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Avital Carrolls Großeltern sind als Kinder wegen ihres jüdischen Hintergrunds aus Österreich geflohen.

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Carroll belebt eine schwach besetzte Skisparte in Österreich.

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Wien/Bakuriani – Wenn sie am Samstag erstmals für Österreich bei einer WM antritt, dann träumt Avital Carroll von einer Medaille. Das scheint ein wenig verfrüht. Doch für die 26-jährige gebürtige US-Amerikanerin zählt nicht nur der sportliche Erfolg als Buckelpisten-Artistin. Dank der Einbürgerung aufgrund eines seit September 2020 gültigen Gesetzes, das Nachkommen von Kriegsvertriebenen die österreichische Staatsbürgerschaft anbietet, hat die Sportlerin quasi eine doppelte Mission.

Carroll, geborene Shimko, ist die Enkelin von Elfi Hendell (geborene Straub). Ihre mittlerweile fast 90-jährige Oma war im Zweiten Weltkrieg als Siebenjährige wegen ihres jüdischen Hintergrunds aus Österreich geflohen, zunächst nach Italien und dann 1944 gemeinsam mit einer befreundeten Familie nach abenteuerlicher dreiwöchiger Schiffsreise auf der U.S.S. Henry Gibbins nach New York. Eine Verlosung für 1.000 Personen hatte das erst möglich gemacht.

Aushängeschild in Buckelpisten-Sparte

Fast 80 Jahre später nutzte Avital Carroll das Angebot der österreichischen Bundesregierung, setzte sich mit dem Österreichischen Skiverband in Verbindung und ist nun in der heimisch schwach besetzten Buckelpisten-Sparte das Aushängeschild. Und sie versucht nun auch, eine versöhnliche Botschaft zu verbreiten. "Love – dream – unite" ("Liebe, träume, vereinige") propagiert sie auch auf ihrer Website, auf der sie die Geschichte ihrer Großeltern erzählt. Auch dort bedankt sie sich für die Möglichkeit, die Österreich ihr und der jüdischen Gemeinschaft gegeben hat.

"Ich finde es toll, dass Österreich dieses Gesetz geschaffen hat. Ich weiß, dass es hart ist, die Dinge zu sehen, die in der Vergangenheit passiert sind, aber ich glaube, dass man nun versucht, Wiedergutmachung zu leisten und auch jüdische Leute nach Österreich zu bringen", sagte Carroll. "Das ist wirklich unglaublich, dieses Wachstum und diese Änderung in dem Land zu sehen."

Avital Carroll mit der Oma, die als Siebenjährige über Italien in die USA flüchtete.
Foto: APA/FIS/MATEUSZ KIELPINSKI

Die Flucht ihrer Oma ist ihr freilich erzählt worden. "Es war wirklich hart für meine Familie zu flüchten. Meine Oma war sieben, mein Opa ein bisschen älter, und sie haben eine 21-tägige Schiffsreise nach New York genommen. Es sollte nur vorübergehend sein, dann sind sie nach Oswego (New York) in die Highschool gekommen. Dort sind sie dann geblieben. Meine Großeltern haben dann als Teenager geheiratet und sind dann nach New York City gezogen."

Die kroatisch-stämmige Familie ihres Opas hatte ihre Familie überredet, den doch auch gefährlichen Schiffstrip zu riskieren. In der Hoffnung auf ein besseres Leben. Ihre Oma Elfi hat später der ganzen Familie das Skifahren nahegebracht, mit vielen Trips in den US-Bundesstaat Vermont.

Mit Bobby in Park City

Avitals ältere Schwester Arielle hat die Buckelpiste als Erste ausprobiert, und alle vier Geschwister sind ihr nachgefolgt. "Ich habe mit sechs begonnen. Als ich zwölf war, daran erinnere ich mich lebhaft, habe ich meinen Eltern gesagt, dass ich einmal zu den Olympischen Spielen fahren möchte", erzählte Avital Carroll. Heute lebt sie mit ihrem Mann Bobby in Park City (Utah), dort wo auch schon Olympische Bewerbe ausgetragen wurden und es ausgezeichnete Trainingsmöglichkeiten gibt.

Der Grund für den Wechsel nach Österreich ist mehrschichtig. "Ich habe die Möglichkeit, dass ich von meinem Ehemann Bobby trainiert werde. Er kennt mich besser als irgendjemand", sagt sie über den Ex-Buckelpisten-Athleten. "Wir haben unseren eigenen Weg, in Österreich können wir den gehen. Der Verband war super unterstützend und hat uns mit offenen Armen empfangen."

Seit fast zwei Jahren hat sie nun die österreichische Staatsbürgerschaft, sie besitzt auch weiter die US-amerikanische. Sie lernt auch Deutsch und hat große Hoffnungen, auch dem Nachwuchs in Österreich auf die (Buckelpisten-)Sprünge zu helfen. Dass sie nun für Österreich fährt, sieht Carroll aber auch als "neue Möglichkeit, Einigkeit für uns alle zu promoten".

Traum von Olympia-Gold

In ihrem ersten vollen Jahr im Weltcup hat die Sportlerin für Österreich schon neun Top-Ten-Platzierungen eingefahren. "Das hätte ich mir nie vorstellen können. Die ganze harte Arbeit zahlt sich jetzt aus", freut sich Carroll. "Kurzfristig will ich unbedingt aufs Podium, auf lange Sicht würde ich gerne einen Gesamt-Weltcup gewinnen oder hoffentlich eine olympische Medaille. Und auch etwas von der Heim-WM 2027 im Montafon nach Hause mitnehmen. Das wäre super. Ich habe sehr große Ziele, der Traum ist Olympia-Gold", verrät sie.

Wie sie die Faszination Buckelpiste beschreiben würde? "Es ist verrückt. Du hast diese riesigen Buckel, diese großen Sprünge, man hat Angst, es ist sehr herausfordernd. Es ist diese Erfüllung, wenn du es schaffst, das ist eines der tollsten Gefühle." Nicht immer leicht ist es freilich, dass dieser Sport von Richtern bewertet wird. "Manchmal ist es nicht so toll, weil du glaubst, dass die Bewertung unfair ist oder sie nicht ordentlich aufgepasst haben."

In Bakuriani stehen am Samstag der Buckelpistenbewerb, am Sonntag der "Dual Moguls", also der Parallel-Bewerb, auf dem Programm. "Ich mag den Duals-Bewerb mehr, es ist eine andere Herangehensweise. Es geht darum, die Person neben dir zu schlagen, du kämpfst bis nach unten gegen jemanden und das passt besser zu meiner Persönlichkeit. Jetzt wird es 2026 erstmals auch olympisch."

Vierte in Alpe d'Huez

Bei der WM ist sie noch keine Medaillenkandidatin, doch wenn alles perfekt laufe, traut sie sich den Coup schon zu. Vorbereitet hat sie sich in Alpe d'Huez, wo sie im Dezember mit Rang vier ihr bisher bestes Karriere-Resultat erreicht hat. Ihre stärksten Konkurrentinnen nennt sie mit Jakara Anthony (AUS), Perrine Laffont (FRA) und Anri Kawamura (JPN). "In den Duals weiß man nie, was passiert", meint sie.

Je erfolgreicher sie wird, umso mehr wird Avital (bedeutet übrigens "Vater des Morgen-Taus") auch ihre politische Message verbreiten können. Und was sagt eigentlich ihre Oma dazu, dass sie nun für Österreich startet? "Zu Beginn war sie verwirrt, natürlich hat sie nicht die besten Erinnerungen an Österreich. Dann hat sie es verstanden und hat es unterstützt." (APA, 22.2.2023)