Schilderwald war gestern, heute scheitert man digital.

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Das Übel beginnt bereits beim Öffnen der App. Es muss schon ein besonders sadistischer Grafiker gewesen sein, der sämtliche Symbole von Googles Anwendungen in völlig identischen Farben gestaltet hat. Ein kurzer Moment des Triumphs, wenn man endlich das nach unten spitz zulaufende Icon in der Sammelansicht ausfindig gemacht hat. Doch die Freude währt nicht lang. Denn dann beginnt die eigentliche Suche.

Schon lange vermute ich insgeheim eine Verschwörung diverser Tourismus- und Gastronomiebetriebe hinter den Kulissen, denn dank Google Maps lerne ich Städte auf völlig unberechenbare Art und Weise kennen. Ich lande in Lokalitäten, die sich mir ohne eine vollends missglückte Navigation vermutlich nie erschlossen hätten – manch ein Gastwirt hat auf diese Weise schon von meiner Orientierungslosigkeit profitiert.

Immer falsch ist auch irgendwie "zuverlässig"

Als jemand, der an sich grundsätzlich den Anspruch größtmöglicher Selbstständigkeit stellt, habe ich meine beschämende Fehde mit Google Maps lange geheim gehalten. Denn die App schickt mich nicht einfach auf irgendeinen Umweg oder eine vermeintliche "Abkürzung". Nein – sie schickt mich zuverlässig in die komplett entgegengesetzte Richtung.

Da wir kürzlich nach Wien gezogen sind, finden sich mein Partner und ich regelmäßig in Situationen wieder, in denen man für die Dienste der weltweit größten Suchmaschine durchaus Verwendung hätte. Immerhin will man seinen Horizont jenseits der touristischen Fixpunkte Schönbrunn und "Mahü" erweitern und nicht wie der ärgste Anfänger zwischen Starbucks und McDonald's pendeln. Ein traditionelles Kaffeehaus soll es sein, stilgetreu mit grantigen Kellnern, schummrigen Ecken und abgesessenen Polstermöbeln.

Kaffeehaus-Odyssee

Schnell ist ein entsprechendes Etablissement gefunden, die Adresse kopiert und in die App eingefügt (wer laienhaft einfach im Browser auf "Maps" klickt, wird auf recht holprigem Wege ohnehin in die App geleitet). Der prognostizierte Weg von 0,8 Kilometern scheint uns per pedes erschließbar, ein Klick auf "Zentrieren" versetzt die Ansicht in ein emsiges Schleudern, um mir Sekunden später selbstbewusst mit einem großen Pfeil den Weg zu weisen. Völlig klar, hundert Meter geradeaus, dann links abbiegen, wie schwer kann das sein?

Beim nächsten Blick auf das Display warten dann gleich zwei Enttäuschungen: Erstens hat sich die App irgendwo im Hintergrund verkrochen und bei dieser Gelegenheit auch meine Suchanfrage gelöscht. Zweitens beträgt die Distanz zum Ziel nach erneuter Eingabe nun 1,2 Kilometer, was nicht unbedingt der Annäherung entspricht, die ich mir erhofft hätte. "Hm", mache ich. "Falsche Richtung?", fragt mein Freund, obwohl er die Antwort kennt. "Jepp", sage ich genervt und drücke ihm mein Handy in die Hand. Er ist der Geduldige von uns.

Philosophische Resignation

Inquisitorisch beäugt er das Display, dreht und wendet es ein wenig und stapft siegessicher in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Behände navigiert er durch die Häuserschluchten, es ist klar: Die Richtung stimmt. Doch nach zehn weiteren Minuten Fußweg hält er inne, schaut, macht die App erneut auf. Er neigt den Kopf. "Hm."

Zum Glück mangelt es Wien nun wirklich nicht an Kaffeehäusern, sodass man während des ungewollten Umwegs einkehren und sich neu orientieren kann. Konfuzius hätte wohl seine Freude mit Google Maps: Hier wird wirklich der Weg zum Ziel. (Lisa Haberkorn, 22.2.2023)