.

Die Behörden hätten inzwischen 70 Prozent der 927.000 in Mitleidenschaft gezogenen Gebäude inspiziert. 118.000 davon seien eingestürzt oder so beschädigt, dass sie abgerissen werden müssten. Das UNDP schätzt den Umfang von Schutt und Asche auf zwischen 116 und 210 Millionen Tonnen. Um das zu lagern, müsste ein Areal von 30 mal 30 Quadratkilometern drei Meter hoch aufgeschüttet werden. Nach Angaben von Vinton fielen bei dem letzten großen Erdbeben 1999 in der Türkei 13 Millionen Tonnen Schutt und Asche an.

Die Vereinten Nationen fürchten die Ausbreitung von Krankheiten. Sie hätten unter anderem Abfallcontainer und Desinfektionsmittel in die betroffene Region in der Türkei geschickt. Dringend benötigt würden tragbare Toiletten. 1,5 Millionen Menschen seien obdachlos geworden. (APA, 22.2.2023)